Die Sache mit dem Stil – vom Untalent sich anzuziehen.

12.07.2011 Allgemein, Wir, Leben

Ich habe keinen Stil. Jedenfalls keinen für mich spezifischen. Dazu bin ich viel zu sprunghaft, viel zu unentschlossen und launisch. Seit jeher bewundere ich all jene Menschenkinder, sie sich längst gefunden haben. Die wissen, was ihnen steht, die sich ausdrücken können durch ihre Kleidung, sie benutzten als Spiegel der Innenwelt, als feine Unterstreichung und Verdeutlichung ihrer selbst, ihrer Originalität. Ich mag heute Kleider, morgen mein Skateboard. Und übermorgen gehe ich als Fee in den Park.

Ich suche nicht nach Individualität, denn die ist längst gestorben. Mit dieser Behauptung lehne ich mich bewusst sehr weit aus dem Fenster hinaus, jedoch nur um zu verdeutlichen, dass die Illusion vom Einzigartigen immer eine Illusion bleiben wird, diese Gegebenheit aber keineswegs im negativen Licht stehen muss. Menschen sind Heerdentiere, wenn man es genau nimmt, und allein dastehen will niemand. So kommt es auch, dass das zwanghafte Streben nach dem anders sein in einer gewissen Gleichheit mündet, die offensichtlich aber logisch ist. Selbst der bunteste Hund trifft auf andere bunte Hunde – gut so, denn sonst stünde er allein da.

Nein, ich suche nach dem einen Stil, der zu mir passt. Finden werde ich ihn vermutlich nie; die Bindungsangst steht mir im Weg. Entscheide ich mich für das Pure, das Existenzialistische, sind seltsame Strickanwandlungen auf gerissene Jeans und Dr. Martens passé. Möchte ich Grunge sein? Dann muss der Bubikragen in den Müll. Nein, ich mag mich nicht entscheiden. Ich feiere die Feste ganz einfach wie sie fallen. Und dabei mache ich viele Fehler, sofern man in gesellschaftlichen Normen und modischen Regeln denkt. Ich tendiere dazu, stundenlang vor meinem Schrank zu stehen, mich schließlich zu entscheiden, um eine Stunde später festzustellen, dass ich volle Lotte daneben gegriffen hab. Ich dachte bisher, ich hätte einen relativ passablen Geschmack – ich kann ihn bloß an mir selbst nicht umsetzten. Manchmal schäme ich mich sogar ein bisschen für mein Untalent. Zum Beispiel auf der Fashion Week. Da sah ich all die gut gekleideten, interessanten Menschen, sah an mir herab und hisste die weiße Flagge. Nee, mit denen nehme ich’s nicht auf, ich bin talentfrei.

Eine gute Freundin widersprach: Du bist nicht talent- du bist ressourcenfrei, sagte sie. Häh? Ja, aber irgendwie hat sie recht. Vielleicht liegt das Problem weniger am richtigen Griff in den Kleiderschrank. Nein, das Problem ergibt sich vielleicht schon viel früher, nähmlich beim Einkaufen. Denn das, wonach ich suche, gibt es nie, wenn ich danach suche. Also gehe ich Kompromisse ein, die mich nur halb glücklich machen. Und ein halb geglückter Einkauf kann schließlich auch nicht vollends beglücken.

Also würfle ich durcheinander, werde von all dem Klimbim im Schrank beinahe erschlagen. Weil kein roter Faden drin ist, weil nur so wenig zueinander passt. Nun versucht ja jeder, das beste aus seiner Garderobe herauszuholen. Die einen sind geschickter, andere ungeschickter. Ich habe mein Problem schlussendlich erkannt: Der allergrößte Fehler liegt nämlich in der Vision. Im Streben nach dem perfekten Outfit. Mit einer solchen Einstellung kann es, zumindest in meinem Fall, nur daneben gehen. Es sind die Tage, an denen mir alles schnurzpiepegal ist, an denen ich den Schrank greife und denke „Hm, passt nicht wirklich zusammen, aber muss jetzt eben“, die mit einer gelungenden Kleiderwahl enden. Die Tage, an denen ich mich frei mache, von Stilvorschriften und Trends. Denn nur dann bin ich ich selbst. Und dann bin ich vielleicht kein bunter, aber dafür ein glücklicher Hund.

Bilder via.

3 Kommentare

  1. Esco

    Der „need to belong“ ist eine der fundamentalsten Quellen menschlichen Handelns (Abraham Maslow).

    Außerdem: „In order to be accepted within a group, individuals may convey or conceal certain parts of their personalities to those whom they are trying to impress. This is known as self-presentation.“

    So viel dazu 🙂

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