Es gibt Menschen, die sind niemals richtig glücklich. Weil sie nach dem Haar in der Suppe suchen, weil sie nicht loslassen können und Angst haben vor dem Fall. Wenn es gut läuft, kann es nur schlechter werden. Wenn es schlecht ist, wird es nie mehr besser sein.
Meine Freundin A. ist so jemand. A ist vielleicht nicht bloß diese eine Person, A sind wir alle. Oder zumindest viele von uns. Wer B ist, hat Glück.
Mein Name ist A., mein Alter ist egal. Ich lebe, weil ich muss. Ich bin gern hier, aber es könnte schöner sein. Dass alles gut wird, daran glaube ich nicht. Früher oder später wird alles zusammenbrechen und dann bin ich die, die Recht behalten hat.
Euch allen geht es schlecht, aber mir geht es immer ein bisschen schlechter. Ich muss mich selbst ertragen, meine Gedanken, das Chaos in Herz und Hirn. Ich bin das Mädchen mit dem grauen Schatten. Wenn ich nicht aufpasse, erschlägt er mich. Es ist egal, wohin ich gehe, egal, wer bei mir ist und wie lange. Ich bin ich. Bis zu diesem einen Moment, in dem sich alles dreht und wendet, in dem plötzlich alles dunkel wird. Die Welt, die ich erlebe, formt sich zu einem schwarzen Loch im Bauch, einem Krater, der all mein Gefühl verschluckt und es verdaut, bis es als Gedankenscheiße aus meinen Ohren quillt. Ich mache mir Sorgen. Immer.
Es ist Sonntagabend und ich sitze allein in meinem Zimmer. Das Radio rauscht, das Badewasser plätschert leise vor sich hin.. Ich will untergehen, versinken, nichts mehr hören und sehen. Weil ich mich bleischwer fühle, weil ich Angst habe, dass alles anders wird. Weil die Steine in meinem Bauch mich auf den Boden drücken und darauf warten, mir ins Gesicht zu schlagen. Dort drüben, lässig an die Wand gelehnt, steht mein Schatten. Er beobachtet mich närrisch, während ich nichts mache, bloß zerfließen. In Selbstmitleid und Ängsten. Er überwältigt mich und stülpt sich am Ende ganz über meinen Körper – denn Grau steht mir heute ganz besonders gut.
Foto: Nike van Dinther
Ich sitze nur da und merke, dass es wieder anfängt. Nach dem Himmel kommt die Hölle, nach der Liebe folgt meist Leid. Gestern war alles noch rosarot, heute ziehen sich schwere dunkle Streifen über dich und mich, über uns. Der, der mich gestern noch geliebt hat, scheint mich aufrichtig zu hassen. Kein Lächeln, als er neben mir aufgewacht ist, keine Umarmung am Mittag, kein Wort. Ich bin selbst schuld, weil ich nicht bin, was er gerade am meisten braucht. Weil er Besseres verdient, jemanden der schöner ist und schlauer und lustig und niemals schlecht gelaunt. Zweifel bohren sich durch meine Nasenflügel, mit jedem Atemzug. Da ist er, der Schatten und er hat schon wieder gewonnen, hat die Macht über alles was sich sage, mache, denke. A, denke ich. Was ist passiert? Ich weiß es nicht, Nach Gründen suche ich vergebens, denn plötzlich war einfach alles anders.
Ich sitze in meinem Zimmer, starre an die Wände und den Schatten. Hässlich ist es hier und gar nicht warm. Gestern noch war alles noch so vertraut, heute farblos und leer. Der Tisch mag nicht mehr zu den Stühlen passen, das Bett wird zum Monster, das den ganzen Raum verschluckt. Heute sieht alle anders aus als gestern, weil sich alles gedreht hat, weil alles den Bach hinunter geht. Ich habe keine Lust aufzustehen und raus zu gehen, alles ist anstrengend, weil sich der Knoten aus Gedanken zu einer fiesen Laus formt, die mir im Minutentakt über die Leber läuft. Unzufriedenheit und Zweifel treten gemeinsam in die Arena, prügeln sich windelweich bis am Ende beide heulen. Kapitulation. Die miese Laune ist nicht da, weil die Welt mies ist, sondern weil ich selbst mies bin. Weil ich mich immer weiter hinein katapultiere in diesen Teufelskreis aus „Alles Doof Finden – ein unangenehmer Zeitgenosse sein – auf weniger Zuneigung als zuvor stoßen – sich deshalb ungeliebt fühlen – dadurch noch unsicherer werden – sich selbst scheiße finden – deshalb scheiße zu anderen sein – Angst davor haben, dass andere einen scheiße finden, weil man ja gerade scheiße zur ganzen Welt ist – aus Trotz alles noch scheißiger als vorher finden – an allem zweifeln – verzweifeln“.
Schwappschwapp. Der Kopf läuft über, wie das Badewasser am Beckenrand. Ich mache das Licht aus, dann töte ich Schatten, einfach so. Mein Kopf wird nass, meine Ohren werden nass, alles wird nass. Plötzlich kann ich wieder denken: Ich habe wirklich einen Schatten – denn eigentlich ist alles gut und das Leben liegt in trockenen Tüchern.
Foto oben via.