Interview // Was soll ich nur essen?
Zu Besuch im Botanischen Salon Berlin

05.08.2014 Leben, box1, Rezept

scalamari

Wenn ich mich in den Biomarkt bei mir um die Ecke verirre, erfüllen die drahtigen Prenzlauer Berg Muttis mit ihren rotbäckigen Kids meistens jedes Klischee, was ich von Öko so habe. Ich will sie dann immer antippen und fragen: „Ist das Zeug was es hier zu kaufen gibt wirklich so viel besser? Besser für wen? Für mich, für den Planeten, für die Menschheit oder den Geldbeutel der Bioindustrie?“ Ich bin komplett überfordert mit dem Angebot an Lebensmitteln und pseudogesunden Ernährungsformen, die durch die Regale und Zeitungen geistern. Wie denn jetzt? Vegan? Raw? Glutenfrei? Oder doch einfach so wie’s grad in den Einkaufskorb fällt? Zeit also, mehr Licht ins Dunkle zu bringen.

Erste Etappe meiner neuen Reise – ich besuche den Botanischen Salon in Berlin Treptow. Erst seit kurzem betreiben Ela Papen und Jana Plewa diesen Raum, eine Art Kochschule für gesunde Ernährung in einem von der Französischen Lebensart inspirierten Salon, in dem man sich austauscht und lernt welche Lebensmittel, welche Zubereitungstechniken und welche natürlichen Tricks dem Körper gut tun. Ich nehme am vielversprechenden Kurs „Smoothies – das Botanische Frühstück“ teil und nutze die Gelegenheit zwischen selfmade Chia Pudding, Wildkräuterkunde und „Roh-Schoko-Erdmandelmilch“-Herstellung, um Ela mal ein paar gepfefferte Fragen zum Thema zu stellen – und Ela antwortet gepfeffert zurück:Processed with VSCOcam with f2 preset

Scalamari Jane: Im Ernährungsjungle ist es extrem schwierig durchzusehen – keiner weiß mehr, was das Beste für den Körper und die Umwelt ist – was ist für dich die klügste Ernährungsform und warum?

Ela: Die beste Ernährungsform ist die, die den Körper entlastet und ihm die Nährstoffe zur Verfügung stellt, die er braucht und optimal verwerten kann. 100% unbelastete Naturprodukte, so frisch und naturbelassen wie möglich, minimal verarbeitet, RAW mit viel Grünanteil (Chlorophyll) und wertvollen mineralstoffreichen Elixieren.

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Mit dieser Ernährungsform setzt man gleichzeitig ein Zeichen für den Schutz natürlicher Ressourcen. Reines Wasser, saubere Luft, mineralstoffreiche Böden (Humus), das ist die Ur-Essenz für gesunde Ernährung und ein langes gesundes Leben. 

Scalamari: Was macht RAW Food aus?

Ela: Raw Food bedeutet extrem hohe Produktqualität. Ein frisches, naturbelassenes, nährstoffreiches Lebensmittel, an dem nicht herummanipuliert wurde. Das ist heute gar nicht mehr leicht zu finden. Es wird verarbeitet, konzentriert, raffiniert, gebleicht, bestrahlt, besprüht, desodoriert, gehärtet, chemisch verändert, mit künstlichen Zusatzstoffen angereichert etc. Lebenswichtige Vitamine, Enzyme, Phytonährstoffe gehen verloren. Unser Körper schluckt die Kunstnahrung und versucht uns seine Abneigung dagegen mit Zeichen wie Müdigkeit, schlechter Haut, Übergewicht, Bluthochdruck, Energielosigkeit, Allergien, Krankheiten zu signalisieren. Die Signale verstehen wir nur nicht mehr, weil wir nicht mehr wissen, wie unser eigener Körper funktioniert. 

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Scalamari: Was sind Superfood? Was können sie?

Ela: Superfood sind auf geringstem Raum prall gefüllt mit Antioxidantien und Nährstoffen – hohe Nährstoffdichte wird das genannt. Eine kleine Menge genügt für den ganzen Tag. Meist beinhalten sie zudem lebenswichtige Nährstoffe, die den meisten Nahrungsmitteln heute gänzlich fehlen. Zu ihnen gehören zum Beispiel: Chia, Maca, Moringa, Goji, Brennesselsamen oder roher Kakao.

