Eigentlich ist es egal, worum es in Astrid Rosenfelds zweitem Roman überhaupt geht, im Grunde ist die erzählte Geschichte nämlich so alt wie das Lesen selbst: Zwei Jungs, ein Mädchen und Drama. Bloß schreibt die Berliner Autorin so atemlos und wortgewandt von Herrn Murmelstein, den Gebrüdern „Fetti“ Karl und Lorenz, von Mathilde und der „Kratzlerin“, dass ich „Elsa ungeheuer“ schon ab Seite Eins so hastig verschlang wie Spaghettieis bei 30 Grad im Schatten. Jeder der auftauchenden Charaktere ist so skurril wie einzigartig und liebenswert, jede einzelne Zeile, jede Seite wichtig und phantasiereich und irgendwie auch wild. Aber zurück zum Anfang:
„Für manche Menschen scheint die Erde einfach nicht der rechte Ort zu sein, und meine Mutter Hanna war so ein Mensch. (…) Mit sechzehn hatte Hanna Stimmen gehört. Mit siebzehn durfte sie die Psychiatrie wieder verlassen und mit achtzehn auch die Neuroleptika absetzen. Übrig blieb eine grüne Mütze, die ein Arzt ihr geschenkt hatte. Auch noch zwölf Jahre später thronte sie Sommer wie Winter auf Hannas Haupt. Ein Talismann. Vor elf Tagen verschwand die grüne Mütze und Hanna Brauer, geborene Dohl, zog sich eine rosa Unterhose über den Kopf und sprang vom Balkon.“
Karl und Lorenz Brauer verlieren ihre Mutter, der Vater schiebt den Pferden die Schuld in die Hufen, fängt an zu trinken und vergisst zuweilen, dass er sich nicht nur seine zwei Jungs, sondern auch um eine Ferienpension kümmern muss. Glücklicherweise leben hier auch Dauergast Herr Murmelstein, der nach einem Autounfall „eigentlich nur ganz kurz bleiben wollte“ und die vielleicht älteste Dame der Welt, Frau Kratzer, die als Haushälterin seit Generationen weiter vererbt wird, gerne Innereien kocht und nur selten mit „Murmeltier“, der wiederum am liebsten von Fellatio und Frauen und Früher erzählt, einer Meinung ist:
„Ach Frau Kratzer, so einen Unfug habe ich schon lange nicht gehört. Niemandem, der am Kreuz hängt, gelüstet es nach Innereien. Ein kühles Bier, eine kubanische Zigarette, eine Fellatio, das sind letzte Wünsche, aber sicher nicht ein Teller Nierchen.“
„Herr Murmelstein, da sprechen Sie wohl für sich, aber ganz bestimmt nicht für den Sohn Gottes“.
„Er war auch nur ein Mann, meine Liebe“.
Irgendwann taucht die elfjährige Elsa, Tochter der bildschönen Mathilde, die sich mit ihrem neuen Mann auf Weltreise befindet, im Leben der gebeutelten aber optimistischen Brüder auf. Ein schräges Kind mit Streichholzarmen, das viel zu große Lackstiefel trägt, immerzu bunte Krawatten um ihre vermeintlich stämmigen Waden bindet und so frech, seltsam und eigenbrötlerisch ist wie kein anders Mädchen auf der ganzen Welt.
Jahre später ist Lorenz aufstrebender Maler, vielleicht sogar so etwas wie der Star der Branche, er redet von Pollock und verflucht das „Haifischbecken“, das sich Kunstszene nennt, während Karl, dessen Fett der Kindheit längst geschmolzen ist, noch immer versucht, Elsa zu vergessen. Teil 2 der Geschichte beginnt.
„Man kann über die Liebe eines kleinen, dicken Jungen lachen. Aber man sollte nicht.“
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