Buchtipp für Sonnenmenschen //
Zaunköniginnen von Joyce Johnson

17.06.2014 Buch, Kultur, box3

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Wenn man einmal von verregneten Herbsttagen auf dem Sofa absieht, gibt es nichts tolleres, als Lesen im Freibad (oder in der „Badi“ – wie wir Schweizer zu sagen pflegen). Sobald die Sonne so richtig runter knallt und in der Luft eine reizende Duftmischung aus Sonnencreme, Pommes und Grill hängt, liest es sich doch einfach am entspanntesten. Findet ihr nicht auch? Glücklicherweise ist in Zürich soeben der Hochsommer ausgebrochen, weshalb ich mich zur Zeit in einem Sommersonnenbüchertaumel befinde!

Momentan stecke ich mitten in „Zaunköniginnen“ von Joyce Johnson. Die US-amerikanische Autorin wird meist auf die Tatsache reduziert, zwei Jahre lang die Geliebte von Beatpoet Jack Kerouac gewesen zu sein. Völlig zu unrecht, denn diese erstaunliche Frau hat noch ganz viel mehr zu bieten als nur das Etikett „Anhängsel eines Literaturhelden“. Sie schrieb unter anderem für den New Yorker, Harpers oder das Vanity Fair und ihr Debüt „Come and join the Dance“ gilt als erster weiblicher Beat-Roman.

In „Zaunköniginnen“ schreibt Johnson über ihre Erinnerungen an das New York der fünfziger Jahre, das turbulente Leben als Dichterin und die Bohème der jungen Beatpoeten, in welcher die Frauen nur eine Nebenrolle einnahmen. Johnson erzählt von dem Ausbruch aus ihrem behüteten, konservativen Elternhaus und portraitiert die Menschen, die Jahre später wie Ikonen angehimmelt werden sollten – wodurch sie ziemlich persönliche und intime Einblicke gewährt. Aus einer ganz neuen und vor allem weiblichen Perspektive.

„Hallo. Ich bin Jack. Allen hat mir erzählt, du wärst sehr nett. Hast du Lust rüberzukommen ins Howard Johnson’s an der 8th Street? Ich sitze an der Theke. Ich hab schwarzes Haar und trage ein schwarzrot kariertes Hemd.“

Ich stehe in der Küche und halte das Telefon in der Hand, das Allen mir gerade gereicht hat. Es ist ein Samstagabend, kurz nach Neujahr. 

„Zaunköniginnen“ beschreibt die Abenteuer einer jungen Frau, die in einer wilden Großstadt ihren Weg geht – zu einer Zeit in der es verpönt war, als Frau alleine zu wohnen, Nachts in Bars rumzulungern und es einem Skandal gleich kam, nur zum reinen Vergnügen mit Männern zu schlafen. 

„In den fünfziger Jahren wusste jeder, warum ein Mädchen aus guter Familie von zu Hause fortzog. Jedem war klar, was es bedeutete, dass es seine Eltern verließ. Und auch, was es in seinem Zimmer vorhatte.“

Umso bewundernswerter ist der Fakt, dass Joyce Johnson so selbstbewusst ihr Leben in die Hand nimmt, die Sicherheiten eines geregelten Lebens ausschlägt, sich unter erschwerten Bedingungen ihren Lebensunterhalt verdient und trotz Niederschlägen am Traum vom Schreiben fest hält. Johnsons Erzählungen sind berührend, witzig und traurig und lassen für einmal die Herren Keruac, Ginsberg und co. zu Nebendarstellern werden.

Joyce Johnson „Zaunköniginnen – New-Yorker Erinnerungen“
edition fünf

 

3 Kommentare

  1. Claudine

    Oh, die Frauenbadi (oder doch Letten?)! Das fehlt echt hier in London! Happy Summertime in Züri!

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