Manchmal überkommt mich das Gefühl, dass selbst denkenden Menschen nicht mehr zu helfen ist. In vielen Bereichen des Lebens ist das so, es scheint, als würden wir immer und immer wieder selbst predigen, was richtig ist, und am Ende doch das Falsche tun. Coca Cola ist scheiße, der morgendliche Nespresso aber nicht besser. Ich weiß auch, dass Fleischkonsum den CO2 Ausstoß fördert und verzichte trotzdem nicht auf Kurzstreckenflüge. Und: Ich glaube, Schönheit hat nichts mit Kilozahlen zu tun, ich weiß auch, dass man nicht dünn sein muss und dennoch bin ich ständig kurz davor, Schokolade zu verbrennen und Käsenachos an die Katzen zu verfüttern.
Weil ich ich Teil bin von einer gestörten Gesellschaft, verblendet von der medialen Propaganda, von Unterwäschenwerbung und Laufstegminuten. Weil sich Bilder von Schlüsselbeinknochen und spitzen Knien in mein Hirn gebrannt haben, jahrelang. Nur, dass ich den Fernseher zum Zwecke der visuellen Selbstgeisselung längst nicht mehr benötige. Ich treffe mich einfach mit Freundinnen, die meisten gertenschlank und wunderschön, oder verlasse das Haus, um mit Modemenschen über Projekte, Ideen und die Welt zu reden. Alle hübsch und mit Sicherheit nicht pummelig. Ich weiß nicht, ob jeder von ihnen so nahezu makellos geboren wurde, oder ob das an Berlin liegt oder diesem seltsamen Tagesrhythmus, der aus viel Arbeit und gesunder Nahrung besteht. Denn selbst viele, die mal aussahen wir Normalsterbliche, kommen mir plötzlich körperlich geschrumpft und neiderfüllend fit vor. Jedenfalls im Vergleich zu mir selbst.
Mit sich selbst ist man grundsätzlich strenger als mit dem Rest der Welt, jedenfalls beim Betrachten der eigenen Rundungen. Jeder von uns hat was zu meckern, immer. Und dann kam Lena Dunham. Mit ihrer Serie „GIRLS„, in der sie außerdem die Hauptrolle spielt, rüttelte sie vor ein paar Monaten an meinem verquerten Weltbild und plötzlich griff ich endlich wieder lieber zur Pesto Pasta als zum Salat. Nackend und ein kleines bisschen übergewichtig und kleinbrüstig schlawänzelt sie dort durch New York und das Schlafzimmer ihres Lovers, zeigt sich in der typischen Michellinmännchen-Pose vor der es uns Frauen während des Geschlechtsakts aus optischen Gründen so sehr graust und verzichtet auf dem roten Teppich gern auf Zellulite-verdeckende Beinkleider. Wir lieben sie deshalb keineswegs weniger, sondern noch viel mehr und begreifen im besten Fall, dass das Wesen wirklich wichtiger ist als alle Oberflächlichkeiten. Ein bisschen wollen wir sogar so sein wie Lena alias „Hannah“. Die Messge: Man muss sich nur selbst lieben, dann tun es andere auch. Ein Selbstbewusstseinsschub und Lichtblick.
Wer wie ich ein Hardcore-Dunham Fan ist, der folgt Madame vielleicht auch bei Instagram. Genau dort fand ich kürzlich das obige Foto. Es zeigt Lena, aber irgendwie sieht das Mädchen auf dem Bild plötzlich nicht mehr aus wie sie. Der Bauch ist weg, das Gesicht schmaler. Vielleicht liegt’s am Stress, den Vorzügen der Bildbearbeitung – Oder an uns.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass die junge Frau von heute machtlos im Strom des neuen „skinny“ Schönheitsideals mitschwimmt, dass Widerstand zwecklos ist. Nur den allerwenigsten nehme ich es ab, wenn sie sagen „Ich wiege acht Kilo mehr als Anna oder Kathrin, aber das ist mir egal“. Meist ist das nämlich so lange egal bis die Sonne kommt. Und das Freibad. Und Tanktops. Es ist immer dann egal, wenn wir von anderen danach gefragt werden, wenn wir uns von „all denn dauer-ditätenden Hungerhaken“ distanzieren wollen, wenn wir stark scheinen wollen und desinteressiert am Irrsinn der kranken B-Promis, wenn wir vorgeben über den Dingen zu stehen. Aber dann, wenn wir mit uns allein sind, wird es laut im Kopf und der Konkurrenz-Hammer beginnt dreckig lachend auf unserem Verstand herumzuhacken. Kapitulation. Und plötzlich fühlen wir uns gar nicht mehr wohl. Dabei sollten wir es besser wissen.
Bilder: Lena Dunham Instagram.