GIRLCRUSH-INTERVIEW // Anna Hankings-Evans
– „Mit Lippenstift gegen Rassismus!“

13.01.2015 Menschen, box3, Feminismus

Als ich am an meinem ersten Tag im Jahr 2015 aufgewacht bin, wusste ich, es wird ein tolles Jahr. Noch viel besser als 2014. Ganz ohne Gemecker und voller Tatsachen. Einfach machen steht da nämlich ganz oben auf der Liste. Genau wie bei Anna Hankings-Evans.

Anna ist mir aber keineswegs in meinen Tagträumereien über die kommenden Monate erschienen. Oft ist es nämlich so, dass es Nike oder auch Sarah angesichts der genialen Girls da draußen umhaut. Spätestens nachdem kleinen Kaffeeplausch und dem einen ganz bestimmten Facebook-Post von Anna: „Erfolgreich die letzten zwei Stunden 100 Pegidianer blockiert, mit Lippenstift gegen Rassismus!“ …war der girlcrush-Knopf gedrückt! 

 

Anna wird oft  Anna Akosua Bene genannt. Warum? Weil Akosua ihr ghanaischer Name ist, der sich aus ihrem Stammbaum (Ashanti-Volk) und dem Wochentag an dem sie geboren wurde (Sonntag) ergibt – und das wiederum im Süden Deutschlands. Nicht nur wegen ihrem aufregendem „multikulti“ Backgrounds tanzt sie manchmal auf so vielen Hochzeiten, so dass sie kaum mehr weiß, wo und wann ich überhaupt anfangen soll, euch von ihren tollen Projekten zu erzählen.

Beginnen wir deshalb chronologisch: 

Anna hat vor zwei Jahren ihr Jura Studium abgeschlossen, ist derzeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin unterwegs und schreibt  nebenbei ihre Doktorarbeit über Menschenrechte und Investitionen in Sub-Sahara Afrika/ Entrechtlichungsprozesse im Investitionsschutzrecht – Neokolonialismus. 

(So viel schonmal zum Thema Machen in 2015) Weil das alles nicht ausreicht, ist Anna ab und zu in Genf unterwegs und diskutiert ordentlich mit, wie zuletzt beim UN World Investment Forum.
Anna meint es ernst und möchte näher an den Problemen dran sein, etwas beitragen und große Fragen rund um das Völkerrecht lösen. 

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Dabei ist Leben und leben lassen für Anna ein großes Thema. Wie wichtig! Als Wissenschaftlerin dürfen dann nämlich auch mal die Highheels ausgepackt werden und der Lippenstift angesetzt. 
Kompetenzen werden ihr dadurch nicht abgesprochen. Was sie dazu sagt? Ciao Cliché: „Was denken die Menschen jetzt von mir, wenn ich als Juristin mit Nike Hurashes vor meinen Studenten stehe? Interessiert mich wirklich nicht mehr.“

Da wäre wir auch irgendwie schon beim nächsten Thema agelangt, Anna kann natürlich auch auf das Leben neben Doktorarbeit und Beruf nicht verzichten und ist auf den Straßen mit den Berlin Braves unterwegs, einer Laufgruppe, die es in sich hat. Denn: „Das Leben zählt auch!“. Und Reisen haben Anna seit jeher aufgezeig,t wie das Leben funktioniert. Ohne all die Erfahrungen, wäre sie nicht die Person, die sie heute ist.

Heute geht es also weniger um Mode, die Texte sind länger und die Gedanken neu. Alles andere erzählt euch Anna mal lieber selbst:

 

Was hat dich in den letzten Wochen beschäftigt und zwar so richtig heftig? 

Das gesamte letzte Jahr war thematisch sehr emotional, wie ich finde. Ferguson, Ebola, Extremismus, Pegida, Asylsuchende – und all das hat wiederum eine rechtliche Komponente, mit der ich mich auch beruflich auseinandersetzen muss. Beispielsweise wurde ich auf die Expertenliste der Freien Universität Berlin gesetzt und musste in diesem Zusammenhang einige Interviews zum „Thema Waffenlieferungen in den Irak“ geben. Alles wurde plötzlich so konkret, keine abstrakten Thesen mehr, sondern Menschenleben, die auf Hilfe hofften. Egal was das Völkerrecht nun dazu sagt. Mich hat das sehr mitgenommen. Es gab Tage, da bin ich in Trance aus meinem Büro gelaufen. Dann gab es wiederum Tage, da musste ich die Geschehnisse für ein paar Stunden ausblenden und mir Tierbaby-Videos angeschaut. In diesen Stunden habe ich mich tunlichst davor gehütet, Human Rights Watch aufzurufen. Letztendlich stehe ich voll und ganz hinter dem, was ich tue. Nur seine eigenen Kräfte sollte man nicht überschätzen.  

