Wenn jemand sagen würde „Don’t mess with me“, so richtig ernsthaft und aufrichtig und mitten raus, zum Beispiel in mein Gesicht, dann zweifelte ich vermutlich an der psychischen Konstitution jenes Menschen, aus dessen Mund diese viereinhalb Wörter da gerade gekrochen kämen. Sowas denkt man für gewöhnlich, manch einer schreibt’s sich auch ins Tagebuch oder rahmt ein Concept-Store-Poster mit selbiger Aussage ein, um es neben oder über den mit Schnittblumen geschmückten Eames Chair zu hängen, mag ja sein. Aber wer sagt denn sowas? Vermutlich niemand, weil man dazu ziemlich große Eier haben müsste, die aber irgendwie niemand zu haben scheint, außer vielleicht im Traum. Ich träume sehr häufig. Manchmal vor lauter Wut oder aus Verzweiflung.
Es ist nämlich so: Am liebsten würde ich ständig „Don’t mess with me“ schreiben und schreien. Gerne würde ich dann auch gehört und gelesen werden, damit ich mich nicht wiederholen bräuchte. Ich würde „Don’t mess with me“ mit Schwarzlichtfarbe auf meine Stirn kritzeln und mich regelmäßig unter blaue Glühbirnen stellen. Ich würde „Don’t mess with me“ denken und leben und mich nie wieder aus der Ruhe bringen lassen. DON’T MESS WITH ME. Nicht, weil ich nicht zu besiegen wäre. Sondern weil ich mich weigere, mitzumachen.
Es ist egal, wer mehr Follower zählt, wer früher schwanger oder länger nicht-schwanger ist, wer den niedlicheren Kerl Zuhause sitzen hat, wessen Kleiderschrank praller ist und Bücherregal schlauer. Es ist egal, wessen Haar gesünder ist, wessen Konto schwerer, wessen Mutter netter oder fetter. Ist doch alles rotz egal. Eigentlich.
Zwei Scharlatane namens „Selbstzweifel“ und „Minderwertigkeitskomplex“ scheinen bis heute nämlich stärker zu sein als der menschliche Verstand. Beide zusammen sorgen für die ultimative Portion heimlichen Hass, der vermutlich jeden Zweiten von uns regelmäßig trifft, wenn auch unbemerkt. Ein Fakt, der diverse Wissenschaftler immer wieder dazu bewegt, uns Zweibeiner als eklige nichts-gönnende Muggel zu bezeichnen, bloß drückt man sich blumiger aus. Verübeln kann man’s den Hirnforschern nicht, insgeheim ahnen wir doch alle, wo der Hase der charakterlichen Abgründe lang läuft.
Dabei glaubt man es mit dem Austritt aus der Pubertät endlich geschafft zu haben, man denkt und hofft, das geistige und verbale Konkurrenz-Gehabe vom Pausenhof sei Geschichte. Ist aber nicht so. Die Spielchen spielen sich fortan bloß auf anderen Eben ab, und vor allem: Nicht unter Feinden, sondern unter Halbfreuden, die man gern „Bekannte“ nennt. Im schlimmsten Fall natürlich auch unter Ganzfreunden, aber hier hätten wir es mit besonderen Härtefällen zu tun, die, wie meine Oma vermutet, aber auch nicht mehr lange auf sich warten lassen können. „Spätestens wenn sie dir die glatte Stirn neiden, treffen dich die ersten Giftpfeile, Kind!“. Ich bin froh, schon die ein oder andere Furche erkennen zu können.
Trotzdem: Konkurrenz soll gesund sein, behaupten die Leute, motivierend und überaus wichtig. Ich sage: Kann ja alles sein, aber können wir das Rumfrotzeln nicht auf Fremde beschränken und uns von jenen, die uns halbwegs nahe stehen, ausnahmslos inspirieren lassen? Und sollte das nicht so oder so der Normalzustand sein? Nennt mich pingelig, aber ich fürchte, wir sind noch immer weit davon entfernt, von einer Welt, in der man jedem und nicht nur dem liebsten Gegenüber die Marmelade auf dem Butterbrot gönnt und zwar wirklich.
Es wird sie immer geben, diese Frettchen im näheren Umkreis, die Gutes vorgaukeln und Fieses im Sinn haben. Die dem kurzen Stechen in Hirn und Bauch ausgeliefert sind, nicht aus Böswilligkeit, sondern wegen der eigenen Unsicherheit, die für die meisten von uns wohl der dickste Stolperstein von allen auf dem Weg zur Erleuchtung bleibt. Das klingt dann in etwa so: „A. hat einen neuen Freund? Hach, ich bin ja total froh, Single zu sein, Pärchen sind ja schrecklich, B ist Single, wie furchtbar, also ich bin ja raus aus dem Disko-Alter, C ist trächtig, oh Gott, ich würde ja niemals meine Freiheit aufgeben, D hat noch immer keine Kinder, die Arme, fühlt sich bestimmt total einsam und E hat sich schon wieder neue Schuhe gekauft, also ich finde ja, das ist Verschwendung und stehen tun sie ihr sowieso nicht.“
Was uns bleibt? Pure Ignoranz, so tun, als wäre nichts, drüberhören, die ultimative Kapitulation, ganz im Sinne der self-fulfilling-prophecy-Theorie. Wenn man nur lang genug so tut, als sei die Welt ein weißer Schimmel, dann wird vielleicht irgendwann ein Pony draus, eins, das zwar ab und zu beißt, mit ein wenig Feingefühl aber durchaus zu bezwingen ist. Und wenn’s im eigenen Hirn mal sticht, hilft nur Eier zeigen. Und die Einsicht: Miss dich mit niemandem. Außer mit dir selbst.