Permanent erleben wir, dass in der Modebranche ziemlich viel schief läuft. Auf internationalen Laufstegen werden Kinder als Erwachsene inszeniert, die Mädchen sind häufig nicht einmal 16 Jahre alt. Auch für sämtliche Magazine scheint es keine Altersgrenze nach unten zu geben. Und was tun wir? Außer Hinschauen nicht viel. Kommt das Thema zur Sprache, zeigen wir uns schockiert, beim Durchblättern der Hochglanzseiten scheinen uns die jungen Gesichter allerdings kaum zu stören. Wir sind abgestumpft, haben uns an diesen Umstand gewöhnt und versinken beinahe selbst im Streben nach allzu unrealistischen Schönheitsidealen. Das aber ist nur ein Kritikpunkt von vielen. Denn noch Besorgnis erregender als die immer absurder werdende Vorstellung von Schönheit, sind die Arbeitsbedingungen, denen die jugendlichen Models ausgesetzt sind.
Die Vogue reagierte bereits mit einem Kodex, der besonders junge Mädchen schützen soll. Das bedeutet: Nicht mehr als zehn Stunden Arbeit am Tag, keine Fotostrecken, in denen unter 16-Jährige in die Rolle von Erwachsenen gedrängt werden und freizügige Shootings sind zudem nur noch nach Absprache und eindeutiger Zustimmung von Seiten der Models erlaubt. Dass diese sich nämlich trotz Unbehagen nur selten trauen, „nein“ zu sagen, scheint langsam auch ganz oben angekommen zu sein. Der Bundesstaat New York geht jetzt noch einen Schritt weiter: Künftig sollen jungen Models die gleichen Rechte zugesprochen werden wie Kinderschauspielerin.
Hier wird nämlich im Gegensatz zur Modeindustrie ganz schön streng auf das Wohlbefinden der jungen Stars geachtet: Begleitpersonen, Sparkonten und eine Rundum-Betreuung – all das gilt längst als selbstverständlich. Nicht aber für Models – und genau das ändert sich jetzt. Vergangene Woche hat der US-Bundesstaat einstimmig über ein Gesetz beschlossen, das den minderjährigen Bohnenstangen exakt die selben Rechte einräumt.
Im Klartext bedeutet das: Neben der hoffentlich eintretenden Abnahme von Ausbeutung wird das Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen zudem teurer und aufwendiger werden. Es ist also gar nicht so unwahrscheinlich, dass Brands und Magazine künftig eher auf Volljährige zurückgreifen, „um den ganzen Stress mit den Kleinen zu umgehen“. Die New York Times denkt außerdem über einen großen Umbruch bezüglich des bisher herrschenden Schönheitsideal nach. Entkommen wir so am Ende vielleicht doch dem krankhaften Jugend- und Magerwahn? Schön wäre das und überaus sinnig.
Denn ist es nicht eigentlich ohnehin ziemlich schräg, dass Kleidung für Erwachsene häufig an Kindern präsentiert wird? Wie soll ich mich als Frau mit Becken und Beinen mit den über-jungen & extrem dürren Hüpfern identifizieren, ohne in Selbstzweifeln zu versinken? Die neue Regelung ist deshalb nicht nur für die Betroffenen gut, sondern auch für uns. Bleibt nur zu hoffen, dass die Aussicht auf ein gesünderes Verständnis für Körper und hübsche Köpfe kein Traum bleiben wird. Wir haben es schließlich schon einmal geschafft, eine gute Idee im Keim zu ersticken: Die Brigitte musste ihr Vorhaben, „normale Menschen, statt Models“ in Fotostrecken zu inszenieren ziemlich schnell wieder über Bord werfen. Am Ende waren es nämlich wir selbst, die Konsumenten, die sich nicht mit Normalos zufrieden geben wollten und sich stattdessen die gewohnten Rippen zurückwünschten.
Eine Veränderung bringt also nur dann etwas, wenn alle an einem Strang ziehen. Ob wir das können, bleibt fraglich.
// Quelle: sueddeutsche & New York Times