Ich fahre bald in den Urlaub. Zum ersten Mal seit mehr als drei Jahren, wenn man von einem Kurz-Trip nach Sizilien samt Laptop absieht. Und wenn ich endlich dort bin, kappe ich meine Internetleitung und werde für niemanden erreichbar sein. Nicht für meine Arbeitskollegen und Chefs, nicht für meine Freunde oder die Omi. Für niemanden. Weil sich mein Gehirn während der letzten Monate so sehr verknotet hat, dass ich mich manchmal wie ein Alien fühle. Wie ein Menschenhasser oder Autist, der nicht nichts mehr an den Leuten da draußen versteht. An ihren Eigenarten, Manieren, Gedanken. Die Elefantenhaut ist abgenutzt und was bleibt, ist ein seltsamer Gräuel, der sich in meinem Bauch festgeklemmt hat und nicht mehr fort gehen mag.
Mein Ziel ist es also, herauszufinden, ob es sich hierbei nun um das ganz normale „Erwachsenwerden“ handelt, um etwas, das man Selbstachtung und Haltung nennt, oder ob ich gerade schlichtweg zu schnell auf die Palme klettere. Ich vermute, zweiteres ist zutreffend – denn (fast) immer bringen mich Menschen zum Meckern, die ich nicht einmal kenne.
Kommentatoren zum Beispiel. Und hier wird es seltsam, denn eigentlich mag ich Kritik. Konstruktive Kritik und kleine Gemeinheiten, die den Denkapparat ankurbeln. In letzter Zeit fand ich mich allerdings fluchend vor dem Bildschirm wieder, aufgeladen mit Wahnsinn. Ich würde dann manchmal gerne persönliche Mails an diese Leute verschicken, mach ich aber nicht. Hier die Antwort meiner Träume:
„Hallo Fräulein Anonym,
jetzt hör‘ mir mal gut zu. Ich finde dich mindestens genauso zum kotzen wie du mich, bloß hab‘ ich bessere Gründe. Du bist unverschämt, unreflektiert, unfair und vermutlich noch einiges vor das man ein“un-“ quetschen kann. Vermutlich auch un-glücklich, un-zufrienden und un-sympathisch. Du kommst jeden Tag hierher, liest umsonst Texte, schaust umsonst Bilder. Niemand zwingt dich dazu und du kannst es trotzdem nicht sein lassen. Warum, wenn hier doch alles so grottenscheiße ist. Wir sind hier kein Auffangbecken für traurige Seelen, gescheiterte Wesen, eingebildete Hühner oder charakterlose Arschlöcher. Wir sind freiwillig hier. Und du darfst uns gerne freiwillig boykottieren. Die Frage ist nur: Warum tust du’s nicht einfach? Stattdessen gehst du uns immer wieder auf die Nerven. Mit geistigem Dünnschiss, der hier niemanden weiter bringt.
Du meckerst häufig, weil meine Texte dir zu subjektiv oder schlecht recherchiert sind. Ich sag‘ dir was: Sie sind subjektiv, weil das hier ein Blog ist und sie sind auch nicht schlecht recherchiert, sondern lückenhaft, weil sie häufig ganz andere Ziele als das Aneinanderreihen von Fakten verfolgen. Das können andere nämlich besser als ich – weil sie mehr Zeit haben. Viele unserer Texte sollen zum Denken anregen, schleudern Gefühle in die Welt, sind manchmal wirr oder unbedacht. Wie wir. Und trotzdem verstehen die meisten hier, was wir sagen wollen. Denken mit. Und freuen sich mit uns. Und wenn du mehr Informationen haben magst, dann stöbere einfach in älteren Beiträgen – wir haben nämlich Gehirne, weißt du. Und Meinungen. Und die geben wir manchmal sogar „gut recherchiert“ von uns. Aber Blog-Beiträge sind verschieden und unterliegen keiner festen Struktur. Überraschung. Und dann wären dann ja noch die „Finde-Das-Haar-In-Der-Suppe-Kommentare“. Ich würde mir wünschen, du würdest es einfach besser machen als wir. Eröffne einen Tumblr und sag‘ der Welt und uns, was du denkst. Versuche 360 Tage im Jahr neue Themen zu finden. Bitte. Damit wir uns endlich ein Beispiel an dir nehmen können.
Oh, jetzt fragst du dich sicher, weshalb ich manchmal keine Zeit finde für tagelange Recherchen. Hier kommt die Auflösung: Es gibt für mich streckenweise mehr als Jane Wayne. Ich habe einen Beruf, einen zweiten und dritten und vierten, wenn du so willst (wie Sarah Jane übrigens auch). Einer davon beinhaltet die redaktionelle Leitung eines Online-Magazins, das sich mit Mode und Musik auseinandersetzt und leider muss man dafür in einem ganz normalen Büro sitzen, acht Stunden am Stück. Das ist übrigens auch der Grund für meine Kaufkraft, weißt du. Ich erarbeite mir meine „scheiß Acne Treter“. Überraschung Nummer Zwei.
Ich dulde dich, so wie du dich gerade gibst, keine Sekunde länger. Sei höflich oder gib‘ Sinnvolles statt Frust von dir, selbst wenn du meckern willst. Sei schlauer als der durchschnittliche Internet-User und lass dich von der dunklen Macht der Anonymität nicht verleiten. Dann bist du hier gern gesehen. Ansonsten bleib‘ bitte einfach wo der Pfeffer wächst.
Mit freundlichen Grüßen,
die zwei jungen Damen, die Jane Wayne mit Herzblut füllen und ein bisschen Respekt verdient haben.“
So. Der Artikel könnte jetzt noch zwei Stunden so weiter gehen, aber am Ende würde ich noch mürbe werden vor lauter Aufrehung. Nur eins muss ich noch los werden: Ich dachte, dass das Jahr 2013 eine neue Ära einläuten würde. Eine, in der die Menschen sich sensibler, selbstloser und aufrichtiger begegnen sollten. Na, aber was ist denn da los? Vielleicht müssen wir alle mal ein bisschen klarkommen und uns „Zweitausendlovezehn“ auf die Oberschenkel tätowieren. Alles ist einfacher, wenn man miteinander werkelt, statt gegeneinander.
Over and out and ab in den Süden. Ich freu‘ mich wie ein Kullerkeks auf die Sonne, das Meer, tiefenentspannte Gehirnwindungen und verspreche: Wenn ich zurück komme, dann bin ich wieder ein friedlicher freundlicher ab-und-an-meditierender Zeitgenosse.