So weit ich das aus meiner Erfahrung beurteilen kann, sind Vegetarier keinesfalls die besseren Menschen. Wir sind beinahe Heuchler, zumindest viele von uns. Die einen knabbern trotz ihrer Tierliebe genüsslich am Fisch-Burger, ich hingegen trage Echtleder – und neuerdings auch eine alte Jacke meiner Mutter, die nicht nur aus Leder, sondern obendrein auch noch aus Lammfell gefertigt wurde. Zum Thema Pelz beispielsweise, gab es hier schon etliche Diskussionen und auch hier scheiden sich die Geister. Manch einer findet es gar fürchterlich grausam, Pelz zu tragen – egal ob Second Hand oder eben nicht. Das Argument: „Ihr setzt alle eine Statement damit – FÜR Pelz. Trendsetter, die zum Vintage-Tier greifen unterstützen den Trend und damit auch das Geschäft mir neuem Pelz.“ Andere schreien: „Quatsch! Second-Hand ist erlaubt und überhaupt, wieso sollte ich den Mantel meiner Uroma nicht tragen dürfen?“. Wie aber sieht’s mit Lammfell aus?
Während meines Besuchs in der Heimat reichte mir meine Übergangsjacke gegen die Kälte nicht mehr aus, weshalb meine Mutter mir ihre alte Jacke zusteckte. Seither frage ich mich: Ist das ok? Und woher kommt das warme Baby-Schaf-Haar?
Der große bunte Bildschirm hat mich bei der Recherche mehr oder weniger unbefriedigt zurückgelassen. Was tut man also? Einen Agrarwirten anrufen – der muss es ja schließlich wissen. Erstmal: Lammfell wird nicht ausschließlich von Lämmern, also Baby-Schafen gewonnen, denn als Lamm gilt alles, was die 40 Kilogramm-Marke noch nicht überschritten hat. Aha, ein Pluspunkt fürs Gewissen an dieser Stelle, aber es geht noch weiter. Genauso wie das Leder, aus dem die meisten unserer Schuhe gefertigt werden, ist auch das meiste Fell an den bekannten camelfarbenen Jacken eine Art Abfallprodukt – wobei ich dieses Wort in Hinsicht auf die Tatsache, dass wir hier von Lebewesen sprechen, irgendwie absurd finde. Wie dem auch sei. Dieses Abfallprodukt entsteht, weil Menschen nunmal gerne Fleisch essen, auch das der kleinen und größeren Lämmer. Ich zähle zwar nicht dazu, aber ich bin auch kein Moralapostel, also ist auch bis hier noch alles in Ordnung. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass Schafe im Allgemeinen ein relativ schönes Leben haben. Jendenfalls im Vergleich zu anderen Nutztieren, so sagte man mir. Da es sich um Herdentiere handelt, leben sie zumeist auch in solchen und dürfen ihr kurzes Leben relativ sorgenfrei in der Natur verbringen – bis dann der Schlachter kommt.
Und jetzt? Ist es okay, Lammfelljacken zu tragen, wenn man gleichzeitig gegen Felle wettert? Jein. Jeder von uns, der Lederschuhe besitzt, eine hübsche Tasche oder sonst etwas aus Tierhaut sein Eigen nennt, kann sich quasi auch Haut und Haar eines Lammes umlegen. Dadurch wird’s nicht schlimmer oder besser. Eigentlich scheint es sogar recht konsequent, das gesamte Tier zu nutzen, statt die Reste nach dem Heraustrennen des Fleisches ungenutzt zu verbrennen. Rechtfertigt unser Fleischkonsum also das Tragen von totem Tier? Nee. Wo wir wieder bei unseren so omnipräsenten Doppelmoral angelangt wären.
Ich möchte an dieser Stelle weder das Essen von Fleisch, noch das Tragen von Echtleder verurteilen. Tu ich ja selbst, echtes Leder tragen. Nachdenken ist trotzdem keine schlechte Idee. Ob ich die Jacke meiner Mutter weiter tragen werde? Ich weiß es noch nicht genau, das Gefühl bleibt ja das selbe. Es wäre allerdings kleinlich von mir, es aus obrigen Gründen nicht zu tun – dann müsste ich schon endlich konsequent sein und durchweg vegan leben – allerdings scheiterte ich daran bisweilen kläglich und hielt es aufgrund meiner Käseliebe niemals länger als sechs Monate aus. Und siehe da, ich bin kein Stück besser als jene, über die ich schimpfe.