Ich habe keinen Stil, eher einen Nicht-Stil und wenn man mich fragt, wie ich diesen Nicht-Stil beschreiben würde, dann zeichne ich mindestens drei Schrägstriche in das leere Feld und fülle den Rest mit frei interpretierbaren Termini wie „Rap/Riot Grrrl/Random“. Das bedeutet am Ende zwar so wenig wie ein im Vollrausch gesäuseltes „Ich kann mir eine Beziehung mit dir vorstellen“, aber immerhin gaukelt es mir selbst und anderen Entscheidungsfreude vor, und auch Selbstkenntnis. Dabei besitze ich zumindest von ersterem nicht die Bohne.
Was ich heute mag, verachte ich schon morgen und anders herum ist es das gleiche Spiel, schon seit der Pubertät. Da wurde Fischaugen-Daniela wegen ihrer knallengen Jeans noch von Bootcut-Trägerinnen mit Carpri-Sonne eingesaut – bis die harte Erkenntnis jeden Skeptiker Schachmatt setzte: Ein halbes Jahr später wackelten all die fiesen Gören kollektiv in Röhren-Hosen an den älteren Jungs vorbei und Daniela hielt das Zepter der Girl-Gang in der Hand. Inklusive des heißesten Typen der Stufe. Der ganz normale Lauf der Dinge. Weil wir uns nicht entscheiden können, weil wir nie wirklich wissen, was wir wollen, heute A sagen und morgen B. Und weil tendenziell eher die gewinnen, die dem Rest der Welt ganz unabsichtlich eine Nasenlänge voraus sind, statt jene, die zwanghaft nach Anerkennung buhlen. Eigentlich weiß ich das. Und eigentlich will ich nichts weiter als ich selbst sein. Trotzdem verliere ich mich ständig, damit ich mich immer wieder neu erfinden kann.
Ich will mich überhaupt nicht festlegen, verteidigte ich mich neulich erst, als ich meinen Großeltern erklären sollte, was ich hier überhaupt mache, in diesem Berlin, und wieso ich eigentlich ständig so anders aussehen würde. „Och, immer das gleiche, das wär‘ mir viel zu langweilig.“ Oder auch nicht. Denn ich bin es satt. Ich will endlich wissen, wer oder was mich auch übermorgen noch wie ein frisch verknallter Achtklässler fühlen lässt, Dinge für die Ewigkeit kaufen und in drei Lieblingsschuhe investieren statt am Konsumrausch zu krepieren. Meine Seele wäre dankbar für ein bisschen mehr Sicherheit, genau wie mein Konto. Trotzdem ist kein Ende in Sicht – das ist in der Mode so, aber auch im Leben.
Wir sind die Generation „Slash“ und ich stecke bis zum Scheitel mitten drin. „Was machstn‘ du eigentlich beruflich?“ -“Ehm, Autorin slash Djane slash Unternehmensberarterin slash Social Media Manager slash Bloggerin slash aufdersuche“. Fragezeichen bei meinem Gegenüber, genau wie in meinem Kopf. Kann das denn ewig so weiter gehen? Ist die Masse an Möglichkeiten Segen oder Fluch? Haben wir verlernt, uns zufrieden zu geben und macht uns das krank oder kreativ? Auch hier sagen die einen A und andere B. Ich behaupte: Beides. Denn Unsicherheit macht erst dann krank, wenn wir aufhören an uns zu glauben.
Statt uns also in Stil-Definitionen zu üben, sollten wir uns wieder mehr auf unseren eigenen Geschmack verlassen und Outfits dem tagesaktuellen Gefühl anpassen, statt dem allerneuesten Trend. Statt uns zu fragen, ob eine Festanstellung bis zur Rente möglicherweise der bessere Weg sein könnte, sollten wir ausprobieren bis uns die Puste ausgeht und tun, wonach uns ist, solange die Brüste den Bauchnabel noch nicht berühren. Aus Entscheidungsunfähigkeit muss Experimentierfreude werden, aus Angst Antrieb, aus Scheiße Gold. Und mit ein bisschen Glück beantworten wir die Stil-Frage statt mit vieler Schrägstriche dann künftig von ganz allein nur noch mit einem prägnanten „Wie es uns gefällt.“
Das Interview zum Thema und den vollen Beitrag findet ihr im aktuellen News For Original Girls Magazin <3