König Karl Lagerfeld steht aufgrund seiner spitzzüngigen Aussagen immer wieder im Rampenlicht der Kritik. Sängerin Adele findet er „a little too fat“ und außerdem seien „die Dicken“ ohnehin nicht sonderlich gesund für unsere Gesellschaft: „The hole in social security, it’s also [due to] all the diseases caught by people who are too fat.“ In seinem gerade veröffentlichten Werk „The World According to Karl“ schreibt er schließlich „No one wants to see curvy women on the catwalk“ und bringt damit nicht nur Betty Aubriere, Präsidentin von „Belle, Ronde, Sexy et Je M’assume„, zur Weißglut – Über 500 Menschen unterschrieben bereits die von der Frauengruppe eingereichte Petition gegen Lagerfelds Einstellung und öffentliche Äußerungen. „These insults by celebrities must stop. We’re sick of it. (…) There are a lot of young girls who don’t feel comfortable in their skin, and for them to hear comments like that is terrible,“ so Aubriere (via).
Das Problem an der Sache: Karl hat Recht. So gut wie niemand will im Jahr 2013 noch „normalgebaute“ Frauen auf dem Laufsteg sehen. Sogar Magazine, die es mit Entrismus versuchten, also mit dem Ändern dieser Gegebenheiten von Innen heraus, die in ihren Editorials hoffnungsvoll Durchschnittsgewichtige gegen magere Models austauschten, ernteten dafür nur wenig Applaus, stattdessen aber Augenrollen mit einem darauffolgenden Aufprall auf dem harten Boden der Tatsachen. Zurückspulen, bitte. Und nochmal von vorn anfangen, mit Size Zero. Unsere Augen sind schließlich längst anderes gewöhnt.
Karl gehört an dieser Stelle keineswegs vor Hasstiraden geschützt, allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, dass wir es hier mit einem ca. 80-Jährigen übergeschnappten Genie zu tun haben, der in eine Katze verliebt ist, sich seit seiner Radikal-Diät von Cola Light ernährt und Zeit seines Lebens in der Modebranche das Zepter schwang, bzw. weiterhin schwingt. Mit einem, der sagt, was er denkt (was im Grunde jedem erlaubt sein sollte), dabei jedoch vergisst, wie viele Menschen ihm dabei zu hören. Im Grunde sollte man ihn reden lassen, denn das Gesagte spiegelt nicht weniger als das akut herrschende Schönheitsideal unserer Gesellschaft wieder. Zeit, sich an die eigene Nase zu fassen.
Hand auf’s Herz: Wer von euch hat nicht schonmal heimlich gedacht: „Diese Adele ist schon ein bisschen mopsig“? Und hierbei kommt es nicht darauf an, wie wunderschön wir sie gleichzeitig finden. Und dann wäre da noch die deutsche Designerin Lena Hoschek, die passend zu ihren 50’s inspirierten Kreationen Frauen der Kleidergröße 38 über den Laufsteg schickte. Wir saßen also dort und murmelten „huch, was für füllige Models“ und vergaßen dabei fast, dass diese jungen Damen trotzdem noch sehr viel schlanker waren als wir selbst nach der letzten Eiscreme-Trennung. Stichwort „Gewöhnung“. Die entscheidende Frage lautet also: Was kann man dagegen tun? Nicht viel, außer umgekehrtes Brainwashing vielleicht.
Lena Dunham schwor nach ein paar abfälligen Kommentaren über ihren Körperbau, „auf ewig ohne Hose das Haus zu verlassen“, in ihrer Serie GIRLS wälzt sie sich als Protagonistin nackend durch Adams Bett und entblößt damit jedes Kuchen-Kilo. Wir feiern sie immer wieder dafür. Aber finden wir ihr Antlitz (und ich meine auch diesmal nicht das strahlende Gesamtpaket zum Liebhaben) dadurch so richtig, richtig schön? Die meisten von uns müssen sich an dieser Stelle wahrscheinlich ein zielsicheres „Nein“ eingestehen. Denn uns selbst und all diese Personen des öffentlichen Interesses beurteilen wir grundsätzlich anders als unsere Freundinnen, die wir auch inklusive ihrer drei Bauchrollen um ihr Aussehen beneiden. Das größte Problem sind wir also selbst. Und unsere wenig widerstandsfähigen Seelen.
Ich habe Freundinnen mit perfekten Körpern; da wackelt nichts. Und trotzdem würden sie sich am liebsten die Brüste abbinden, um den 15-Jährigen Mädchen in Hochglanzmagazinen noch ähnlicher zu werden. Und auch mein eigenes Leben glich bisher einem einzigen Jojo-Effekt. Es gibt Phasen der Selbstbewusstseins-Wellen, des klaren Denkens und kaum einen Monat später findet man sich wieder als Teil der kalorienarm denkenden Maschinerie wieder. Immer wieder höre ich Menschen über andere Menschen munkeln, schnappe Sätze wie „Gott, wie unvorteilhaft“, oder „heute Mal als Wurst verkleidet“ auf. Ich erwische mich dabei, wie ich zum Rock, statt zur Hose greife, weil die Urlaubs-Tapas die „GAP“ zwischen meinen Beinen geschlossenen hat. Dabei sollte ich es besser wissen. Wir sollten es besser wissen. Und anders machen. Die entscheidende Frage lautet also: Wann fangen wir damit an?
Bilder via Instagram.