Weckruf, Mahnmal & Kunst –
Ein plakatives Sweatshirt
soll Wachrütteln!

14.11.2013 Mode, Kunst, Gesellschaft, box1

Bobby Kolade Manu Washaus

Um eines Vorweg zu nehmen: Dieser Sweater wird die Modebranche sehr wahrscheinlich nicht ändern. Er wird Produktionsbedingungen nicht von Grund auf verbessern, noch unser aller Konsumverhalten radikal um 180 Grad drehen. Dieser Sweater schafft Diskussionen, unendlich lange Pro und Contra Listen und trägt zum Umdenken bei. Er schafft das, was in der Mode eher selten funktioniert. Woran sich meist kaum einer heran traut. Bobby Kolades Sweater in Zusammenarbeit mit dem Künstler Manu Washaus verbindet Mode mit Kunst, Mode mit einer politischen Aussage und Mode mit ethischen Ansprüchen – ist Mahnmal und plakativer Denkanstoß zugleich.

Nach anfänglichen Zweifeln der Tragbarkeit, der Skepsis, wie viel Selbstdarstellung ich dem Träger zusprechen würde und der Frage nach Bobby Kolades Position als „Gutmensch“, gibt’s für mich nur ein Ergebnis: Trittbrettfahrer dringend erwünscht – denn zu kaufen gibt’s dieses Kunstwerk erst gar nicht. Mode ist ein Spiegel unserer Zeit und dieses Sweatshirt ein Aufruf zum Handeln – das durchaus getragen werden sollte.

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Zur Erinnerung: Im April diesen Jahres passierte das, was passieren musste: In Bangladesh, genauer gesagt im Rana Plaza Gebäude in Dhaka, stürzte eine Fabrik ein und riss an jenem Tag weit über 1000 Menschen in den Tod. Näherinnen und Arbeiter, die dort für unsere Kleidung zu Niedrigstlöhnen und unter widrigen Umständen bis zu 14 Stunden am Tag arbeiteten, starben in den Trümmer der eingestürzten Fabrik. Was dann passierte ist bekannt: die Bilder schockierten, es wurde wild mit dem Finger in die Runde gezeigt und ein paar Billigketten als Buh-Männer auserkoren. Eines aber ist seither anders als nach anderen Katastrophen: Statt die Unanehmlichkeit unter den Teppich zu kehren, ist die Diskussion um Nachhaltigkeit, um verbesserte Arbeitsbedingungen und die Mündigkeit der Konsumenten stärker denn je. Zumindest in ein paar Köpfen.

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Nun will der Jungdesigner Bobby Kolade, der im Juni den ersten Preis im Design-Wettbewerb „Start your Fashion Business“ absahnte, dass das auch erst so bleibt. Fünf Sweater zieren plakativ eine Katastrophe, die heute und morgen genauso wieder passieren könnte und verhindert werden muss – durch Sensibilität, durch mehr Druck auf die Firmen und die Politik und durch eine nicht mehr verschwindende Diskussion.

Sein „Sweater – Study of the Impossible” zeigt in Kooperation mit dem Künstler Manu Washaus genau die Bilder der Katastrophe kurz nach Einsturz der Fabrik – so wie wir sie kennen, geschönt, wie wir sie gerade noch ertragen. Ein Kleidungsstück wird zum Spiegel seiner selbst – ein für uns alltägliches Anziehteil (eines von mindestens 10 im Schrank), zeigt das furchtbare Resultat eines Alltags in Bangladesh. Um das Ganze auf die Spitze zu treiben, ließen Kolade und Washaus in China produzieren – dort wo ebenso andere Alltagsgegenstände von uns produziert werden. Damit weiten die zwei Künstler ihre Botschaft ganz selbstverständlich auf unsere anderen Lebensbereiche aus. Denn diese Katastrophe passiert längst nicht nur in der Modebranche

„Produced in Shenzhen, Guangdong, they originate from the same production metropolis where iPhones, laptops, toys, oil-painted reproductions, and many of the other goods we use on a daily basis are fabricated.“ Manu Washaus

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Provokativ, künstlerisch frei und plakativ – die beiden jungen Talente erfinden mit dem Sweater vielleicht nichts komplett Neues, es nimmt ihrer Aktion trotzdem nicht die Berechtigung. Mehr davon, wäre durchaus wünschenswert.

Es ist ein Mahnmal, eine Liaison zwischen Kunst und Mode und ein Weckruf – und lässt uns stundenlang diskutieren. Ob der Sweater irgendwann verkauft wird? Keine Ahnung. Ob ich diesen Print tragen möchte? Ich weiß es nicht. Ob das nötig ist? Nicht unbedingt. Bobby Kolade hat aus einer Art Ohnmacht für den Sommer 2014 keine Kollektion entworfen, sondern nur diese Sweater-Serie mit jenen Fotoprints der Katastrophe. Er setzt ein Zeichen, dem wir folgen sollten. Er sensibilisiert mit unschönen Realitäten. Und er knipst den Kopf erneut an – mit klugen Taten auf so banale Art und Weise.

