(Bilder: Fordmodelsfashion, Acne via style.com, Retailfetisch, Fashionologie)
Ich bin mir aktuell nicht ganz sicher, ob es eher erschreckend oder erquickend ist, dass sich der eigene Geschmack gern mal um gefühlte hundertachtzig Grad drehen kann. Anfang vergangenen Jahres zum Beispiel, da stieß mir der aufkommende Camouflage-Trend noch wirklich übel auf. Sowas ließe sich ja auch nicht mit einem Bundeswehrparka vergleichen, dessen Symbolhaftigkeit schon die sogenannten Mods während der 60er Jahre umkehrten. Es gebe eben nur eine einzige Assoziation zum Tarnmuster und die sei schlichtweg negativ besetzt, meckerte ich vor wenigen Monaten noch.
Vor allem seit der Winter sich langsam vom Acker macht, kommt man auf offener Straße jedoch kaum mehr um das sonst auf Kampfanzügen verwendete Muster umher. Modemenschen aller Herren Länder bekennen sich zum Camouflage-Print – und zwar ohne mit der Wimper zu zucken. Irgendwann einmal, da hat ein kluger Dozent uns die Lehre der Geschmacksentfaltung ans Herz gelegt – die Quintessenz all dessen: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Alles eine Sache der Gewöhnung. Je öfter wir visuell mit ein und demselben Trend konfrontiert werden, umso attraktiver wird er demnach für uns. Ist genau diese Theorie jetzt also bei mir selbst anwendbar? Offensichtlich. Denn langsam verdünnisiert sich meine Moral und ich finde großen Gefallen an den Prints, die mein Sehsinn inzwischen wirklich auch nur noch als genau jene übersetzt, statt als Kampfansage. Wir könnten hier natürlich auch mit Ausreden um die Ecke kommen. Zum Beispiel: Camouflage ist Mode-Satire. Die „Anführer“ der Fashion Szene unterscheiden sich in ihrer kümmerlichen Individualität so oder so kaum mehr von einander – da kann man auch gleich zur Gleichschaltung, zur Tarnung übergehen: Lektion 1: How to dissapear completely. Oder so ähnlich. Wir geben aber einfach zu: Wir finden’s schön. Und ihr?