Sollte jemals jemand versucht haben, Terry Richardsons Arbeiten aus dem Weg zu gehen, so wird dieser jemand höchstwahrscheinlich kläglich an seiner eigenen Mission gescheitert sein. Der Star- und Skandalfotograf wird von allen großen Magazinen gebucht, für gigantische Kampagnen, waghalsige Editorials und intime Portraits; Models, Musiker und Möchtergerns schmücken sich beinahe täglich mit „Onkel Terrys“ Gesellschaft, füttern Instagram und Twitter mit Beweisaufnahmen. Von Eisblock Anna Wintour gibt’s sogar ein lässiges High Five zur Begrüßung – Dabei gilt der softpornöse oder mindestens hocherotische, meist über-sexualisierte Stil des Amerikaners seit jeher als umstritten. „(…) Terry Richardson is less fashion chic and more pornographer-in-chief“, schreibt Caroline Davis.
Bisher haben die meisten von uns trotzdem brav mit dem Kopf genickt oder verbalen Applaus verschleudert, sobald Mister Richardson wieder einen ganz besonders dicken Fisch, ergo Prominenten, vor die Linse bekommen hat. Ist ja schließlich Kunst, das was der brillengesichtige Mann mit den bekanntesten Daumen der Welt dort treibt. Allerdings ist der Penis, der da an diesem populären Mann noch mit dran hängt, mindestens genau so berühmt.
Dass Richardson gerne auf Gesichter ejakuliert und mit seinem überdimensionierten Prengel prahlt, klingt inzwischen wie ein reiner Routine-Satz. Das weiß so gut wie jeder und lässt sich auf www.theoldterry.tumblr.com hervorragend nachvollziehen. Auch des Herrn Richardsons Schwäche für Models, mit denen er nach Shootings häufig höchst vergnügt dem Akt des Beischlafs fröhnt, ist allgemein bekannt.
„I don’t think I’m a sex addict, but I do have issues,“ erklärte Terry schon häufig in Interviews, „maybe it’s the psychological thing that I was a shy kid, and now I’m this powerful guy with his boner, dominating all these girls“.
Bis hierher scheint die Welt noch halbwegs in Ordnung. Freigeister freuen sich im Zweifel sogar für den in die Jahre gekommenen Freak, darüber, dass er dank seiner Position noch immer ein solch illustres Sexualleben vorzuweisen hat. Auf der anderen Seite formiert sich allerdings eine Front, die im Angesicht der Mischung aus Hype und immer neuen Skandalen jeden Glauben an die geistige Zurechnungsfähigkeit seiner Schäfchen verliert.
Denn sucht man online nach „Terry Richardson“ und „Rape“, spuckt Google 247.000 Treffer aus. Anschuldigungen aufgrund sexueller Nötigung hängen seit langem in der Luft, handfeste Beweise sucht man allerdings vergeblich. Richardson zieht sich während seiner Shootings zwar gerne aus, „um die Models locker zu machen“, wie er behauptet, alles was danach geschehe, liefe jedoch auf freiwilliger Basis ab. Niemand werde zum Sex gezwungen. Und genau hier wären wir in der Grauzone gelandet, die dem Fotografen bisher wohl den Allerwertesten rettete. Denn wo verläuft überhaupt die Grenze zwischen Zwang um freiem Willen?
„They are too afraid to say no because their agency booked them on the job and are too young to stand up for themselves. What you do is completely degrading to women. I hope you know you only fuck girls because you have a camera, lots of fashion contacts and get your pictures in Vogue,“, konterte Topmodel Rie Rasmussen und wurde dafür ironischer Weise noch im selben Augenblick von ihrer Agentur zurechtgewiesen.
Jamie Peck ist eine der Wenigen, die ihre Erfahrungen öffentlich machten: „Ich sollte nach dem Shoot mit ihm rumspielen und ihn Onkel Terry nennen (…), und seinen terrifying penis anfassen“, schreibt das Model auf ihrem Blog thegloss.com. Und weiter: „“Before I could say ‚whoa, whoa, whoa!‘ dude was wearing only his tattoos and waggling the biggest dick I’d ever seen dangerously close to my unclothed person (granted, I hadn’t seen very many yet).“
Autorin Jenna Sauers hingegen sammelte bereits 2010 allerhand Zeugenberichte, die den harmlosen Onkel Terry als ziemlich perversen Onkel dastehen lassen. Aber auch hier will so gut wie niemand namentlich erwähnt werden. Zu groß ist der Einfluss des Fotografen und die Angst der Mädchen.
Und trotzdem gibt es eine, die das ganze Spiel nun beenden will: Die die englische Designerin Alice Ehrenfried fordert in einer aktuellen Petition auf change.org: „Vogue, H&M, Mango, Supreme und alle anderen Marken: Hört endlich auf, den mutmaßlichen Sexualstraftäter Terry Richardson als Fotografen zu buchen. Wer das tut, billigt sein Verhalten.“
In einem Interview mit Miriam Amro von stylemafiadaily.com erklärt sie, weshalb:
„I believe that potential sexual predators should not be glorified in the fashion industry, and that appropriate justice should be achieved for those involved. Secondly, my motivation is that I am a woman. These degrading pictures, especially those found on The Old Terry Tumblr, represent me as a person. I don’t want a man or even another woman to look at these pictures, notably the picture of the model in a trash can fellating Richardson, and think, this is okay. Those pictures normalise the degradation of women.“
Freunde bleiben allerdings Freunde. Nicht nur Chloe Sevigny hält eisern zu Terry, auch Model Charlotte Free äußerte sich auf ihrem Tumblr wie folgt:
„I love terry’s raw sexuality, it’s one of the things i really admire about him. Terry likes to do sexy stuff, that’s his shit. If you don’t wanna be part of it, make it clear in the beginning. Don’t willingly blow the man and get all mad and ashamed later…I hate when girls say ‘but he asked me to.’ you should have said no then, stupid bitch! there’s plenty of other girls waiting in line, so he’s not forcing you to do shit. When you make a choice you have to live with it — unless someone got you fucked up against your will. Thats how I feel about it.“
Diese doch etwas provokante Äußerung wurde allerdings sehr schnell wieder entfernt.
Ich könnte jetzt einen Essay über meine eigenen Beweggründe für diesen Artikel verfassen, darüber schwadronieren, weshalb das von Terry Richardson propagierte Frauenbild mich zur Weißglut treibt oder weshalb die Modebranche ein bisschen mehr nachdenken statt konsumieren sollte. Aber ich muss euch nach all dem Gesagten sicher kein zweites Mal erklären, dass mein Gehirn sich gerade verknotet und vor Wut beinahe droht, seitlich aus den Ohren heraus zu kriechen, um diesen Schelm höchst persönlich zu kastrieren. „Im Zweifel unschuldig“, sagt man zwar, aber dieser Typ gehört gestoppt. Als Mensch uns als Frau bleibt mir kaum ein anderes Urteil übrig als jenes:
„This guy is the worst, this is so disgusting and wrong, him and Anna Wintour should close themselves somewhere and do porn sessions til they drop, makes me so sad & angry everytime i think about this frontrowing asslicking game and that people are playing it!!!! i mean, yeah, you can always say „It’s not your or our problem“, but it is! this dude is really the total figure in the showbiz defining so much of the popculture visualization nowadays and shit is just so fucked up. Word Annie Strand, „Girls, just say NO!“! That is the first thing one should do. Like, I mean, duh.“
Auch für sowas hat man schließlich Freunde. Damit sie einem aus der Seele sprechen und vor einem weiteren ausufernden Schlusswort bewahren. Danke, Denitza.