1_Blog_20.10.13

Eines dürfen wir nicht vergessen: Der Austausch darüber ist ein erstes Zeichen und die Erinnerung an diese Realität soll es sich in unserem Unterbewusstsein ganz gemütlich machen – um zukünftige Kaufentscheidungen grundsätzlich zu verändern, um sensibler zu agieren. Wir dürfen nur bei all der Plapperei das Handeln nicht vergessen – denn darauf wird es schlussendlich ankommen, nicht wahr?

Fotos: Konstantin Laschkow

9 Kommentare

  1. Caro

    Liebe Janes – ob bewusst oder zufällig – für mich ist dieser Artikel ein Grund mehr euch zu respektieren und wertzuschätzen: Gerade heute, wo alle wegen der H&M x Marant Kooperation durchdrehen und alle guten Vorsätze bezüglich bewusstem Konsum wahrscheinlich wieder vergessen sind. Dieses Sweatshirt und seine Botschaft sind für mich eine Mahnung und Erinnerung daran, warum man nicht jedem Trend und Hype folgen sollte. <3

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      1. Caro

        Natürlich haben die beiden für H&M Werbung gemacht und natürlich steht dies in krassem Gegenspruch zu diesem Post hier. Natürlich wiegt das Argument, dass es sich hier um einen Modeblog handelt, da wenig. Vollkommen einverstanden.
        Im Gegensatz zu allen anderen großen und kleinen Blogs fand ich jedoch bei dem Marant-Artikel die Werbung der beiden sehr zurückhaltend und habe eher die wunderschönen Fotos im Gesamten als die Werbung für die Kleidung gesehen. Das ist komplett subjektiv, versteht sich.
        Ich möchte hier niemanden von Widersprüchen freisprechen und kann es absolut verstehen, wenn man sich über eben diesen Widerspruch Konsumkritik vs. Konsumansporn aufregt. Allerdings hoffe ich hier auf den mündigen Leser und plädiere dafür, dass jeder selbst seine Schlussfolgerungen ziehen darf. Ich selbst liebe Mode, Fotografie, Kunst und alles Schöne. Das ist der Grund, warum ich mir auch gerne Modeblogs anschaue und auch nicht darauf verzichten möchte. Das heißt jedoch nicht, dass ich gleich bei jeder neuen Meldung in den Laden laufen muss und es nachkaufe – im Gegenteil: mir reicht meistens schon die Kampagne und der Gedanke daran, dass bald jeder 3. damit herumläuft…
        So kam es auch zu meinem Post: Twitter, Facebook, Instagram etc. war voll mit Marant-Gedöne und die Janes posten einfach mal einen Artikel, der an die Kehrseiten dieses Konsums erinnert. Das fand und finde ich nach wie vor gut. Jeder darf seine eigenen Schlüsse ziehen… LG

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  2. nora

    Ich finde die Idee sehr spannend, sie regt zum Denken an und sorgt vielleicht dafür, dass das Thema mal länger als ein paar Minuten im Bewusstsein der Leute bleibt.

    Leider muss ich aber Katrin ein bisschen Recht geben: ihr reflektiert viel zu dem Thema und theoretisch scheint ihr auch die Schlussfolgerung gezogen zu haben, dass man bedächtiger konsumieren sollte. Werbung für H&M passt da leider gar nicht zu, ich merke richtig wie ich mich dabei innerlich sträube.
    Das ist nicht als Angriff gemeint und vermutlich kommt eh das Argument, dass man bei Veränderungen klein anfängt etc. Aber durch die Reichweite eures Blogs kann man vielleicht schon von einer gewissen Verantwortung oder zumindest Vorbildrolle sprechen.
    Ich weiß selber, dass Denken und Handeln zwei unterschiedliche paar Schuhe sind, aber wenn man sich in Bezug auf ethische Fragen eine Meinung gebildet hat, finde zumindest ich die Diskrepanz zur Nicht-Umsetzung sehr unangenehm. Ich weiß nicht wie es euch da geht!? Darum glaube ich auch nicht, dass ihr bei dieser H&M-Bilderreihe vorbehaltlos mitgemacht habt, und gerade deshalb würden mich eure Beweggründe was das angeht interessieren.

    Liebe Grüße
    Nora

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  3. Sarah Jane Artikelautorin

