Offensichtlich stehe ich heute etwas neben mir. Oder eher: Ich stehe schon seit einiger Zeit neben mir, oder eher: auf dem Schlauch (der mein Gehirn mit Blut und Ideen versorgt). Seit Tagen drängeln meine Eltern, meine Mutter schreibt mir Emails und mein Vater SMS. „Wunschzettel Wunschzettel Wunschzettel Wunschzettel Wunschzettel Wunschzettel“ steht da jedes Mal geschrieben. Aha. 24 Jahre alt und doch noch Kind. Hätte man mich vor einem Monat nach meinen Herzenswünschen im materiellsten Sinne gefragt, ich hätte binnen 30 Sekunden eine Liste in der Länge der Seine ausspucken können. Fragt man mich heute, fällt mir rein gar nichts ein. Und das liegt keineswegs daran, dass ich alles besitzen würde. Im Gegenteil. Schließlich schreibe ich so gut wie jeden Tag über Dinge, die ich gern mein Eigen nennen würde. Aber jetzt bin ich dem Überfluss an Möglichkeiten zum Opfer gefallen. Er lähmt mich. Ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Seit drei Stunden durchsuche ich jeden mir bekannten Online-Shopping-Himmel, erfolglos. Denn jedes Mal, wenn meine Augen anfangen zu glitzern, stelle ich mir die Frage: Muss das wirklich sein? Und immer wieder schiebt meine Vernunft mir ein fettes „Nein“ vor das ominöse innere Auge. Das muss nicht sein. Eigentlich muss gar nichts sein.
Verkorkst wie wir Menschen aber nunmal sind, würde meine Abkehr von käuflichen Christbaum-Überraschungen mich am Ende des 24. Dezembertages höchstwahrscheinlich ziemlich ernüchtert dastehen lassen. Keine Geschenke? Nichts zum Auspacken? Es gibt schönere Visionen vom Heiligen Abend. Hier kommen wir dann schließlich zu einem Punkt, der mich regelrecht wütend macht. Diese scheiß Konfliktsituationen, der Spagat aus Moral und Realität und die Kapitulation vor der eigenen Schwäche, vor der Erkenntnis, dass man ganz schön tief drin steckt im Schlamm der Konsumgesellschaft. Fassen wir mein Problem doch fix zusammen: Junge Frau, 24 Jahre alt, hätte gerne ein Mal alles. Das geht aber nicht, weil die Eltern der jungen Frau weder Sektenführer noch Mafiabosse sind. Die junge Frau sucht nun nach einem weniger dekadenten Weihnachtswunsch, findet aber nichts, das vollkommen ist und Dauer-Endorphinausschübe garantiert. Zu viel Auswahl, zu wenig Meinung. Das Gehirn setzt aus. Die einfachste Lösung: „Mami, Papi, ich wünsche mir gar nichts, denn ich bin zufrieden und bescheiden.“ Leider aber nur so lange, bis wirklich nichts unterm Baum liegt. Und dann hätten wir den Salat und ein quängelndes 24-jähriges Kind noch dazu.
Was tun? Etliche Bücher bei Amazon raussuchen? „Geld in Reinform“ auf den Wunschzettel schreiben? Oder „Flugticket nach New York?“ Oder „Traummann mit Bart, starken Armen, einer Vorliebe für Star Wars und gute Musik?“. Ich stehe noch immer auf dem Schlauch. Und liebäugle derweil mit einem Ring, der mir schon seit einem Jahr nicht aus dem Kopf geht: „There are no rules„. Und diesem Poster dort oben. Und ganz nebenbei frage ich euch um Rat – Links zu euren eigenen Weihnachtswünschen sind sehr willkommen!