Um eins schon mal vorweg zu nehmen: Ich als Frau empfinde keineswegs das obige Bild als sexistisch. Sondern die pseudo-feministische Auschlachterei des immer gleichen Themas: American Apparel will nur Böses! American Apparel zeigt halbnackte Mädchen in obszönen Posen! Amercian Apparel ist der Teufel, weil viel zu sexy! Eigentlich wollte ich diesmal, pardon, meine Klappe halten. Denn weder stamme ich aus Dhaka, noch hatte jemals mit meiner eigenen Religion zu kämpfen, noch weiß ich zu hundert Prozent, was dort hinter den Türen des Mega-Konzerns mit Sitz in den USA passiert. Ob dort wirklich alles so fair zugeht, wie behauptet wird, und so weiter und so fort.
„Made in Bangladesh“ steht jedenfalls über den Brüsten der 22-jährigen Maks geschrieben, die genau dort geboren wurde. Im kleinen Text darunter liest man, dass Maks zwar aus Bangladesh stammt, ihre Jeans aber von „23 begabten amerikanischen Arbeitern in Downtown Los Angeles hergestellt worden, die alle fair bezahlt wurden und Zugang zur Krankenversicherung haben“ (American Apparel steht laut eigener Aussage seit jeher für das sweatshopfreie Herstellen von Kleidung unter fairen Produktionsbedingungen in den USA). Sie selbst arbeite seit 2010 als Einkäuferin für das Unternehmen. Das absurde an der Diskussion, die durch die neueste Werbekampagne aus dem Hause AA ausgelöst wurde, ist allerdings, dass es um reißerische Aussagen wie „Made in Bangladesh!“ längst nicht mehr zu gehen scheint. Im Fokus steht, wie immer, American Apparels verquertes Frauenbild und der damit propagierte Sexismus.
Horstson schreibt zum Beispiel: „Wo zum Teufel liegt der Sinn darin, dass für Schmuck und Lingerie mit einem Bild geworben werden muss, auf dem eine junge Frau sitzt, die wie eine Zwangsprostituierte irgendwo auf einem touristisch beliebten Inselreich wirkt?“ Vermutlich wollen meine Augen die Wahrheit nicht erkennen – denn alles, was ich sehe, wenn ich die 22-jährige Maks betrachte, ist eine wunderschöne junge Frau. Mit Brüsten zum Neidischwerden. Was mich am meisten an Texten wie solchen von Horstson stört: Das Ignorieren des Statements jener Frau, über deren Foto hier so harsch diskutiert wird. Sie selbst erklärt nämlich:
„I fully support the message of the ad. I love and embrace all cultures and religions. I am choosing to be creative and expressing myself freely. (…) ‘We should all be able to freely express ourselves no matter where we come from.“ (Daily Mail).
Ihr ginge es „um mehr Ausdrucksfreiheit, darum, „ein Zeichen zu setzen für das weibliche Selbstbewusstsein“. Auf Huffingtonpost.de erfahren wir, weshalb: „In Bangladeschs Hauptstadt Dhaka geboren, wanderte Maks im Alter von vier Jahren mit ihren Eltern nach Kalifornien aus. Ihre Jugend erlebte die 22-Jährige in einer konservativen muslimischen Familie. Religion prägte einen Großteil ihrer Kindheit. Doch als sie später von der Highschool kam, hatte sie den Wunsch, eine eigene Identität zu finden – und distanzierte sich von ihrer Religion.“
Wo hört Sexismus auf, wo fängt Feminismus an? Das Problem ist doch: Weil es viele Frauen gibt, gibt es natürlicher Weise auch viele Arten von Feminismus und damit auch viele unterschiedliche Meinungen. Was richtig ist und was falsch, das kann und muss jede von uns selbst entscheiden. Maks hat genau das getan. Sei es aus Gründen der Selbstverwirklichung, wegen des Protest oder der purer Freude an Provokation.
Wann immer ich über starke Frauen nachdenke, kommen mir schließlich nicht bloß zugeknöpfte Intellektuelle in den Sinn, sondern ein ganzes Potpourri aus unterschiedlichen Charakteren. Alice Schwarzer-Anhänger werden es nicht gern hören, aber unter anderem gehören für mich nun mal auch junge Frauen wie die EVES zu den aufrichtigsten aller Feministinnen. Die Gründerinnen der Plattform „Eve without Adam“ sind so radikal sexy, dass selbst mir manchmal die Spucke von der Unterlippe tropft. Sie zeigen Dekoleté, Arsch und Bein – und zwar so stolz und selbstbewusst, dass wir uns im Grunde alle eine Scheibe von den beiden abschneiden könnten, sollten, müssten. Die Eves stehen zu ihren Körpern und zelebrieren ganz öffentlich die Schönheit der Weiblichkeit – inklusive all ihrer köstlichen Reize.
Wer sich also im Fall von American Apparel an der in den Kampagnen propagierten Erotik, am Sex und der Darstellung des weiblichen Körper stößt, der hat das Frausein noch nicht ganz verstanden. Der vergisst, dass für unterschiedliche Menschen unterschiedliche, ganz persönliche Regeln gelten. Dass Feminismus ganz viel mit Freisein zu tun hat – und dazu gehört eben auch die bewusste Entscheidung, dann und wann wie Miss Sexgöttin höchstpersönlich auszusehen. Frauen MÜSSEN ihre Brüste nicht zeigen. Aber sie sollten es DÜRFEN.