    Ihr Lieben,
    ich kann eure Kritik komplett nachvollziehen und natürlich ist sie auch angebracht. Wisst ihr, wir wünschen uns den aufgeklärten Leser, den „Allwissenden“, den Reflektierten und Mündigen. Wir wollen euch gern alles zeigen aus der Modewelt, die schönen Dinge, die Kostspieligen, die Unnötigen und natürlich auch die unschönen, die zum-Nachdenken-anregenden Dinge und eben die Schattenseiten des Ganzen – allumfassend. Mal durch eine rosarote Brille, mal sehr kritisch und mahnend – auch gegenüber uns. Wir sind nicht fehlerfrei und verfallen den Dinge – genauso wie der ein oder andere von euch. Warum wir das Shooting für H&M gemacht haben? Weil es uns natürlich interessiert, wie die mit Spannung erwartete Kollektion denn tatsächlich aussieht, was daran wirklich so besonders ist und ob es sich lohnt, dafür Geld auszugeben. Damit ihr entscheiden könnt, ob was in euren Warenkorb wandert. Das mag man gut oder doof finden oder eben natürlich inkonsequent. Wir wollen natürlich am Ende des Tages, das ihr entscheidet, reflektiert an das Ganze herangeht und eben abwägt. Nike und ich haben zum Beispiel nichts von Isabel Marant für H&M gekauft – nicht, weil es uns nicht gefällt, sondern weil wir unsere Taler im Moment einfach gerne sparen oder für langelebige Stücke ausgeben möchten. Das ist eine ganz persönliche Entscheidung.
    Nichtsdestrotz gehe ich manchmal zum Schweden, um einzukaufen – aber immer sensibler und ausgewählter. Wir machen hier nämlich auch eine Entwicklung durch – mit euch und auch dank eurer Kommentare. Und trotzdem möchten wir nicht aufhören, euch all die schönen Dinge zu zeigen, die wir mögen und toll finden – ohne den Blick für die nachhaltigen Dinge zu verlieren und öfter eben mahnend an uns und euch zu appellieren, dass manche Dinge einfach nicht so weiter gehen. Wir wissen nicht, wie H&M produziert, wo Burberry schneidern lässt oder ob Lacoste auf ökologisch einwandfreie Färbemittel achtet (nur als Beispiel zu verstehen, bitte). Wir sind aber dabei, den Marken zu zeigen, dass es so einfach nicht weiter geht und Umdenken mehr als angesagt ist und wir hoffen, mit euch und durch euch bald mehr Antworten zu finden!

    Ich könnte noch stundenlang weiter antworten, aber ich hoffe, dass das einigermaßen nachvollziehbar war. Ich danke euch für die freundlich formulierte Kritik. Und meldet euch gern, wenn es Fragen gibt <3

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  4. Sandra

    Danke Sarah. Ich finde auch, dass man bei euch das Prozesshafte schön sieht und mir gefällts. Ihr seid ja keine Firma oder Partei, die eine in sich widerspruchsfreie Identität nach außen promoten muss sondern ihr spiegelt eure subjektiven Stimmen wider, die mal „will ich haben“ und ein anderes Mal „haut ab mit dem verdummenden Scheiß“ rufen und wieder ein anderes Mal „ok. wir machen da jetzt mal mit, denn wir wollen mit denen da mitspielen“. Das ist doch ok und was euch ausmacht. Vor dem Hintergrund der aktuellen Szene kommt ihr damit immer noch glaubwürdig und ganz advanced daher. Verschweigen sollte man vielleicht auch nicht, dass ihr vermutlich wie alle anderen mit Kooperationen Geld verdienen müsst/wollt. Allein für Konsequenz und kritische Posts zu Sachthemen gewinnt man doch keinen Blumentopf. (Oder es hat noch keiner versucht?!) Auch hier sind wir mündige Leser und können das gut einordnen. Egal, ich finde jedenfalls, dass ihr bisher den Spagat gut hinkriegt und prima ist auch, dass hier überhaupt bestimmte Themen zur Sprache kommen und diskutiert werden.

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  5. Wiebke

    Okay, Leute. Ein bisschen verwundert hat es mich auch mit der Werbung für H&M. Aber es geht ja nicht um die nächste reguläre H&M Kollektion, sondern um eine dieser Designer- Kooperationen, die natürlich immer einen Hype auslösen, auch durch blogs wie diesen. Aber dies soll ja immernoch ein News-Portal sein und ich finde es positiv, dass Mädels, die sich überhaupt keine Gedanken um Produktion und Herkunft ihrer Klamotten machen ab und zu auf diese „unschönen Störungen“ in ihrem Shoppingwahn hingewiesen werden. Bei zu viel Kritik hier auf dem blog würden diese Mädels das wahrscheinlich einfach woanders lesen. Es ist ein langer, mühsamer Prozess, sich bei jedem Kleidungsstück genau zu überlegen, was man überhaupt wieso kaufen kann.
    Wir sind ja hier nicht bei dandy diary, die sich ja doch noch ein etwas anderes konzept erlauben können.
    http://dandydiary.de/de/hat-sich-eigentlich-die-gesamte-deutsche-modebranche-von-isabel-marant-pour-hm-einkaufen-lassen/
    Hier wird man einfach etwas langsamer „aufgeklärt“. Und der Rest vom Modezirkus geht nicht an einem vorbei. Ich hab auch nix gekauft,weil H&M, aber die Fotos von den beiden waren zauberhaft. Letztes Jahr bei Margiela habe ich, zwar schon mit schlechtem Gewissen, aber zugeschlagen…

    danke, sarah und nike für diesen interessanten post- und herzlichen glückwunsch zum zeit-magazin-eintrag! da kommt man auch nicht einfach so grundlos rein! 😉

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  6. Pingback: Wo made your clothes?? | TRANSGRESSION

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