Ich muss ehrlich zugeben, dass sich mein Gehirn ausschaltete, als ich vor ein Paar Monaten begann, dem dänischen Brand „Cecilie Copenhagen“ bei Instagram zu folgen, damit ich bloß die erste Online Shop-Lieferung der PLO-Print-Stücke nicht verpassen würde (hab‘ ich übrigens trotzdem geschafft, vor ein paar Tagen war es nämlich so weit). Schuld am Haben-Wollen-Reflex war übrigens ein Outfit von Model Caroline Brasch Nielsen.
Nachdem ich das große Geldverbrennen nun aber so oder so erst einmal verpasst habe, konnte nicht nur der Geldbeute, sondern auch das Hirn ein wenig durchatmen. Woran ich nämlich nach dem ganzen Lala Berlin Pali-Print-Hype überhaupt nicht mehr gedacht hatte: Wir haben es hier immer noch mit einem Muster zu tun, das durchaus mehr verkörpert als ein modisches Statement. Ihr erinnert euch bestimmt noch an das berühmt berüchtigte Tuch, das man mit 14 entweder selbst trug oder konsequent verschmähte und das heute als Vorlage für ebensolche modische Schmankerl wie jene von Cecilie Copenhagen dient?
Erst durch den Nahostkonflikt in Palästina gelang das dreieckige Stück Stoff jedenfalls zu seinem Namen “Palästinender-Tuch” – zuvor wurden sogenannte Kufiyas oder Hattas in der arabischen Welt schlichtweg als praktischer Sonnenschutz getragen. Seit 1918 wurde aus dem Stück Stoff langsam ein Symbol für die Unabhängigkeit Palästinas. Sechs Kriege und etliche bewaffnete Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern folgten. Es waren die 70er Jahre, die das Palästinensertuch auch bei uns so populär machten. Jassir Arafat, Anführer der Fatah-Organisation und einer der wichtigsten Protagonisten im palästinensischen Befreiungskampf, erschien immer und immer wieder in den Medien – das “Arafat-Tuch”, wie es schließlich auch genannt wurde, immer fest auf dem Kopf sitzend.
Dass der 2004 verstorbene Arafat trotz des später unterzeichneten Oslo-Friedensprozesses jahrzehntelang terroristische Anschläge und Bombenattentate auf israelische, jordanische und libanesische Ziele verübte, darf hierbei nicht beiseite geschoben werden.
Manch einer geht sogar noch weiter: “Das Tuch wurde in den 30er Jahren als Kopfbedeckung vom Großmufti von Jerusalem eingeführt, der fanatischer Antisemit war, Hitler 1943 die Hand schüttelte und dafür sorgte, dass eine muslimische SS-Einheit während des Zweiten Weltkrieges aufgestellt wurde. Das Tuch wurde als Kopfbedeckung 1936-39 in Palästina zum Symbol des profaschistischen und antijüdischen Aufstands.” (Flyer der Antifa).
Ende der 68er bis in die 70er Jahre hinein sah man das Ganze hingegen noch ein wenig anders: Hippies kehrten die Symbolik des Palituchs zum Guten um und trugen es als Zeichen persönlicher Freiheit und Repression – bis heute beziehen sich viele linksorientierte Träger allein auf jene Position. Zum Beispiel Punks, oder jene, die während der Pubertät welche sein wollten oder wollen.
In den 90er Jahren folgten allerdings immer mehr Neo-Nazis dem Pali-Ruf – noch bis heute bedienen sie sich gern linker Symbole, um eigene sozialistische Beweggründe zu unterstreichen, aber: Dass Palästina weiterhin mit Israel im Konflikt steht, scheint ein zusätzliches Argument für das Tragen des Tuchs zu sein.
Und was sagen wir selbst dazu?
Klar ist: Jeder muss für sich selbst entscheiden. Dem einen mag diese Diskussion über das Tragen oder Nichttragen sinnlos erscheinen oder gar zum Halse heraus hängen, vielleicht regt man sich auch über so viel Pingeligkeit auf. Andere hingegen wollen einfach Bescheid wissen, wollen sich im Klaren darüber sein, was sie da tragen, um am Ende eine eigene Entscheidung treffen zu können. Wieder andere können das Ganze am Ende vielleicht sogar als modische Erscheinung akzeptieren (machen die meisten schließlich bei Parkas & Co genau so, denn das Umkehren von negative Erinnerungen in optimistische Kleidung passiert in der Modewelt fast jeden Tag, siehe: Military Look). Als Trend, der zwar einen breiten Hintergrund aufweist, der heute allerdings losgelöst von allem was war oder ist betrachtet werden sollte – denn ein Muster ist schließlich nur ein Muster und ein Shirt ist noch lange kein Tuch.
Dass das Palästinenser-Tuch für mehr als Freiheit steht, sollten wir jedenfalls im Hinterkopf behalten. Es ist und bleibt eben auch Kriegssymbol für Kampf und Widerstand.
Was ich selbst aus diesen Fakten mache, habe ich bereits mit dem Tragen dieser Lala Berlin Hose gezeigt. Und das, obwohl ich ein Jahr zuvor noch über selbige meckerte. Mich konnten tatsächlich erst um die zehn Gespräche über die Verwendung solcher Symbole in der Mode überzeugen, Gespräche über die Umkehrung von selbigen und dem natürlichen und wichtigen Lauf der Dinge, wenn es um „Trends“ geht, über Veränderung. Am Ende war für mich klar: Wer Parka sagt, kann auch Pali sagen.