Wenn ich mich in den Biomarkt bei mir um die Ecke verirre, erfüllen die drahtigen Prenzlauer Berg Muttis mit ihren rotbäckigen Kids meistens jedes Klischee, was ich von Öko so habe. Ich will sie dann immer antippen und fragen: „Ist das Zeug was es hier zu kaufen gibt wirklich so viel besser? Besser für wen? Für mich, für den Planeten, für die Menschheit oder den Geldbeutel der Bioindustrie?“ Ich bin komplett überfordert mit dem Angebot an Lebensmitteln und pseudogesunden Ernährungsformen, die durch die Regale und Zeitungen geistern. Wie denn jetzt? Vegan? Raw? Glutenfrei? Oder doch einfach so wie’s grad in den Einkaufskorb fällt? Zeit also, mehr Licht ins Dunkle zu bringen.
Erste Etappe meiner neuen Reise – ich besuche den Botanischen Salon in Berlin Treptow. Erst seit kurzem betreiben Ela Papen und Jana Plewa diesen Raum, eine Art Kochschule für gesunde Ernährung in einem von der Französischen Lebensart inspirierten Salon, in dem man sich austauscht und lernt welche Lebensmittel, welche Zubereitungstechniken und welche natürlichen Tricks dem Körper gut tun. Ich nehme am vielversprechenden Kurs „Smoothies – das Botanische Frühstück“ teil und nutze die Gelegenheit zwischen selfmade Chia Pudding, Wildkräuterkunde und „Roh-Schoko-Erdmandelmilch“-Herstellung, um Ela mal ein paar gepfefferte Fragen zum Thema zu stellen – und Ela antwortet gepfeffert zurück:
Scalamari Jane: Im Ernährungsjungle ist es extrem schwierig durchzusehen – keiner weiß mehr, was das Beste für den Körper und die Umwelt ist – was ist für dich die klügste Ernährungsform und warum?
Ela: Die beste Ernährungsform ist die, die den Körper entlastet und ihm die Nährstoffe zur Verfügung stellt, die er braucht und optimal verwerten kann. 100% unbelastete Naturprodukte, so frisch und naturbelassen wie möglich, minimal verarbeitet, RAW mit viel Grünanteil (Chlorophyll) und wertvollen mineralstoffreichen Elixieren.
Mit dieser Ernährungsform setzt man gleichzeitig ein Zeichen für den Schutz natürlicher Ressourcen. Reines Wasser, saubere Luft, mineralstoffreiche Böden (Humus), das ist die Ur-Essenz für gesunde Ernährung und ein langes gesundes Leben.
Scalamari: Was macht RAW Food aus?
Ela: Raw Food bedeutet extrem hohe Produktqualität. Ein frisches, naturbelassenes, nährstoffreiches Lebensmittel, an dem nicht herummanipuliert wurde. Das ist heute gar nicht mehr leicht zu finden. Es wird verarbeitet, konzentriert, raffiniert, gebleicht, bestrahlt, besprüht, desodoriert, gehärtet, chemisch verändert, mit künstlichen Zusatzstoffen angereichert etc. Lebenswichtige Vitamine, Enzyme, Phytonährstoffe gehen verloren. Unser Körper schluckt die Kunstnahrung und versucht uns seine Abneigung dagegen mit Zeichen wie Müdigkeit, schlechter Haut, Übergewicht, Bluthochdruck, Energielosigkeit, Allergien, Krankheiten zu signalisieren. Die Signale verstehen wir nur nicht mehr, weil wir nicht mehr wissen, wie unser eigener Körper funktioniert.
Scalamari: Was sind Superfood? Was können sie?
Ela: Superfood sind auf geringstem Raum prall gefüllt mit Antioxidantien und Nährstoffen – hohe Nährstoffdichte wird das genannt. Eine kleine Menge genügt für den ganzen Tag. Meist beinhalten sie zudem lebenswichtige Nährstoffe, die den meisten Nahrungsmitteln heute gänzlich fehlen. Zu ihnen gehören zum Beispiel: Chia, Maca, Moringa, Goji, Brennesselsamen oder roher Kakao.
Scalamari: Bei euch lernt man zum Beispiel auch eine Alternative zur herkömmlichen Stulle oder Pasta zu finden – ist Gluten und Weißmehl echt so schlimm?
Ela: Wenn die Pflanzen noch so wären wir vor hundert Jahren, wären sie für uns weiterhin verträglich. Aber es fanden Züchtungen für eine effizientere Produktion statt. Pflanzen haben heute einen viel höheren Glutenanteil, damit u.a. Maschinen den Teig besser verarbeiten können, aber nicht wir Menschen. Wir haben Beschwerden, aber wissen gar nicht, dass wir unter Lebensmittelunverträglichkeiten leiden.
