Rene Schaller und Sascha Pietsch waren es, die uns mit ihren Texten ein weiteres Mal darauf aufmerksam machten, dass dort drüben bei den Bambi-Juroren irgendwas nicht richtig läuft. Bushido, über den man musiktechnisch sicherlich denken kann, was man möchte, wird heute Abend nämlich aller Voraussicht nach erhobenen Hauptes über den roten Teppich schlawänzeln und am Ende sogar ein güldenes Rehkitz streicheln. Ausgezeichnet werden soll er, jawohl. Und zwar für seine Verdienste im Namen der Integration. So weit, so gut. Oder besser: Fragwürdig. Denn wofür unser Mister „“Wie du da im Bett sitzt, halb nackt du Dreckstück„-Gangster Boy sich noch alles so einsetzt, wird konsequent unters Sofa gekehrt – und das, obwohl selbst ein Blinder hören kann, wo der Hase lang läuft.
Homophobe, frauenfeindliche und ja, eben deshalb auch menschenverachtende Texte sprudelten jahrelang aus Hirn und Mund des in Bonn geborenen Rappers. Claudia Roth von den Grünen reiht sich in die Riege der Kritiker ein und verurteilt die Entscheidung der Jury. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) protestiert. Tausende von Facebook-Nutzern tun es ihr derzeit gleich und diskutieren heftigst auf der eigens ins Leben gerufenen Seite „Kein Bambi für Bushido“ mit. Medienwirksam ist die Nominierung des Rüpels also allemal.
Burda bezieht Stellung:
„Vielen Dank für die zahlreichen Meinungsbeiträge zur Verleihung des BAMBI an Bushido. Wir finden diesen Austausch gut und wichtig. Es ist klar, dass ein Künstler wie er stark polarisiert. Die BAMBI Verantwortlichen distanzieren sich deutlich von jeder Form der Diskriminierung.
Dennoch: Musik ist eine Kunstform, der bewusste Tabubruch ein Stilmittel des Raps – ob es einem gefällt oder nicht. Persönlich äußert er sich selbst immer wieder deutlich, so z.B. in der morgen erscheinenden BUNTE: „Ich habe viel Mist gebaut in meinem Leben und wurde dafür bestraft, was okay war. Denn daraus habe ich meine Lehren gezogen. ich nehme schon lange keine Drogen mehr, ich rauche nicht, trinke keinen Alkohol, ich benehme mich höflich und respektvoll anderen Menschen gegenüber – und das verlange ich umgekehrt auch von meinem Umfeld.“ Oder auch im Mai 2011 in der „Zeit“: „Es gibt weltumfassende Grundprinzipien: Alle Menschen sind erst einmal okay, egal wo sie herkommen, egal was sie machen, egal ob sie aufs gleiche Geschlecht stehen.”
Kann man also bei diesem Thema zwischen den Stühlen sitzen, könnte Burda Recht haben? Einige sagen ja. „Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient“, heißt es da zum Beispiel. Oder „Vielleicht hat er sich geändert“. Ja, vielleicht hat er das. Und ja, jeder muss neu anfangen können und auch ein Bushido ist nicht nur ein böser Junge, sondern auch manchmal ein guter und vielleicht sogar sympathisch, dann und wann. Und: hat Respekt verdient. Bloß vielleicht ist es zu früh für eine Auszeichnung eines angeblichen Sinneswandels. Uns fehlen schlichtweg die Beweise. Alles, was wir haben, sind Songtexte, die Frauen, Lesben, Schwule und Randgruppen zu Opfern verbaler Gewalt machen, alles, was bleibt, sind Bushido-Fans, die statt zu hinterfragen, genau das ausleben, wovon ihr Vorbild Jahre lang geredet hat. Was ist wichtiger? Respekt vor Buschidos Arbeit, oder Respekt vor den Gefühlen all jener, die mit Wut im Bauch und Unverständnis im Kopf vor dem Fernseher sitzen werden, weil sie schon viel zu lange kämpfen mussten und nun ein weiteres Mal enttäuscht werden?
Ihr wisst, wie wir diese Frage beantworten. Und jeder Mensch, der Herr seiner Sinne ist, sollte das auch.