Film-Tipp: I’m not a fucking princess | nach der Geschichte von Eva Ionesco

07.11.2011 Allgemein, Film

Es war die 10-Jährige Thylane Lena-Rose Blondeau, die vor einigen Monaten eine gigantische Mediendebatte auslöste: Man sah ein kleines französisches Mädchen zum Supermodel werden, man sah sie lasziv posend in der Vogue abgelichtet, geschminkt und gekleidet wie eine Erwachsene, wie ein Lustobjekt daliegend. Man philosophierte über den Stellenwert der Kindheit in unserer Gesellschaft, fürchtete die Pädophilie und wähnte den Jugendwahn nun vollends außer Kontrolle. Hinzu kam das LOVE Magazine, welches die drei Jungschauspielerinnen Hailee Steinfeld, Chloë Moretz und Elle Fanning zu ihren Titelgesichtern machte. Zwar bezeichnete man diese Aufnahmen auf höchst ästhetisch und keineswegs obszön, doch fragte man sich, wie sich die viel ältere Zielgruppe der Zeitschrift mit diesen Mädchen bloß identifizieren sollte. Das Phänomen der Kinderstars und Teenagermodels ist allerdings kein neues – für noch mehr viel Wirbel sorgten in den 70ern zum Beispiel The Runaways-Frontfrau Joan Jett und Eva Ionesco, die bis heute das jüngste Model in der Geschichte des Playboy ist – mit elf Jahren posierte sie nackt vor der Kamera.

I’m not a f**king Princess“ erzählt ihre Geschichte.

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Paris, Anfang der 1970er Jahre. Die kleine Violetta ist 11 Jahre alt und lebt gemeinsam mit ihrer Großmutter in einer winzigen, schmucklosen Wohnung. Die Mutter des Kindes, Hannah (Isabelle Huppert), kommt nur selten vorbei, dreht sich ihr Leben doch vornehmlich um sich selbst und ihre gescheiterte Existenz als exzentrische Künstlerin. Als einer ihrer vermögenden Liebhaber ihr schließlich eine Kamera vermacht, scheint sich das Blatt zu wenden: In ihrer hübschen, zuckersüßen Tochter sieht Hannah das perfekte Motiv, das gefragtteste Model der Zukunft und allem voran das sichere Sprungbrett für die eigene Karriere. Violetta bekommt endlich die Liebe und Anerkennung, die sie sich schon immer von ihrer Mami gewünscht hatte – bis alles außer Kontrolle gerät.

Aus unschuldigen Aufnahmen der kleinen Violetta werden immer fragwürdigere, freizügigere, ja pornographische Inszenierungen. Die Kunstszene jubelt, doch das kleine Mädchen scheint zum gefühlslosen Instrument ihrer Mutter zu werden. Aus kindlicher Liebe wird Hass, zuvor harmlose Shootings grenzen schließlich an Vergewaltigung. »Spreiz die Beine noch ein bisschen weiter« befiehlt Hannah ihrer Tochter in einer Szene, die Kamera führt sie immer näher Richtung Schritt. Violetta will nicht mehr, merkt, dass das, was ihre Mutter von ihr verlangt, nicht richtig sein kann und trotzdem kann sie sich zunächst nicht wehren – zu groß ist die Angst davor, die Aufmerksamkeit ihrer Mutter erneut zu verlieren.

Die Geschichte scheint auf der Leinwand bloß ein Traum zu sein, viel zu romantisch-verklärt erscheint die Bildsprache in „I’m not a fucking princess“. Das Kindheitstrauma wird weichgezeichnet, genau so, wie es meist mit der Vergangenheit geschieht. Die Wahrheit ist: Noch heute kämpft die echte Violetta und Regisseurin des Films, Eva Ionesco, für ihre Rechte, versucht, ihre Mutter zur Herausgabe aller Fotos zu verklagen – denn noch heute erscheinen Neuauflagen des Bildbands „Schmachtende Lilien der Düfte Arabiens“, in dem sie als Kind in heute fast unzumutbaren Posen gezeigt wird. Mit vier Jahren schon begann Mama Ionesco ihr kleines Mädchen abzulichten, sieben Jahre später erlaubt sie dem italienischen Playboy Aktfotos ihres Lolita-Kindes zu drucken.

Der Film an sich maßt es sich nicht an, Stellung zu beziehen – vielemehr beleuchtet er menschliche Abgründe, fokussiert die immer heftiger werdenen Streitereien zwischen Mutter und Tochter, portraiteirt ein kleines Mädchen, das zum Opfer wird und zur Rebellin wächst, zeigt eine Rabenmutter, die krankhaft nach dem eigenen Ruhm strebt und eine Großmutter, die hilflos betend bei allem zusieht. I’m not a fucking princess ist zu unkritisch, um ein Appell zu sein, zu oberflächlich um die erste Riege der Dramen vorzurücken – aber doch behandelt dieser Film nach einer wahren Gegebenheit ein Thema, vor dem gerne alle Augen und Ohren verschlossen werden, doch steckt in ihm viel Ernstes – wir müssen nur ein bisschen weiter denken: Kinderpornographie im Zeitalter des Internets, die Ausbeutung von Kinderstars, der Wahn nach Ruhm und: Wer hat das Recht am eigenen Bild?

Und noch eine Frage drückt sich uns auch an dieser Stelle wieder unangenehm auf: Wie weit darf die Kunst gehen, was darf sie tun, um uns diese Thematik vor Augen zu führen? Ist ein Film wie dieser vielleicht schon zu viel?

„I’m not a fucking princess“ aktuell in den Kinos.

Bilder und Inofs via Cineastics.

 

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