Aber es gibt auch Licht am Horizont. Meinen Ausgleich finde ich in Gesprächen mit meinen vier jüngeren Schwestern oder meinen Studenten. Ich hatte mich lange Zeit nicht getraut, Bestimmte Themengebiete anzusprechen. Ich war dann aber erstaunt, wie gut komplexe Zusammenhänge verstanden wurden. Das rührt mich immer sehr, was ich natürlich nicht zeige, weil ich ja eigentlich eine strenge Schwester & Dozentin bin! Tough love! 😉 

Und was wird dich in der Zukunft beschäftigen – Lust uns deine Träume und Vision zu verraten? 

Oh, das Weltenbummlertum treibt bereits sein Unwesen. Ich plane derzeit einen Forschungsaufenthalt in Südafrika. Ich möchte näher an dem Thema dran sein, über das ich forsche. Ich möchte Input bekommen, mich inspirieren lassen und natürlich reisen, nach Mozambique, Namibia, Sambia. Am besten mit Stift und Papier, für all die schönen und strapaziösen Erfahrungen, die man so sammelt. Da könnte ich Geschichten zum Besten geben… Ich steckte schon in einem Dorf in Ghana fest, ohne Geld für die Rückfahrt und wurde zum Glück von dem netten Taxifahrer Frederick zum nächsten Ort gefahren, um Geld abheben zu können. Ich wanderte auch schon nachts allein durch die Straßen Istanbuls und dachte, das wäre Smog, was so in meinen Augen brennt und nicht Tränengas. 

 Ansonsten plane ich so das übliche: Eine Revolution, die Gründung eines Fördervereins, meinen nächsten Halbmarathon und eine zukünftige Karriere bei den Vereinten Nationen in Genf (was man eben so macht in seiner Freizeit)… 

Bevor wir weiter quatschen, es ist unwahrscheinlich, dass dich hier keiner kennen sollte, aber wie siehst du dich so? Verrätst du uns deine drei Charaktereigenschaften: Was zeichnet dich so aus? 

Gerecht_Fair_zielstrebigfair & zielstrebig

albern_sportlichalbern & sportlich

streng_verträumtstreng & verträumt

 Wie gehst du mit aktuellen Themen, wie dem Alltagsrassismus um? 

Es kommt darauf an (sagt die Juristin). In den meisten Fällen reagiere ich. Manchmal geduldig und relativ gelassen. Das heißt, ich nehme ich mir die Zeit zu erklären und diskutiere („Das ist übergriffig, mir ungefragt in die Haare zu greifen.“). Manchmal nervt es mich aber auch einfach nur. Dann lächle ich und winke oder drehe mich um und gehe einfach. Das macht die meisten Menschen dann stutzig und sprachlos. Ich kann nicht jedweden Alltagsrassismus aushebeln. Die Gedanken sind bekanntlich frei. Alltagsrassimus lässt mich oft ratlos zurück, aber strukturelle und institutionelle Diskriminierung finde ich meist frustrierender. Ich wünschte mir, mich nicht so oft beweisen zu müssen… 

Mit wem würdest du sonst so gerne mal ein Wörtchen zum Thema Zivilcourage reden, um die Person von deiner Meinung und deiner Meinung vieler zu diesem Thema zu überzeugen?  

Ich würde gern ein ernstes Wörtchen mit all’ den Menschen reden, die schon einmal dabei zusahen, wie Menschen tätlich angegriffen werden. Bei Zivilcourage geht es meiner Meinung nicht darum, seine eigenen Kräfte zu überschätzen. Keiner muss sein Leben riskieren, um ein anderes zu retten. Auch rechtlich nicht. Aber wenn du kannst, dann schau doch nicht nur zu! So sehe ich das auch mit der Flüchtlingsaufnahme. Wir haben als Staat die Kapazität, Menschen in Not zu helfen, rechtlich sogar teilweise die Pflicht.  
Das mit der Zivilcourage kann eindeutig besser werden, aber ich bin zuversichtlich. Ich sehe Potential!  

Wie hat sich der Moment angefühlt, in dem du gemerkt hast, dass das was du gerade machst und für was du dich neben deinem Job und in deinem Job einsetzt das richtige ist?  

