Eigentlich ist es eine Schande, dass Hien Le seine Models in diesem Jahr nicht auf den Laufsteg schicken konnte. Aber heißt es nicht, man solle stets versuchen allem Schnodder der Welt etwas positives abzugewinnen? Diesmal kostet uns genau das nichtmal große Mühe. Denn während Stoffkreationen auf dem Runway wie kurze Geistesblitze an unseren Augen vorüberziehen, ermöglichen sie uns im Studio hingegen, ganz und gar in ihnen zu versinken – und hat man sich einmal hinein geträumt in Hiens Bauhaus-Ästhetik, dann fällt es reichlich schwer, wieder aufzuwachen.
Gewohnt geradlinig und puristisch ist das, was wir für den kommenden Herbst sehen – wer sein Handwerk allerdings so perfekt beherrscht wie der in Laos geborene Wahlberliner, der kommt auch ohne Schnörkel und viel Klimbim aus. Vielleicht ist es sogar genau dieses unangestrengte Spiel mit Farbe und Schnitt, die konsequente Formgebung jedes bis in die kleinste Falte durchdachten Stücks, welche das auf den ersten Blick Unsichtbare beim genaueren Betrachten umso mehr hervorhebt: Die Kunst, das Schöne im Schlichten zu sehen. Die völlige Reduktion auf das Wesentliche ist Ausdruck von Hien Les Fertigkeiten: Denn wenn eine Kollektion auf alles Überflüssige verzichten kann, ohne dabei auch nur im Geringsten an Anziehungskraft einbüßen zu müssen, dann war kein x-beliebiger Modemacher am Werk. Sondern einer, der verstanden hat, dass die wahre Kunst daran liegt, aus wenig viel zu schaffen.
Soundtrack zur Kollektion:
Die ganz große Liebe liegt bei Hien im Detail: Handgemachte Häkelpullover fusionieren mit Seide und Alcantara, Faltenwürfe bestimmen die Silhouette, pudertöniges Creme wird durch Orange, Mint und Meerwasserblau zur Basis, die alles andere erdet. Die Farbpalette verrät, dass Hien sich den Frühling schon im Herbst herbeiwünscht – und genau hier sind wir wieder am Ausgangspunkt der Kollektion angelangt: Stell dich stets auf die Sonnenseite des Lebens, egal wer dir Steine in den Weg legt – das gilt auch für dich, lieber Hien.
P.S.: Demnächst folgt noch ein Intveriew mit Hien – falls ihr also Fragen habt, immer her damit!