Es gibt Menschen, die treten ständig in Scheiße, statt auf Asphalt. Nicht etwa in getrocknete Scheiße, die wie Gummi schwingt, ganz sanft und harmlos, sondern in brodelnde, dünnflüssige Scheiße, die sich erst durch das Schuhleder ätzt und schließlich den ganzen Fuß auffrisst. In Alltagsscheiße, Herzscheiße, Hirnscheiße. Der fiese Geruch von modriger Erinnerung und abgestorbenen Gefühlen schleicht sich durch die Nase in den Kopf. Totalausfall. Der bärtige Mann da oben hasst dich.
Hass, Hass, Hass. Ich habe eine Freundin, die kann ein mehrstündiges Lied davon singen. Seit Jahren wird ihr aus höchster Höhe ins Gesicht gespuckt, immer und immer wieder. Dann ein Licht am Ende des Dunkeln, der gehässige Funken Hoffnung, der alsbald wieder verglimmt. Die große Liebe, da ist sie, er will sie, sie will ihn. Turteltauben-Niemalsland und kein Happy End in Sicht. Denn vor dem Ring kommt der Knall. Die spitze Nadel bohrt sich tief in die Seifenblase, bis sie schließlich platzt und sich abermillionen glitzrige Regenbogenseifenfetzten ganz langsam auf ihre Haut legen. Der feuchte Schimmer am Rücken, am Arm, auf dem Bauch. Tagelang und wochenlang starrt die Hoffnungslose auf die durchsichtig schimmernde Hülle all dessen, was gestern noch ihre Träume waren. Versucht sie mit den abgekauten Nägeln abzukratzen, sich zu befreien. Aber die Fetzen bleiben. Auf der Haut, in Hirn und Herz.
Die Hoffnungslose ist hoffnungslos, weil sie die Hoffnung verliert. An die Liebe und das Gute und sich selbst. Hoffnungslose laufen Gefahr, an ihrer Schuhscheiße zu ersticken, sie zu stapeln und zu essen. Denn wer nicht ein Mal und nicht zwei Mal, sondern von Mal zu Mal die Faust ins Gesicht fliegen sieht, fängt irgendwann an, sich rechtzeitig zu bücken. Ausweichen, sich verbuddeln. In noch mehr Hass und Hoffnungslosigkeit. Wer sich auf nichts einlässt, der wird nicht enttäuscht.
Meine Freundin ist geschickter. Erst flucht sie und schreit und verliert die Kontrolle, wehrt alles ab, will nichts mehr hören. Bis sie erdrückt wird von all dem Gefühl, vom Kloß im Bauch, dem Wirrwarr im Kopf. Von sich selbst. Abwehrmechanismus, immer und überall. Aber jede Fassade beginnt irgendwann zu bröckeln. Der Lichtblick und die Hoffnung kommen zurück. Sie ahnt noch nichs, da ist schon alles verloren, das Ende wurde längst in Stein gemeißelt. Denn der Ritter, der kommt um sie zu befreien, ist bettelarm an Gefühl. Rhetorisch famos und ein meisterhafter Luftschlossbauer. Nur zu, immer voran, brich ihr das Herz, du Heuchler. Hoffnungslose sind leichte Beute. So rein im Innersten, so leicht zu begeistern, so gut zu verarschen. Mal ihr eure Zukunft auf Papier, denn das verbrennt am schnellsten. Zwei Nächte, Zwei Wochen, dann sieben Tage. Große Liebe, großes Glück. Frau Hoffnungslos wird zu Madame Fröhlich und dann drehst du dich um und gehst. Warum? Weil sie ein leichtes Mädchen ist. Zu leicht für dich, denn du musst jagen.
Nach ganz oben kommt ganz unten. Frau Fröhlich wird zum Trauerkloß und liegt am Boden. In der einen Hand das zerknüddelte Stück Papier, in der anderen Hand die Konservendose. „Verlorene Träume“ steht in zittrigen Lettern drauf geschrieben. Vielleicht kann man sie haltbar machen, vielleicht findet sie irgendwann mal irgendwer. Aber jetzt ist nicht die Zeit dafür. Jetzt ist Zeit für dich.
Steh auf und such deine Hoffnung, such dich selbst und deinen Stolz. Denn du bist größer als der Heuchler, größer als die, die mit Dreck um sich werfen. Spuck zurück. Sei stark und wild und wunderbar. Verdien dir dein Glück, achte auf dich und wachse.
Ja, es gibt Menschen, denen klebt ständig Scheiße am Schuh. Sie versinken in ihr und in Traurigkeit und Zweifel. Du nicht. Wisch dir die Scheiße vom Schuh und mach’s wie Piero Manzoni: Füll sie in Dosen und verkauf sie als Künstlerscheiße.
Dieser Text wurde inspiriert von Frau Alphagedanke.
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