Das fühlt sich manchmal an, als hätte ich Fieber. Mir wird ganz heiß vor Aufregung und Ungewissheit. Ach, eigentlich jedes mal, wenn ich von meinem Forschungsprojekt erzähle. Ich bekomme fast immer zu hören: Wow, das ist ein wichtig Thema! Das setzt mich natürlich unter Druck, weil ich den Ansprüchen auch genügen möchte. Ich forsche ganz gern und liebe Bibliotheken. 
Ich werde schon auch manchmal als Träumerin bezeichnet, mit meinem Optimismus und Idealismus. Mag sein, dass es utopisch ist auf der gesamten Welt ein Mindestmaß an Grund- und Menschenrechte durchzusetzen. Das Regelwerk existiert ja bereits. Aber ich bringe schon auch den nötigen Pragmatismus mit. Ich sitze nicht auf meiner rosa Wattewolke und spiele auf der Gitarre, aber Utopie finde ich gar nicht so schlecht. Große Ideen leben doch auch immer von Utopien…

Anna

Welche Power braucht ein Girlboss und bist du selbst ein Girlboss?  

Ich bezeichne mich als Bosslady. Das ist der Name eines Modelabels, welches in Senegal von lokalen Unternehmen Kleidungsstücke produzieren lässt. Die Schneider bekommen den Hauptteil des Gewinnes ausbezahlt. Nachhaltigkeit und Fairness sozusagen. Das fand ich so toll und unterstützenswert, sodass ich mich in dem Second Hand Landen „Rag and Bone Man“ gleich einmal eingedeckt habe. 
Bossladies bleiben sich treu, tragen Lippenstift und ecken auch gerne mal an und das tue ich regelmäßig. Aber das wichtigste dabei ist, mutig zu sein. Was würdest du tun, wenn du keine Angst hättest…

 Was hat Dir deine Mama mit auf den Weg gegeben? 

 Meine schwäbische Mama hat mir mitgegeben keine Berührungsängste zu haben. Weder mit Menschen und noch deren Geschichten. Ich erinnere mit sehr gut an einen Freund, der aus Sierra Leone kam und uns seine Geschichten von der Flucht während des Bürgerkrieges erzählte. Bis heute höre ich gerne zu. Danke, Mama!
Mein ghanaischer Papa hat mir mitgegeben, niemals aufzugeben. „Anna, my daughta, morgen ist eine andere Tag zu anzugreifen.“ – Meine Schwestern und ich kichern dann immer, weil es so süß ist.

Was würdest Du einer Emma Watson oder Beyoncé zum Thema Feminismus mit auf dem Weg geben? Oft werden sie als die neuen Feministinnen nicht wahr oder ernst genommen. Und jetzt Du!

Frauenrecht ist kein abstrakter Begriff. Es ist eine persönliche Sache. Es geht dabei um mich und um dich. So ähnlich hatte das auch einmal Toni Morrison gesagt. Emma Watson’s Rede war kein Meilenstein in der Feminismus-Debatte, aber es war ein mutiger Schritt. Eine junge Frau stellt sich öffentlich hin und bezeichnet sich als Feministin. Das ist doch toll und kann man anerkennen, meine Stimme hätte da mit Sicherheit viel stärker gezittert. Wir müssen uns nur verdeutlichen, dass nicht alle Frauen gleich-privilegiert diesen Kampf kämpfen. Eine Migrantin kämpft in der Bewerbungssituation möglicherweise nicht nur den Kampf „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, sondern unter Umständen auch noch „gleiche Chance auf die Stelle“.
Grundsätzlich denke ich aber, dass man Popstar sein kann und trotzdem Feministin. Warum sollte das nicht funktionieren?! 
Meine absolute Lieblingsfrau ist in dieser Hinsicht Audre Lorde. Eine großartige Aktivistin, die sagte: „Und du wirst flirten und deine Nägel lackieren, dich schön anziehen und feiern gehen, denn, wenn ich nicht tanzen darf, möchte ich kein Teil dieser Revolution sein.“ – mein Lebensmotto. Ich lackiere mir abends auch gerne die Nägel und schmiede dabei meinen Masterplan! 

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„And you will still flirt and paint your nails, dress up and party, because, as I think Emma Goldman said, „If I can’t dance, I don’t want to be part of your revolution.“
 

Gibt es eine Person, die du für etwas bewunderst, was du am liebsten gleich selbst geleistet, erfunden oder geschrieben hättest? Einen Artikel? Ein Buch? Ein Film?

