Ganz ehrlich. Ich fühl‘ mich heut ein bisschen wie der letzte Mensch auf Erden. Die Diskussion über das Tragen von Angora-Pullis, die hatten wir bereits an anderer Stelle entfacht. Damals hieß es zum Beispiel: „Nike, du bist Vegetarierin und würdest nie Pelz tragen, wieso greifst du dann zu Lederprodukten und weißt du denn nicht, woher Angora kommt?“.
Ja. Ja. Ja. Ja. Ich esse kein Fleisch, versuche überwiegend regionale Lebensmittel einzukaufen und mache das Licht aus, wenn ich einen Raum verlasse. Und trotzdem bin ich alles andere als ein Gutmensch, begehe jeden Tag um die hundert Fehler und werde höchst wahrscheinlich in meinem ganzen Leben nicht an diesen Punkt gelangen, an dem man da steht und sich selbst auf die Schulter klopft, weil man ja nun endlich alles richtig macht. Ich bin Teil dieser Gesellschaft, in der man beinahe durch die bloße eigene Existenz eine Menge Unheil anrichtet. Ohne dieses Unheil würde ich morgens nicht zur Arbeit kommen. Ich könnte in der Ubahn nicht mit meiner Oma telefonieren. Und einen Job hätte ich auch nicht. Damit muss man sich abfinden, zwangsläufig. Bloß vergessen sollte man den Rattenschwanz, der da an unserem konsumfreudigen Leben hängt, keinesfalls. Jeder muss im Grunde selbst entscheiden, wie viele Kompromisse er oder sie denn nun eingehen will, um eben sein oder ihr Bestes zu tun. Alles richtig machen? Ziemlich unmöglich. Weil wir bequem geworden sind. Und unsere Augen glänzen, wenn wir beispielsweise rosafarbene Fluffelpullis entdecken. Trotzdem, ein Angora Pulli für 20 €? Man kann sich vorstellen, wie es den Kaninchen ergeht, denen dort das feine Haar ausgekämmt wird. Mies. Trotzdem habe ich zugeschlagen, als eine meiner Freundinnen vor ein paar Tagen mit dem hübschen Stück in der Tasche vor meiner Tür stand, weil sie ihn viel zu groß erstanden hatte. Was ich nicht will: Miesepeter spielen. Aber: Vergessen sollten wir trotzdem nicht, dass Angora vom Angorakaninchen stammt und keineswegs vom Angorapflänzchen.