Ich glaub, ich muss kotzen – Fleischtörtchen von Jasmin Schnuller

28.07.2011 Kunst, Allgemein

Praktikanitn Antje reagierte mit einem nüchternen „Igitt„. Seelenruhig saß sie dort vor dem Bildschirm und winkte mich dann zu sich herüber. „Guck mal!„. „Hmmmhm. Ahaaha. Moment. Nee, sag jetzt nicht, das ist…. “ – „Doch.

Ich sage es gleich vorab: Ich bin der denkbar schlechteste Gesprächspartner, wenn es um das Thema der Verköstigung toter Lebewesen geht. Ein ätzender Vegetarier, der sogar bei Fisch auf dem Mittagstisch eine knallrote Birne bekommt und mit Kotzbröckchen im Halse ringen muss. Einer der ganz üblen, belehrenden Sorte. Einer mit dem man besser nicht darüber spricht, dass Fleischessen ja in der Natur der Menschens liegt (Darauf reagiere ich nämlich gerne mit sinnentfremdeten Ausreden à la „Fortschritt und so, der Mensch muss sich auch kein Fell mehr überwerfen, schließlich wimmelt es inzwischen nur so an Möglichkeiten, sich als rosafarbener Zweibeiner vor dem Erfrierungstod zu schützen“). Und nun sitze ich da und betrachte Fräulein Jasmin Schnullers Kunsthandwerk – erbaut aus Fleisch, Blut und Fett. Ich bin fasziniert.

Ein weiteres brillantes Exempel dafür, dass wir nicht alles glauben sollten, was wir sehen. Die menschliche Wahnehmung ist fehlbar, lässt sich täuschen und in die Irre führen. Eis! Törtchen! Pralinen! Nö. Frau Schnuller hat uns ausgetrickst. Und ihre Kunst eine klare Aussage. Schön ist das trotzdem nicht.

Sie schnitzt aus einem Schweineherz eine Kirsche, spritzt aus tierischen Fett ein Sahnehäubchen und dekoriert damit einen Eisbecher der das Eis gegen Kugeln aus Hackfleisch und anderen Fleischsorten getauscht hat„, heißt es bei Splitpersonality.

Was sich anhört wie das Protokoll eines Wahnsinnigen, ist das, was man heute Kunst nennt. Recycling-Kunst vielleicht? Es soll sich nämlich größtenteils um „Abfallprodukte“ handeln. Weiter sagt man, Jasmins Quell der Inspiration sei angeblich ihr einstiger Mitbewohner gewesen, welcher seinerzeit ein veganes Leben fristete, ihr aber eines Tages mit einer Pute, geformt aus Tofu, entgegenwedelte. „Den Spieß umdrehen“ lautete also die Devise. Für pervers halte ich diese Conditor-Kunst trotzdem. Denn nein, kein Mensch macht sich ob dieses Werks fortan Gedanken darüber, dass es ja ach-so-schlimm sein könnte, dass wir unseren Augen längst nicht mehr trauen dürfen. Das wissen wir nämlich eh.

Schlimm ist, dass die elendige Diskussion um die ethische Korrektheit solcher Projekte nun erneut ins Rollen kommt und wohlmöglich ein weiteres Mal mit fadenscheinigen Aussagen wie dieser beginnt: „Ist doch ok aus Fleisch Kunst zu machen, ist ja eh ein Abfallprodukt“. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als provokant und zugleich schnippig zu kontern: Wisst ihr was, ihr Stümper? Würdet ihr nicht tagtäglich kiloweise Fleisch in euch reinstopfen, gäb’s das Wort „Abfallprodukt“ vielleicht nicht. Und überhaupt. „Abfallprodukt“. Wäre ich persönlich nicht gern. Buh!

via ignant.

6 Kommentare

  1. Fenke

    solche bemerkungen zum thema „der mensch ist geboren um fleisch zu essen“ hasse ich auch! ich weise dann immer drauf hin, dass man sich ja noch nicht mal mehr selber auf die jagd macht – fortschritt eben. außerdem die leute, die meinen, fleisch sei ja so gesund. ich lebe sicher weitaus gesünder als der durchschnitts-fleischesser, und den fragt keiner „ob er wohl genügend vitamine zu sich nimmt“

    zu den leckereien hier: faszinierend… wie ein unfall.

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  2. Annika

    Ich muss auch kotzen. Viele werden jetzt wieder sagen „Kunst ist Kunst“, aber ich finde trotzdem, es gibt Grenzen. Man muss nicht auf Teufel komm raus provozieren. Neu ist das nicht. Es gäbe echt subtilere Wege um die Aussage der „Wahrnehmung“ deutlich zu machen.

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  3. Penelope

    Ich bin keine Vegetarierin, aber das finde ich, ist abscheuliche Scharlatanerie mit der Kunst als solcher, der Kunst der Patesserie & der Wahrnehmung & ! Übel-Fake!

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  4. Alma

    Ich selbst bin ebenfalls Vegetarierin und finde es absolut widerlich, wie Menschen ihren Fleischkonsum immer wieder zu rechtfertigen versuchen. Vielleicht möchte die Künstlerin hier , auf perfide Art und Weise, aber auch genau darauf hinweisen. Darauf, dass einige Menschen ohne Gewissen Tiere verzehren. Darauf, dass Menschen nicht danach fragen, woraus ihr Essen besteht, sondern es hauptsächlich „gut schmecken“ sollte- ohne Frage der Herkunft und Zusammensetzung.

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  5. christina

    du bist vegetarier? macht dich noch viel sympathischer als du es mir eh schon bist! 🙂 und dann noch einer von der üblen sorte! i like! da ich selbst auch vegetarier bin (auch einer von der üblen sorte!), muss ich wohl nix zu den fleischtörtchen sagen…

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  6. Laura

    Ich finde Frau Schnullers Idee sehr originell. So etwas habe ich noch nie gesehen und die Bilder anzuschauen fasziniert.

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