Ein einziges Mal habe ich mir den Primark-Horror von Innen angeschaut, und ich weiß, „Horror“ klingt böse, aber so roch es auch: Nach gesundheitsschädlicher Chemie und Plastikverpackungen. Vor den Filialen geht es ähnlich gruselig zu, es gibt nämlich offensichtlich kaum jemanden, der den König der Wegwerf-Mode ohne vollgestopfte Tüte(n) verlässt. Schließlich bekommt man H&M-Hippness zu Kik-Preisen und die Strumpfhosen-Qualität ist gar nicht mal so übel. Dass da irgendetwas aber nicht mit rechten Dingen zugehen kann, nicht einmal ansatzweise, darüber denkt so gut wie kein Kunde nach (Tipp: ZDF Marken-Check). Hauptsache Konsum plus Rausch und davon viel. Das Argument „Auch Teenies und Erwachsene ohne Super-Einkommen oder reiche Eltern haben ein Recht auf Shopping-Ausflüge“ zieht nicht – hier geht es, in den allermeisten Fällen, um das gefühlt 36. Shirt im Schrank, um mehr, mehr, mehr zu immer niedrigeren Preisen. Im schlimmsten Fall endet so ein Einkaufs-Exzess mit einem sogenannten Blogger-HAUL-Video, in dem die Billig-Beute anschließend der Followerschaft präsentiert wird. Was folgt, sind Likes und viele „Wows“.
Wer unter den 10-Euro-Kleidern leidet, ist klar: Näherinnen und Fabrikarbeiter zum Beispiel. Ein Textilfabrikeinsturz in Bangladesch forderte zuletzt sogar über tausend Menschenleben – auch Primark hat dort produzieren lassen. Laut Spex und South Wales Evening Post könnte es durchaus sein, dass die Billiglohnkräfte jetzt ganz subtil auf die Barrikaden gehen.
Die Walisin Rebecca Gallagher will ein eingesticktes Schild in ihrem brandneuen Blümchenkleid von Primark gefunden haben: »Forced to work exhausting hours« steht darauf geschrieben. Eine Botschaft an die westliche Welt, ein Hilferuf, der wachrütteln soll?
Denn „To be honest I’ve never really thought much about how the clothes are made,“ gibt Rebecca gegenüber der Southwest Eveningpost zu. Damit spricht sie der Mehrheit der Low-Budget-Kunden höchst wahrscheinlich aus der Seele.
Ob die Nachricht wirklich echt ist, konnte noch nicht festgestellt werden. Spex stellt aber ganz richtig fest:
„Wenn dem tatsächlich so ist, dann ist einer Arbeiterin bzw. einem Arbeiter gelungen, eine der elementaren Barrieren, auf denen das globalisierte Sweatshop-System fußt, zu überwinden: die Anonymität und Ferne zwischen Produzenten und Konsumenten, die den direkten Kontakt, das Vermitteln der Lebenswelten verhindert (Quelle: Thomas Vorreyer, Spex).“
Zu hoffen wäre es jedenfalls. Möglich ist die herrschende Ausbeutung nämlich nur unter dem sicheren Schutzmantel der Anonymität und Unwissenheit. Bisher mussten wir nicht zuhören, wenn sich am anderen Ende der Welt echte Menschen über Produktionsbedingungen beklagten – demnächst könnte sich aber genau das ändern.