Gutes Mädchen, böses Mädchen, Heilige und Hure, heute alles, morgen nichts. Wer gern küsst, aber Single ist, hat ein Problem. Der neigt zu temporärer Geisteskrankheit im Alkoholrausch, schreibt SMS, nach deren Absenden eigentlich nur noch ein Kopfschuss hilft und steckt seine Zunge in Männermünder, die im nüchternen Zustand tendenziell zugeklebt gehören. Egal, weshalb. Zu schöne Exemplare sollte man nicht küssen, weil am Ende immer einer weint, keine, die es richtig ernst meinen und Don‘t fuck the company. Keine Ahnung, wer dann noch übrig bleibt. Im Grunde ist das auch egal, denn gemeinhin gehören Singles eher zur Menschengruppe der schwer Erziehbaren und machen, was sie nicht dürfen, während sie lassen, was sie sollten. Alles Schlampen. Meine Freundinnen und ich.
Nach einer ewigen Beziehung und einer 2-jährigen konnte ich all meine Liebschaften noch an einer einzigen Hand abzählen. Innerhalb eines halben Jahres der Vogel- und Vögelfreiheit haben sich die Kerben in meinem Badezimmerregal in etwa verdreifacht. Ab und an finde ich Handynummern auf biergetränkten Kassenbons, Visitenkarten in Hosentaschen, Party-Sticker auf meiner Haustür und Kaffee Latte am Morgen danach, ich bin in Besitz eines Notizbuches, auf dessen Deckel „Lovers I had and liked“ steht, meine beste Freundin bekam zum Geburtstag einen selbstgemalten Stammbaum geschenkt, der bloß Jungsnamen und dazugehörige Eckdaten enthält. Ein Vertrauensbeweis, die Freude war groß. Sie könnte damit mein Leben ruinieren.
Alles in allem steht es also nicht gut um meinen Platz im Himmel. Und das, obwohl ich nichts weiter bin als einer dieser ätzenden Singles, die schlimmer sind als Nichtrauer, die mal Kettenraucher waren. In etwa zu vergleichen mit Futterneid. Kotze sammelt sich in meinen Wangenbeuteln, jedes Mal, wenn ein Pärchen meint, die U8 sei sowas wie ein Fangbecken der glückseligen Dauerhändchenhalter. Wenn Freundinnen absagen, weil Schatz Brechdurchfall hat und trotzdem Buchstabensuppe will. Wenn meine Oma fragt, wie es dem hübschen jungen Mann geht, der schon vor Monaten mit einem ungarischen Model durchgebrannt und inzwischen wohlmöglich beim Schnorcheln erstickt ist. Quaterlife-Crisis, auch wenn ich mir wünsche, es wäre die Menopause. Dann hätte sich vielleicht schon jemand erbarmt und mir einen Ring aus dem Kaugummiautomaten an den Finger gesteckt.. Heute bin ich so weit davon entfernt wie nie zuvor. „Freudenmädchen“ nennt selbige Oma die meinige Spezies gern. Und sie meint damit nicht etwa den Berufszweig. Sie ahnt nicht einmal, dass sie es in Wahrheit mit einer ganzen Generation Liebessuchender zu tun hat, die über einen einmaligen Geschlechtsakt nicht hinaus kommen. Im besten Fall wird eine Zehnerkarte draus. Fuck the pain away schreit Peaches, während ich mich frage, ob wir wirklich alle Schlampen sind.
Laut Definition habe ich keine Ahnung. „Zu viele Männer“, was soll das heißen? Bin ich jetzt eine Schlampe, weil ich in gefühlten zehn Jahren bloß zwei Männer nackt gesehen habe und dann ein bisschen durchgedreht bin? Ist A. eine Schlampe, weil sie sich zu jung fühlt für die Liebe und Männer erstmal ausprobiert, statt dem Verderben blind in die Arme zu rennen? Ist B. eine Schlampe, weil sie denkt, die große Liebe bereits gefunden und kurz danach verloren zu haben und sich seither lieber neue Männer statt Chips und Eiscreme ins Bett holt? Nein. Schlampen küssen vergebene Männer, Schlampen küssen vielleicht die Exfreunde ihrer besten Freundinnen, Schlampen haben kein Herz. Wir haben Herzen. Gigantische Herzen, komplizierte Herzen, Herzen, die auf ihre Reanimation warten. Koma bis der Richtige kommt. Bis dahin sind wir gute Mädchen bei Tag und böse bei Nacht.
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