Scalamari: Ich habe bei euch gelernt, dass Tofu und Sojamilch gar nicht der Fleischersatzguru bzw. Milchersatz schlechthin sind und Tofu genauso wie Milchprodukte unter Umständen total Banane sein können – kann man denn überhaupt noch was essen und vor allem: Werde ich davon dann satt?
Vegan ist ein Trend und die Industrie bedient ihn erfolgreich mit Fertig-Ersatzprodukten. Wer sich damit ernährt, ernährt sich meistens einseitig. Egal wie das gekaufte Fertigprodukt aussieht, die Hauptzutat ist vorwiegend Soja. Soja wird traditionell über sehr lange Zeiträume (von Wochen über Jahre) verarbeitet und fermentiert. Dadurch werden unverträgliche Wirkstoffe abgebaut. Bei den industriellen, auch genmodifizierten Sojaprodukten passiert das nicht.
Es gibt eine riesige Auswahl an gesunden Lebensmitteln, die viel besser satt machen als vieles Gewohnte. So kann auf köstliche und erfrischende Art und Weise mit lebendiger Nahrung, frischen blattgrünen Tonics, Smoothies und Gerichten der eigene Körper gestärkt, gereinigt und erfrischt werden. Der Tag kann leistungsfähiger mit mehr Energie, Konzentration und Gelassenheit gemeistert werden. Die Welt ist groß und die Welt der Botanischen Detox-Cuisine riesig!
Scalamari: Inwieweit unterscheidet ihr euch mit euren Kursen und Angeboten von Trend-Ernährungsformen wie Paleo, Low-Carb usw?
Uns geht es nicht um einen Trend oder eine Diät. Detox, Raw Food und die Botanische Cuisine sind das naturbelassene Essen der Zukunft. Es geht ganz simple um die Wiederentdeckung und den Wert der natürlichen Kreisläufe (im Körper und in der Natur).
Scalamari: Gesund ernähren – hast du 3 hilfreiche Tipps für den Einstieg?
1. Viel Blattgrün, als frisch gepresster Saft, im Grünen Smoothie oder als Salat und viel frisches Gemüse und Obst.
2. Fertigprodukte meiden und nichts essen, wo sich die Zusatzstoffe kaum aussprechen lassen.
3. Bei allem entspannt bleiben und das Leben genießen.
Scalamari: So sieht mein kulinarischer Tag aus – was könnte die Alternative sein?
Frühstück: Brötchen mit Pflaumenmus dazu ein Glas Kaffee
Mittag: Cesars Salad und eine Cola Light
Abendbrot: Pasta Cabonara und ein Glas Weißwein
Frühstück: Dein Frühstück ist stark säurebildend, nährstoffarm und macht dich nach kurzer Zeit wieder hungrig. Besser: Zuerst Trinken. Ein großes Glas mit frisch gepresster Zitrone und einer Prise Cayenne. Das reinigt und macht den Körper basisch. Danach einen großen Grünen Smoothie. Der macht langanhaltend satt, ist voller Nährstoffe und wirkt ebenfalls basisch auf den Körper.
Mittag: Trinken immer vor dem Essen, nicht dazu, das würde die Magensäure verdünnen und erschwert die Verdauung. Perfekt wäre ein frisch gepresster grüner Saft. Danach ein großer Salat deiner Wahl mit selbstgemachtem Dressing oder ganz simple mit frisch gepresstem Zitronensaft und einem Schuss Nama-Tamari.
Abend: Frische Gemüsesticks im Nori-Wrap, dazu ein leckerer selbstgemachter Dip aus schwarzem Tahin, Miso und Zucchini.
Statt Weißwein lieber Rotwein. Noch besser reines, gefiltertes Wasser.
Während des gesamten Tages auf ausreichend Mineralstoffzufuhr achten, in organisch gelöster für den Körper geeigneter Form.
Danke für das interessante Interview liebe Ela.
Fazit: Von den von uns gezauberten „Cornflakes“-Frühstücksalternativen war ich überrascht bis angetan. Richtig lecker und gar nicht wie in meinem Vorurteilskopf verankert ökomäßig fad. Der selbst gemachte Chia Pudding und der Wildkräuter-Smoothie gaben mir Power bis in den Nachmittag und ich war echt lang satt und überhaupt nicht müde wie sonst so oft. Ich werde nun mal versuchen, tiefer in die Materie der gesunden, ausgewogenen Ernährung einzusteigen und halte euch auf dem Laufenden.