Er ist Vollprofi, dieser Michael Sontag, und deshalb treffen wir ihn am vergangenen Freitag nicht nur in seinem tiptop aufgeräumten Atelier bei bester Laune, sondern auch voll konzentriert und gleichzeitig ziemlich relaxt zum verabredeten Interview-Termin. Seine Kollektion steht, das Fitting ist auch bereits fast abgeschlossen – fehlt nur noch die Musik und der zündende Idee, wie genau die Schau nun dramaturgisch in Szene gesetzt werden soll.
Wir durften uns vorab einen ersten Eindruck von seinen Kreationen machen und sind wahnsinnig gespannt, wie das Ergebnis auf dem Laufsteg wirkt. Eines hat uns der werte Herr Sontag nämlich bereits verraten: Es wird Stücke geben, die lassen sich nicht in Schubladen stecken, sondern dürfen von der Trägerin selbst interpretiert uns ausgeführt werden. Das modische Resultat ist wie immer nicht unter dem Deckmäntelchen eines Kollektionsnamen gefasst, sondern besticht durch jede einzelne Kreation, die als Fortführung bisher gezeigter Roben angesehen werden darf.
Was das genau bedeutet, verrät Michael im lockeren Gespräch mit uns – und vielleicht könnt ihr ja jetzt schon genauer skizzieren, was uns gerade live im Zelt der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin erwartet. Mehr gibt’s auf jeden Fall in wenigen Stunden. Nun aber erst einmal: Vorhang auf für MICHAEL SONTAG!
Jane Wayne: Michael, du bist schon ein alter Hase auf der Mercedes-Benz Fashion Week – und überraschst uns doch Saison für Saison. Was erwartet uns für den Winter 2013?
Michael Sontag: Wie immer habe ich nicht wirklich a) einen Titel und b) viele drapierte Stücke. Dieses Mal habe ich jedoch mehr Asymmetrie als sonst und die Kleidung ist freier gestaltet. Das heißt: sie ist nicht so sehr definiert. Es ist also manchmal nicht sicher, ob es sich nun um ein Kleid oder eine Hose handelt. Ich wollte, dass die Kollektion einen freieren Spirit hat und nicht diese Strenge, die ich normalerweise drin habe. Ich habe mir etwas mehr Freiheit beim Gestalten gegönnt. Fand ich also etwas gut, habe ich es auch so gelassen und nicht noch mehr perfektioniert. Mir ist es jedoch auch wichtig, dass der Träger sich die Kreation selbst aneignen und etwas Neues entdecken kann.
Jane Wayne: Wie kann man sich deine Arbeitsweise vorstellen?
Michael Sontag: Mein Thema ist die Form und die Komposition. Es geht mir darum, die Kleidungsstücke, deren Proportion und Materialien, auszuarbeiten und letzten Endes dann auch die Kombination der Farben und die finale Präsentation. Ich bin eher ein Gestalter und kein Konzeptionierer. Natürlich gibt es Themen, die mich beschäftigen, aber die begleiten mich eigentlich immer. Zum Beispiel „Was braucht ein Kleidungsstück, um Tatsächlich eins zu sein?“ Im Bezug auf die freie Kleidung natürlich. Das ist jedoch eher ein Thema, was ich immer habe und nicht eins, das ich in einer Kollektion abarbeite. Ein klassisches Inspirationsthema habe ich also nicht.
Jane Wayne: Was für Farben und Materialien erwarten uns für den Wintern 2013?
Michael Sontag: Ich habe sehr hochwertige und natürliche Materialien benutzt, und auf eine gewisse Weichheit geachtet. Zum Beispiel habe ich einen Mantel gefertigt, der zu 100 Prozent aus Cashmere besteht und mit einem Futter aus einem Baumwoll-Cashmere-Mix aufwartet. Dann habe ich noch einen anderen Mantel der aus einem Baumwoll-Angora-Mix besteht und auch ganz weich ist. Ansonsten wird es viele verschiedene Wolle-Seide-Mischungen geben. Von den Farben her, wurden gedeckte Töne benutzt, wie zum Beispiel Dunkelblau, das Tendenzen zum Grau hat. Dann gibt’s auch noch einen Mahagoni-Ton, Schwarz, Grau, ein bisschen Weiß und eine Art Rougeton!
Jane Wayne: Das hört sich in der Gesamtheit ein bisschen untypisch für Sontag an – stimmt’s?
