„Vive la différence!“, heißt es doch. Unsere rein theoretisch perfekte Gesellschaft huldigt der Einzigartigkeit, jeder soll im besten Fall ein Individuum sondergleichen sein, sich frei entfalten können und wollen. Ihre Mitglieder ein tolerantes, harmonisches, multikulturelles Puzzle ergeben. Jedenfalls entspricht genau das wohl der Auffassung unserer aufgeklärten Generation. Die Realität demonstriert uns aber, dass der persönliche Kleidungsstil von jedwedem Einzelgängertum zu trennen ist – wer sich lieb hat, sieht identisch aus. Jedenfalls manchmal.
Peinlich, diese Anorak-Touri-Pärchen mit ihren hässlichen auf Plastik-Klamotten gedruckten Farbeskapaden. Unangenehm sind sie, diese sabbernden Turteltauben, die gleichzeitig Ringelpullis ausführen, sich ähneln wie Hanni & Nanni und das Ganze dann auch noch für erstrebenswert halten. Ja, das war bisweilen meine strikte Meinung. Eine Meinung, die wohl auf innerem Hass gegenüber allen sich liebenden basierte. Gestern wurde mein Weltbild erschüttert. Zutiefst. Denn: Ich war plötzlich Teil der Bewegung. Teil des Märchenpärchen-Alptraums, ein Abbild meines Freundes. Irgendwie jedenfalls. Brechreizerregend, oder?
Mein Freund und ich, wir trugen weder die gleichen Jeans, noch ähnliche Farben. Aber auf einmal war da dieser Moment, in dem ich tatsächlich sagte: „Ach, wat nett. Guck mal, wir sehen sogar schon aus, als würden wir zusammen gehören.“ Ich weiß nicht, wie das passiert ist und ich erschrak fürchterlich. Sein Blick sprach Bände. Zurecht. Wir hatten nichts an, das sich ähnelte, bloß das Komplettpaket war ungewohnt stimmig. Und ich fand diese optische Harmonie auch noch „süß“. Klasse. Vorbei ist’s mit dem Freigeisttum. Ich hätte bitte gerne, dass jeder sieht, dass der große Blonde da mein Herzbub‘ ist, oder wie? Und meinen Kleidungsstil mag er auch, hört ihr? Sonst sähe er ja nicht aus wie ich, nur halt in männlicher Ausführung.
Fest steht: Außenstehende würden waschechten Partnerlook-Tätern am liebsten vor die Füße kotzen. Diese fühlen sich wiederum sichtlich wohl in ihrer Haut. Wer hat denn nun Recht? Seit gestern bin ich tatsächlich nicht mehr sicher. Ist es schlimm, Teil eines Ganzen Sein zu wollen, der Deckel zum Topf? Ist es verwerflich sich gut zu fühlen bei der äußeren Demonstration der verknallten Innenwelt? Oder ist es bloß der Neid, der da von Seiten der Mitmenschen auf Bonnie & Clyde niederprasselt? Weil sie sich derartige Styling-Ausflüge in eine gleichgeschaltete Stilwelt niemals wagen würden? Weil sie sicher sind, ihr Partner würde sie für jedweden Versuch eines Doppelgänger-Daseins kreuzigen?
Bald zum Beispiel. Da kommen Schuhe von Ebay an, die der Mann mir freudestrahlend ersteigert hatte. Doof nur, dass das gleiche Clarks-Modell, von dem ich wusste, dass er es ebenso verehrt, ein paar Tage zuvor bereits von meinem Account aus bestellt wurde – für ihn. Wir werden zukünftig also da stehen, peinlich berührt, mit dem gleichen Schuhwerk. Größe 39 und Größe 45, ein identisches Modell, bloß ist eins Braun und eins Beige. Und dann? „Dann müssen wir uns eben absprechen, damit wir nicht wie das doppelte Lottchen aussehen“, war sein Vorschlag. Aber ich schwöre euch, der Tag wird kommen. Dieser eine Tag, an dem wir uns gegenüberstehen werden, beide mit Wallabees an den Füßen und einem kleine Lächeln im Gesicht. Weil wir uns dumm vorkommen, erstmal. Weil wir so peinlich sind. Weil wir im Partnerlook vor die Tür gehen, uns unseren Freunden stellen müssen. Weil wir beide wissen, dass ganz tief in uns drin ein kleines Glücksgefühl steckt. Denn wir gehören nun mal zusammen und auf einmal ist es uns ganz egal, was andere von uns denken.