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Scalamari: Bei euch lernt man zum Beispiel auch eine Alternative zur herkömmlichen Stulle oder Pasta zu finden – ist Gluten und Weißmehl echt so schlimm?

Ela: Wenn die Pflanzen noch so wären wir vor hundert Jahren, wären sie für uns weiterhin verträglich. Aber es fanden Züchtungen für eine effizientere Produktion statt. Pflanzen haben heute einen viel höheren Glutenanteil, damit u.a. Maschinen den Teig besser verarbeiten können, aber nicht wir Menschen. Wir haben Beschwerden, aber wissen gar nicht, dass wir unter Lebensmittelunverträglichkeiten leiden. 

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Scalamari: Ich habe bei euch gelernt, dass Tofu und Sojamilch gar nicht der Fleischersatzguru bzw. Milchersatz schlechthin sind und Tofu genauso wie Milchprodukte unter Umständen total Banane sein können – kann man denn überhaupt noch was essen und vor allem: Werde ich davon dann satt? 

Vegan ist ein Trend und die Industrie bedient ihn erfolgreich mit Fertig-Ersatzprodukten. Wer sich damit ernährt, ernährt sich meistens einseitig. Egal wie das gekaufte Fertigprodukt aussieht, die Hauptzutat ist vorwiegend Soja. Soja wird traditionell über sehr lange Zeiträume (von Wochen über Jahre) verarbeitet und fermentiert. Dadurch werden unverträgliche Wirkstoffe abgebaut. Bei den industriellen, auch genmodifizierten Sojaprodukten passiert das nicht.

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Es gibt eine riesige Auswahl an gesunden Lebensmitteln, die viel besser satt machen als vieles Gewohnte. So kann auf köstliche und erfrischende Art und Weise mit lebendiger Nahrung, frischen blattgrünen Tonics, Smoothies und Gerichten der eigene Körper gestärkt, gereinigt und erfrischt werden. Der Tag kann leistungsfähiger mit mehr Energie, Konzentration und Gelassenheit gemeistert werden. Die Welt ist groß und die Welt der Botanischen Detox-Cuisine riesig! 

Scalamari: Inwieweit unterscheidet ihr euch mit euren Kursen und Angeboten von Trend-Ernährungsformen wie Paleo, Low-Carb usw?

Uns geht es nicht um einen Trend oder eine Diät. Detox, Raw Food und die Botanische Cuisine sind das naturbelassene Essen der Zukunft. Es geht ganz simple um die Wiederentdeckung und den Wert der natürlichen Kreisläufe (im Körper und in der Natur).

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Scalamari: Gesund ernähren – hast du 3 hilfreiche Tipps für den Einstieg?

1. Viel Blattgrün, als frisch gepresster Saft, im Grünen Smoothie oder als Salat und viel frisches Gemüse und Obst.                                   
2. Fertigprodukte meiden und nichts essen, wo sich die Zusatzstoffe kaum aussprechen lassen.
3. Bei allem entspannt bleiben und das Leben genießen.

Scalamari: So sieht mein kulinarischer Tag aus – was könnte die Alternative sein?

Frühstück: Brötchen mit Pflaumenmus dazu ein Glas Kaffee
Mittag: Cesars Salad und eine Cola Light
Abendbrot: Pasta Cabonara und ein Glas Weißwein

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Frühstück: Dein Frühstück ist stark säurebildend, nährstoffarm und macht dich nach kurzer Zeit wieder hungrig. Besser: Zuerst Trinken. Ein großes Glas mit frisch gepresster Zitrone und einer Prise Cayenne. Das reinigt und macht den Körper basisch. Danach einen großen Grünen Smoothie. Der macht langanhaltend satt, ist voller Nährstoffe und wirkt ebenfalls basisch auf den Körper.

Mittag: Trinken immer vor dem Essen, nicht dazu, das würde die Magensäure verdünnen und erschwert die Verdauung. Perfekt wäre ein frisch gepresster grüner Saft. Danach ein großer Salat deiner Wahl mit selbstgemachtem Dressing oder ganz simple mit frisch gepresstem Zitronensaft und einem Schuss Nama-Tamari.

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Abend: Frische Gemüsesticks im Nori-Wrap, dazu ein leckerer selbstgemachter Dip aus schwarzem Tahin, Miso und Zucchini.

Statt Weißwein lieber Rotwein. Noch besser reines, gefiltertes Wasser.