Michael Sontag: Ich denke schon, dass es Überraschungen geben wird, aber das ist schwer zu beschreiben. Das habe ich schon an den Reaktionen von Leuten, die die Kollektion bereits gesehen haben, gemerkt. Sie meinten es sei ganz anders, was ich jedoch nicht ganz nachvollziehen kann. Das kann also daran liegen, dass ich noch mehr Asymmetrien benutzt habe.
Jane Wayne: Du hattest uns vergangenen Winter mit sehr ausdrucksstarken Dreidimensionalitäten überrascht. Gibt es solche Details wieder?
Michael Sontag: Ich habe diesmal zwar nicht mit solchen Elementen gearbeitet, aber es gibt schon Teile, die an sich Dreidimensional sind. Zum Beispiel gibt es Stücke, die erst Außen lang führen, dann Innen verschwinden und schließlich wieder Außen auftauchen. Ein anderes Beispiel wären Falten, die miteinander verbunden sind, sodass Räume Innerhalb des Kleidungsstück entstehen.
Jane Wayne: Hast du ein Lieblingsstück?
Michael Sontag: Das ändert sich bei mir eigentlich oft, jedoch mag ich Generell eher die Teile, die etwas frei sind und wo man nicht genau definieren kann, was es ist, sie dennoch sehr tragbar und kombinierbar sind.
Jane Wayne: Wir haben bereits deine Kollegen gefragt: Und wie läuft bei dir der Laden?
Michael Sontag: Ich kann mich nicht beschweren (schmunzelt).
Jane Wayne: Wieso sollte man bei dir kaufen und nicht z.B. bei einer großen Modekette? Dein Argument:
Michael Sontag: Meine Sachen sehen einfach anders aus und ich wüsste nicht, wo man es sonst bekommen sollte.
Jane Wayne: Gegenwärtige Lieblingsfarbe?
Michael Sontag: Ich würde sagen Dunkelblau, aber das ändert sich auch immer mal wieder.
Jane Wayne: Gegenwärtiges Lieblingslied?
Michael Sontag: Das ist schwer zu sagen, ich höre so viel Musik momentan. Wenn ich mich jedoch entscheiden müsste, dann wäre es Nada Surf.
Jane Wayne: Lieblingsserie oder Film?
Michael Sontag: Als Serie definitv „Downton Abbey“.
Jane Wayne: Lieblingsbuch?
Michael Sontag: Ich habe ein tolles Buch zu Weihnachten bekommen, und zwar die Memoiren von Grace Coddington. Das würde ich auch definitiv weiterempfehlen.
Jane Wayne: Welchem Berliner Designer sagt du noch Großes Voraus?
Michael Sontag: Am Besten finde ich Vladimir Karaleev und Perret Schaad.
Jane Wayne: Mit welchem Essen kann man dich glücklich machen?
Michael Sontag: Risotto mit Fenchel.
Jane Wayne: In welchem Jahrzehnt würdest Du dich gerne wiederfinden?
Michael Sontag: Ich glaube in den Siebzigern und Achtzigern, sowohl musikalisch als auch wegen des Spirits. Die Siebziger wegen der ganzen Freiheit und die Achtziger eher wegen der Musik.
Jane Wayne: Wie würdest Du deinen persönlichen Stil beschreiben?
Michael Sontag: Auf jeden Fall hat er wenig mit meinen eigenen Kreationen zu tun. Ich trage gerne Mal weite Baggysachen, aber manchmal auch körperbetonte Stücke. Das hängt aber auch vom Anlass und Befinden ab. Das versuche ich natürlich auch in meinen Kollektionen hin zu bekommen; etwas, das sowohl für den Alltag als auch für den Red Carpet tauglich ist.
Jane Wayne: Was würdest Du tun, wenn du Heute Frei hättest?
Michael Sontag: Ich würde gerne mal nach Vietnam reisen.
Jane Wayne: Was möchtest Du erreichen, sowohl persönlich als auch beruflich?
Michael Sontag: Für die Zukunft hoffe ich natürlich, dass ich mir selbst treu bleibe und ich mich immer weiter entwickele, sowohl künstlerisch als auch im Business.
Jane Wayne: Was sollten die Leser auf jeden Fall über die neueste Kollektion wissen?
Michael Sontag: Dass alle etwas freier ist und sie sich darin wohlfühlen sollen.
Lieber Monsieur Sontag, viel Erfolg und liebsten Dank für das Interview!
Interview, Text und Fotos: This is Jane Wayne
Mit fleißiger Unterstützung von Marisol Reuter.