Zara bringt mich immer wieder in moralische Konfliktsituationen der fiesen Art. Wann immer ich eine Filiale des spanischen Modehauses betrete, könnte ich gut und gern jedes 5. Teil in meine Einkaufstüte wandern lassen. Denn das Kopieren von Designer-Looks wird dort ganz phänomenal praktiziert, was natürlich dazu führt, dass ich oftmals ziemlich große Lust verspüre, für wenig Geld viel Kleidung einzupacken. Irgendwann setzt dann allerdings mein Gewissen ein – und bisher verlor es sogar nur ziemlich selten den Kampf gegen meine Konsum-Lust.
Eine der Ursachen für das Zwicken im Bauch ist unter anderem eine Klage aufgrund ”sklavenähnlicher Arbeitsbedingungen bei einem Zulieferer in Brasilien”. Zara musste zuletzt eine Geldstrafe in Höhe von etwa 1,4 Mio. Euro zahlen, was nicht unbedingt auf die Unschuld des Unternehmens schließen lässt, im Gegenteil. Nicht minder besorgniserregend: Zara-Textilien weisen in einem aktuellen Textilien-Test von Greenpeace fortpflanzungsschädigende und krebserregende Chemikalien auf.
Greenpeace macht mit Protesten vor Zara-Filialen, sowie diversen Aktionen auf Facebook und Twitter immer wieder auf diesen Missstand aufmerksam. Insgesamt beteiligten sich bis heute etwa 300 000 Menschen an der „Detox-Kampagne“ ( die das Austauschen von Risiko-Chemikalien durch umweltfreundliche Alternativen fordert), und auch weltweite Verbraucherproteste scheinen langsam Früchte zu tragen: Heute Morgen wurde bekannt gegeben, dass Zara bis 2020 alle gesundheits- und umweltschädlichen Chemikalien aus ihrer Produktion verbannen will. In der dazugehörigen Pressemitteilung heißt es:
„Mit jährlich rund 850 Millionen verkauften Textilien ist die spanische Inditex-Gruppe, zu der Zara zählt, das weltweit größte sogenannte Fast-Fashion-Unternehmen. Zu Inditex gehören auch die Marken Zara Home, Pull&Bear, Massimo Dutti, Bershka, Stradivarius, Oysho und Uterqüe. Inditex verpflichtete sich gegenüber Greenpeace zu umfassenden Verbesserungen in der Produktion: Für Textilien, Schuhe und Accessoires sollen bis zum Jahr 2020 nur umweltfreundliche Substanzen eingesetzt werden.
Bereits bis März 2013 will Inditex offenlegen, welche Risiko-Chemikalien bei 20 Zulieferern eingesetzt werden. Bis Ende 2013 sollen Daten zu 100 Textilfabriken vorliegen. Damit erfüllt Inditex eine zentrale Forderung der Greenpeace-Kampagne: Die Menschen in den Produktionsländern sollen Informationen erhalten, welche Schadstoffe durch Fabrikabwässer in Flüsse und damit in die Nahrungskette gelangen. Die Offenlegung wird auch Azofarbstoffe umfassen, die krebserregende Amine enthalten.“
Das klingt erst einmal alles gut. Und vernünftig. Und nach einem ziemlich wichtigen großen Schritt. „Dies ist ein Meilenstein für eine saubere Textilproduktion“, sagt Christiane Huxdorff, Chemie-Expertin von Greenpeace. „Die gesamte Modebranche muss dem Marktführer nun folgen.“
Werden allerdings derart große Töne gespuckt, bleibe ich vorerst lieber kritisch. Bis 2020 kann noch eine Menge passieren. Von der Industrie verarscht werden wir so oder so am laufenden Band und all die „unabhängigen“ Testergebnisse und „zukunftsweisenden Verbessrungen“ sind auch nicht immer so unabhängig und zukunftsweisend wie man uns verklickern will. In diesem Fall tendiere ich allerdings schwer für das Festhalten am Credo „Alles ist besser als Stillstand und besser es passiert IRGENDETWAS als überhaupt nichts.“
Was ich mir bis dahin wünsche, ist allerdings ein bisschen mehr Sensibilität. Und ein bisschen mehr Gehirn. Denn wenn ich meinen Blick so durch die Bloggerlandschaft schweifen lasse, dann fällt mir auf, dass extrem viele junge und auch ältere Mädchen nicht eine Sekunde über den Rattenschwanz, der an einem Zara-Kauf automatisch mit dran hängt, nachdenken. Es geht überhaupt nicht darum, Modeketten wie diese komplett zu meiden, dazu stecken wir vermutlich so oder so schon viel zu tief in Konsum-Sumpf fest. Aber, bitte. Kein Mensch braucht 3 neue Zara-Pullis im Monat. Auch kein Blogger.
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