Wenn man sich zur Zeit durch die sozialen Medien scrollt, begegnet man früher oder später ziemlich sicher diesem knallorangen Wälzer mit dem silbernen Ornament auf dem Buchdeckel. „Der Circle“ von Dave Eggers tummelt sich auf sämtlichen Bestsellerlisten, seit er vor ein paar Wochen auf Deutsch erschienen ist – und was soll ich sagen? Ich hab mir den Wälzer innerhalb von 3 Tagen reingezogen. Und darum geht’s:
„Der Circle“ ist der Name des ziemlich hippen kalifornischen Unternehmens, das Google, Twitter und Konsorten geschluckt und sich durch die Abschaffung von Internetanonymität zum Big Player des WWWs gemausert hat. Das oberste Ziel des Gigantenunternehmens: Mithilfe der Verbreitung und Archivierung von möglichst viel Information und Wissen soll die Welt ein sicherer und moralischer Ort werden. Die 24-jährige Mae Brown kann ihr Glück also kaum fassen, als sie sich einen Job bei besagtem Traumarbeitgeber angelt, wo tägliche Partys mit hochkarätigen Stars an der Tagesordnung stehen, kostenlose Lunchs völlig selbstverständlich sind und eine freundschaftliche Atmosphäre unter den Arbeitskollegen („den Circlern“) groß geschrieben wird. Bis schließlich alles anders kommt.
„Das hier soll ein Ort der Menschlichkeit sein. Und das bedeutet die Förderung der Gemeinschaft. Besser gesagt, es muss eine Gemeinschaft, eine Community sein. Das ist einer unserer Slogans, wie du wahrscheinlich schon weißt: Community First. Und du hast die Schilder gesehen, auf denen steht „Hier arbeiten Menschen“ – auf die bestehe ich . Das ist mein Hauptanliegen. Wir sind keine Roboter. Das hier ist kein Ausbeuterbetrieb. Wir sind eine Gruppe der besten Köpfe unserer Generation.“
Nun, ihr ahnt es wahrscheinlich schon: Was nach Idealismus, Demokratie und Unabhängigkeit klingt, entpuppt sich irgendwann als wahr gewordener Albtraum. Diese vollständige Transparenz, die ununterbrochene Überwachung und stetige Onlinepräsenz die Eggers beschreibt, wird von Seite zu Seite beklemmender und erinnert erschreckend oft an die gegenwärtige Realität.
„Durch CHAD erhalten wir Echtzeitdaten von allen Circle-Mitarbeitern. Mae, Sie und die Neulinge waren die Ersten, die die neuen Armbänder bekommen haben, aber inzwischen ist auch jeder andere beim Circle damit ausgestattet. Und somit werden wir am laufenden Band mit fehlerfreien und vollständigen Daten zu den elftausend hier arbeitenden Menschen versorgt. Ist das nicht grossartig?“
An einigen Stellen fehlt es Dave Eggers an sprachlicher Raffinesse, die Protagonistin wirkt mir phasenweise ein wenig zu platt und manche Erzählstränge sind schlichtweg zu vorhersehbar – der Autor hätte den digitalen Untergang ruhig noch ein weniger subtiler gestalten dürfen. Daves Eggers „Was wäre wenn?“ trifft dennoch mitten ins Schwarze, zeigt uns wie nah die Grenze zwischen Fortschritt und Wahnsinn sein kann und hinterlässt ein flaues Gefühl im Magen.
Es ist viel zu lange her, dass mich ein Buch derart ins Grübeln gebracht hat, dass ich meine eigenen Netzaktivitäten zu hinterfragen begonnen habe und ich seither tatsächlich bewusster darüber nachdenke, was ich wo über mich (mit)teile. Dass hinter den netten Social Media Kanälen Menschen stecken, die unsere „Likes“ und „Herzchen“ aufzeichnen und auswerten, dürfte den wenigsten entgangen sein und doch lasse ich mich viel zu oft zu einem Hashtag, Geotag oder Upload verleiten, ohne groß einen Gedanken an meine Privatsphäre zu verschwenden. Ein harmloses Beispiel für diese Onlineüberwachung ist die Seite Emojitracker, welche in Echtzeit unseren emotionalen Smiley-Verbrauch auf Twitter misst. Faszinierend und gruselig zugleich. Facebook, Twitter, Instagram und co. gehören zu den wertvollsten Unternehmen unserer Zeit und dies nicht etwa wegen der innovativen Geschäftsidee oder der bahnbrechenden Technik die dahinter steckt. Unsere Daten sind Kapital, damit sollten wir vorsichtig umgehen.