Während des gesamten Tages auf ausreichend Mineralstoffzufuhr achten, in organisch gelöster für den Körper geeigneter Form.

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Danke für das interessante Interview liebe Ela.

Fazit: Von den von uns gezauberten „Cornflakes“-Frühstücksalternativen war ich überrascht bis angetan. Richtig lecker und gar nicht wie in meinem Vorurteilskopf verankert ökomäßig fad. Der selbst gemachte Chia Pudding und der Wildkräuter-Smoothie gaben mir Power bis in den Nachmittag und ich war echt lang satt und überhaupt nicht müde wie sonst so oft. Ich werde nun mal versuchen, tiefer in die Materie der gesunden, ausgewogenen Ernährung einzusteigen und halte euch auf dem Laufenden.

12 Kommentare

  1. almidea

    finde ich alles superinteressant, nur: wer um himmels willen hat zeit für die zubereitung all dieser rohen gerichte inkl. samen über nacht einlegen etc. (ich nehme mal an, man möchte sich nicht immer nur von smoothies und säften ernähren)?
    was macht man auf reisen, bei einladungen etc? wie hat man als student/familie geld für tonnenweise chia und goji?
    und nein, ich habe keine teuren luxuskleider wo ich einsparen könnte!

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    1. Jana

      man muss ja nicht so stoisch sein. auf reisen und bei einladungen kann man ja flexibler essen. ist ja nicht ganz oder gar nicht.
      samen einlegen ist übrigens gar nicht zeitaufwendig: wasser in ne schüssel, tüte auf, samen rein. Maximal 30 sekunden. Erfordert nur ein wenig vorrausplanung. versuch’s mal 🙂

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  2. angelika

    das ganze ernährungsthema nähert sich auf gewisse art und weise immer mehr einem religiösem kult an, der bis aufs Blut verfochten wird. wir haben verlernt auf unseren eigenen körper zu hören und die zusatzstoffe regieren den komerziellen lebensmittelmarkt – da stimme ich der lieben Ela absolut zu. ob aber grüne smoothies die ernährungswelt retten werden wage ich zu bezweifeln…

    hier ein interessanter artikel aus der aktuellen brand eins zum thema „gut und böse“: http://www.brandeins.de/archiv/2014/alternativen/ernaehrungsmythen-vegan-vegetarisch-fleisch-zucker-gut-und-boese.html

    danke für die immer wieder sehr interessanten beiträge liebe Scalamari Jane! 🙂

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  3. Jana

    Danke für das interessante Interview. Mir sind erst am Wochenende die Flyer vom Botanischen salon in die Hand gefallen und ich hab mich schon gefragt, was das für eine neue Trend-Geldmacherei ist. Aber vielen von Elas Aussagen (v.a. zum Ersatzproduktstoff Soja) stimme ich doch sehr zu. Und es ist natürlich erfreulich, dass deine Öko-Klischees geschwächt wurden! 🙂
    Was ich nicht verstanden habe: ist mit RAW tatsächlich das klassische raw-food im Sinne von nicht über 40 Grad erhitzt gemeint? Denn das ist ja auch wieder eine sehr diskutable Sache, ob das nun wirklich unter allen aspekten so gesund und verdaulich ist…
    Oft übersehen wird meiner Meinung nach, dass ein Grundmaß an gesunder Ernährung (gut für den eigenen Körper und für die Welt) so leicht erreicht werden kann. Ganz ohne fancy, teuer, schwierig, langweilig oder zeitaufwendig zu sein.

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  4. mia dylan

    ich bin ja ein bisschen skeptisch, was die sogenannten superfoods angeht. klar, vollgestopft mit allem, was das herz begehrt, das wäre ein traum – aber zumindest die gojis stehen doch in heisser diskussion, gar nicht so bombe sondern reine geldmacherei zu sein, so lecker sie im müsli auch sind!

    ansonsten super interview, vielen dank. ich bin seit 12 jahren veggie und pflege „nach bestem wissen und gewissen“, lass mich aber immer gern inspirieren. nur den totalen kult kann und will ich nicht feiern. in erster linie aus geld- und zeitmangel (:

