Ich weiß schon ziemlich lange, dass ich ziemlich schlecht sehe. Bloß tat ich nichts mehr dagegen, seit ich meine geliebte Brille einst im Schnee verlor, weil ich zu schnell rannte. Sie ward nie wieder gefunden. Große Trauer und noch mehr Trotz.
Ende letzter Woche konnte ich kaum mehr fünf Zeilen am Stück lesen ohne darüber nachzudenken, meinen Kopfschmerz in einer Aspirin-Überdosis zu ertränken. Verdrängung half nicht mehr und deshalb machte ich mich auf zum nächsten Optiker, was in diesem Fall glücklicherweise „Specs Berlin“ war, ein Brillenladen, den mit schon sämtliche Freunde empfohlen hatten, um mich vor einem nicht unwahrscheinlichen Fahrradunfall aufgrund meiner leichten Sehbehinderung zu bewahren. Und da lag sie dann, die Brille meiner Träume: Hello liebe neue „Wilson“ von Garrett Leight, dem eventuell lässigsten Designer Californiens. -3,0 Dioptrien und diese nette Hornhautverkrümmung können mir künftig also gar nichts mehr.
Knapp über 4oo Euronen bin ich nun insgesamt los, was für eine schnieke Brille aber in Ordnung ist, wie ich mir sagen lies. Zwar ist damit mein erspartes Urlaubsgeld beinahe aufgebraucht, aber was sein muss, muss sein. Dafür laufe ich jetzt wieder staunend durch die Welt und Bäume sogar haben plötzlich wieder Blätter, statt wattige grüne Kugelbäuche. Man nannte mich inzwischen schon „Hexenmädchen“ und „Streber“ – mit beiden Beschimpfungen kann ich mich aber durchaus anfreunden. Diese dicken Gestelle stehen mir einfach nicht.
So sehe ich mit Brille aus, wenn ich mich freue:
So sehe ich nachts mit meiner Brille aus, ungeschminkt und inspirationslos vor leeren Seiten hockend: