Inzwischen verzeichnet der Kurzfilm von Eléonore Pourriat bereits über 5 Millionen Aufrufe – man könnte also davon ausgehen, dass ihr „Oppresed Majority“ längst gesehen habt. Falls nicht: Tut es.
Eigentlich hatte die Französin den Film schon vor fünf Jahren veröffentlicht, aber erst jetzt explodierten die Klickzahlen. „In France five years ago people asked me if being a feminist was so contemporary. Today no one asks. The feminist fight is more important now. Five years ago I felt like an alien. Now my film is making a buzz because rights are in danger. You see that in Spain with abortion rights. The whole thing about marriage for all, the homophobia and sexism. It is like a black tide today in France“, erklärt sie dem Guardian. „Oppressed Majority“ dreht an der Wirklichkeit und lässt einen gewöhnlichen Mann einen gewöhnlichen Tag in einer gewöhnlichen Kleinstadt verbringen. Während Pierre seinen Sohn zum Kindergarten bringt, joggen barbusige Frauen über die Straße, sie pfeifen ihm hinterher oder pinkeln in Gassen. Dann kommt es zum Missbrauch – selbst Schuld? Rollentausch par excellence.
Pourriat zur Idee des Films: „Sometimes men – it’s not their fault – they don’t imagine that women are assaulted even with words every day, with small, slight words. They can’t imagine that because they are not confronted with that themselves.“
Nach zehn Minuten in der verdrehten Welt der Eléonore Pourriat blieb ich halb schockiert, halb perplex vor dem Bildschirm sitzen. Grenzt dieses Stück feministischer Zeigefinger-Moral an Übertreibung, oder wird uns da bloß ein Spiegel vorgehalten, der oft Vergessenes wieder sichtbar macht? Nehmen wir beispielsweise die Oben-ohne-Läuferinnen im Film. Eine Frau mit minikleinen Brüsten wäre eventuell erquickt über derartige Freiheiten – unsereins hätte beim Rennen allerdings eher mit höllischen Wipp-Schmerzen ob des Zusammenspiels aus Busen-Volumen und Schwerkraft zu kämpfen. Ich bin da ganz ehrlich: Mich stören halbnackte Jogger keineswegs. Die Existenz gewisser anatomischer Unterschiede ist nicht wegzureden. Ich besitze nun mal keinen Penis und werde ohne Urinella oder diverse chirurgische Eingriffe wohl niemals im Stehen gegen Wände pinkeln können. Sei’s drum. Was mir an dieser Stelle in den Sinn kommt ist tatsächlich ein älterer ZEIT Artikel, Not am Mann – das geschwächte Geschlecht, in dem gemunkelt wird, es wäre eventuell Zeit für eine männliche Revolution. Denn kann ein Mann es uns heute überhaupt noch recht machen? Was ist richtig, was ist falsch? Soll er zart sein oder hart? Fragen, die immer häufiger in stoischer Orientierungslosigkeit münden.
Im Weiteren überschlagen sich in „Oppressed Majority“ allerdings die Wahrheiten. Typische weiblich geprägte Berufe, die Frau als Stück Frischfleisch, dem hinterher gepfiffen werden darf, das noch immer unter dem Scheffel der maskulin geprägten Gesellschaft steht, alltägliche verbale Schläge mitten ins Gesicht. Gleichberechtigung ist längst nicht real und ganz gewisse müssen wir weiter kämpfen, statt uns auf dem Erbe unserer Mütter und Großmütter auszuruhen. Bloß sollten wir darauf achten, dass der Spieß sich nicht irgendwann umdreht. Gleichberechtigung beinhaltet Gerechtigkeit, für alles und jeden, aber auch die Freiheit, eigene Entscheidung zu treffen – im Zweifel sogar für eine selbst gewählte Rolle, oder sagen wir besser: Für ein Modell. Ob ich Mutter, Karrierefrau oder alles in einem sein will, sollte immer noch mir selbst überlassen sein. Wir sollten nur irgendwann aufhören, alles in Schubladen stecken, kategorisieren oder definieren zu wollen. Jeder und jede, wie er oder sie mag – oder eben nicht.