„Internationally acclaimed barrister Amal Alamuddin marries an actor“ – das war für mich wirklich einer der tollsten Überschriften und hat auf witzige Art verdeutlicht, dass Amal Alamuddins Errungenschaften sich in keinem Falle hinter denen von George Clooney verstecken müssen. Ihre Biographie ist sehr inspirierend… Ich hoffe, dass es zukünftig mehr solcher Schlagzeilen gibt, vielleicht mache ich ja auch irgendwann mal „Schlagzeile“.

Herzensangelegenheit: Wen würdest du gerne mal zum Weinen bringen, vor Begeisterung natürlich? 

Meine Ballettlehrerin Natalia. Ich habe als junges Mädchen zehn Jahre in einer russischen Ballettschule trainiert. Sie war immer sehr streng, was ich einerseits liebte, da ich ohne sie heute bestimmt weniger diszipliniert wäre, aber andererseits hätte ich ihr gern einmal eine Emotion herausgekitzelt, zum Beispiel, weil ihr meine Fouettés so gut gefallen (lacht). 

 Lässige Nummer: Mit wem würdest du gerne mal ein Teechen trinken gehen um etwas über … zu erfahren?  

Angela Davis. Der würde ich gern ein paar Frisurentipps entlocken (haha).

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Kurz und direkt:
Wärst du lieber doppelt so – stark oder schlau?

Ich glaube, ich wäre lieber doppelt so schlau. Man kann nie schlau genug sein.  

Laut demonstrieren oder still unterstützen?   

Aber, ich bin kein Fan vom Brüllen. Jedenfalls dann nicht, wenn man sich letztendlich nicht engagiert. Ich war auch kein Fan von BandAid und finde eine kritische Debatte darüber wichtig, aber es müssen auch Lösungsansätze und konkrete Konzepte entwickelt werden. Anstatt zu brüllen, wende ich mich dann lieber (leise) Projekten zu, an die ich glaube. Bei manchen Themen habe ich allerdings das ernsthafte Bedürfnis zu Brüllen. Pediga zum Beispiel, oder unserer Asylpolitik. Asylsuchende wird es ja bereits strukturell und institutionell schon unmöglich gemacht, gehört zu werden… Da brülle ich, gerne auch mit Lippenstift!

 Was schwirrt Dir sonst noch so im Köpfchen herum, verrate uns doch mal dein Lieblingssong mit Ohrwurmpotenzial und dein absoluter All-Time-Favourite?

 Ich höre gerade die ganze Zeit D’Angelo und „Betray My Heart“ von seinem neuem Album Black Messiah. Ich hätte nicht gedacht, nochmals etwas von ihm zu hören! Ich finde es wunderbar.

Auf der Tanzfläche mag ich es jedenfalls nicht monoton. Ich langweile mich viel zu schnell. Ich brauche deshalb ganz dringend Melodien. Gerne auch Texte zum Mitsingen, den Text muss ich dabei nicht kennen. Ich singe auch so mit. Ob Techno oder Azonto, 6 Stunden nur eine Sparte geht gar nicht – sorry Manu (mein bester Freund, der Techno-DJ ist!!!)

Deine liebsten fünf liebsten Instagram-Bilder und deine kleinen Anekdoten dazu:
(@ anna_akosua)

 1insta
Meine no-strech-vintage Levi’s Jeans, der Berg und ich (Südafrika)

2insta
Humpelnd nen Halb-Marathon in Soweto laufen und dann diesen Knirps sehen, der mir das Plakat entgegenstreckt (Seine gesamte Familie hat sich gebogen vor Lachen, weil er so schüchtern war)

3insta
Ohne Worte. This is Berlin. 

4instaDer Moment, wenn deine Frisörin dir einfach eine andere Frisur verpasst, als besprochen

Zu guter Letzt – Dein Tweet der raus an die ganze Welt geht, um sie ein bisschen besser zu machen / etwas zu verändern? Raus damit:  

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Mit Lippenstift gegen Rassimus – Die Frise sitz.

Danke für deine Gedanken, Ideen und deine Power, liebe Anna Akosua Bene! <3

8 Kommentare

  1. Kitsi Sebati

    As a woman, it is imperative to surround yourself with strong women! I’m so blessed and grateful to call Anna my friend. Anna is intimidatingly witty, stylish, beautiful, and professionally accomplished, and I look forward to watching her grow, and to be by her side!! True confidence is infectious, and my girl Anna, has most definitely got it going on!!

    Antworten

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