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  5. Lara

    Ich finde das mit dem RAW-Food und den Samen usw. ja auch alles ganz spannend. Folge dem Trend auch ganz gerne, wenn ich Zeit und Lust auf was frisches habe.
    ABER: es wird irgendwie nie richtig thematisiert, dass das ganze rohe Zeug ja gar nicht so gut ist für den Magen/Darm. Rohes Gemüse/Obst ist schwer verdaulich und wie vermutlich jeder schonmal gemerkt hat, bekommt man Blähungen bis hin zu Durchfall.
    Es wird immer nur auf das böse Gluten geschimpft, plötzlich hat jeder eine „Unverträglichkeit“. Dass es sich dabei aber eher um eine Art Auto-Immunerkrankung handelt, bei der man nicht nur ein bisschen Durchfall sondern sehr gefährliche Dünndarm-Entzündungen bekommt, wird irgendwie nie wirklich thematisiert. Symptome sind dann eher: Gewichtsverlust, Durchfall, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Depressionen. Klar, wenn man nach der Erkrankung sucht, dann ist sie gleich viel häufiger, aber rein symptomatisch ist die Häufigkeit weltweit eher so bei 1:3350 und nicht bei 1:3 wie man teilweise vermuten könnte, so oft wie man „Gluten-Unverträglichkeit“ neuerdings hört! Aber die Lebensmittelindustrie freuts! Da alles ohne Gluten ja gleich viel teurer ist!

    Naja, gut schmecken tuts natürlich schon, so ein grüner Smoothie, aber doch nicht immer und so verbissen. Ich mag es ja wirklich auch, aber oft bekommt man suggeriert, dass man ein schlechter Mensch ist ohne das ganze Grünzeug!

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  6. Laura

    „Es geht ganz simple um die Wiederentdeckung und den Wert der natürlichen Kreisläufe (im Körper und in der Natur).“ aber in diesem natürlichen Kreislauf, wo kommen denn da bitte die Chia seeds und Goji Beeren her? Denn ich habe ehrlich noch nie einen Goji Baum, oder die Chia Pflanze irgendwo in Europa gesehen. Anstatt diese ganze superfood Nummer zu machen, wäre da nicht regionales viel besser, weil von ganz allein superfood (weil hohe Nährstoffdichte bei egal welchem Obst/Gemüsen, weil auf gutem Boden gepflanzt und gewachsen) und auch noch wirtschaftlich gut, weil man die Bauern im Umland unterstützt und auch wegen des Carbon Footprints den man bei Goji, Chia& Co noch tiefer in die Erde brennt, wegen der lange Transportwege. Genug gemäkelt, das war ein schöner Artikel, der offensichtlich auf viel Resonanz stösst. Merci und herzlichen Gruß. Laura

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  7. Sibylle

    Der Artikel zeigt ja schon, warum viele Internationale es doch noch ein bisschen schwierig finden in Deutschland gesund zu essen. Während in den UK und US und Skandinavien zumindest Ernährung ein Massentrend geworden ist, hinkt Deutschland doch noch ein bisschen hinterher. Dabei finde ich es in Deutschland viel einfacher lokale und saisonale Produkte zu finden als in den UK. Muss auch nicht immer Bio & Öko drauf stehen. Kleine Betriebe haben es oft schwer gleich alle Kriterien zu erfüllen um den Stempel zu kriegen. Oft sind die Produkte aber besser als Massenöko.

    Richtig lecker und gesunde Rezepte findet man bei ‚Deliciously Ella‘ und ‚My New Roots‘. My New Roots ist mein Favorit, da sie immer HIntergrundinfos über die Zutaten gibt. Unangefochtener Favorit: Chunky chocolate buckwheat granola. Eine interessante Doku ist ‚Food Matters‘ – wobei ich dem Raw Trend auch noch ein wenig skeptisch gegenüber stehe. Roh gerne, aber nicht alles. Brokkoli und Co roh sind zB nicht gut für die Schilddrüse und Hormonproduktion. Das ganze no gluten Gedöns ist lächerlich. Wenn man Gluten verträgt ist alles gut, eine gesunde Mischung machts.

    Viel Spaß beim Ausprobieren und Schlemmen.

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  8. Anja

    Liebe Scalamari Jane, das ist ein richtig cooler Beitrag geworden!!! Mir gefällt besonders, wie die sympathische Ela vom Botanischen Salon es geschafft hat, ganz neutral die Problembereiche der heutigen Lebensmittelindustrie/-produktion und das Pro von Raw und glutenfreier Ernährung zu besprechen ohne dabei auf einen reinen Fingerzeig zu verfallen. Wirklich schön! Liebe Grüße, Anja

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