In den vergangenen Tagen stolperte ich immer wieder über kleine fiese Texte, über die „No-Gos“ von 2014, über „Auf-keinen-Fall-mehr-machen“-Listen und Überschriften wie „Was wir 2015 echt nicht mehr sehen wollen“. Zum Beispiel: Céline Trios. Marmor. Sandalen. Perlenschmuck. Weiße Turnschuhe. Herschel. Print-T-Shirts von Kenzo & Co. Bunte Socken. Amüsant und klickstark sind solch provokanten Stil-Anleitungen, die ganz bestimmt nicht immer hundsernst gemeint sind, und ein bisschen Wahrheit steckt sicherlich auch in ihnen, jedenfalls was die Omnipräsenz mancher Hype-Teilchen betrifft, aber jetzt mal ganz, ganz ehrlich: Ich soll also ernsthaft darüber nachdenken, meine geliebten Birkenstocks zu verbannen, bloß weil viele, viele Menschen da draußen die gleichen Latschen mögen wie ich? Weil irgendwer da draußen findet, es reicht? Mein Rucksack muss auch weg? Und der Perlenring? Ja, muss das denn alles sein?
Sollten wir das Modediktat und all seine sinnfreien Reglements denn wirklich noch weiter befeuern? Was ist denn das für eine Art, gewisse Trends zur obersten Prämisse zu küren, um selbige ein paar Monate darauf schon wieder wie heiße Kartoffeln fallen zu lassen? Wo kämen wir denn hin, wenn tatsächlich weiter am Mythos der unüberwindbaren Schnelllebigkeit gewerkelt werden würde, wenn wir diesem Schwachsinn der Fremdbestimmtheit in Sachen Mode jetzt doch wieder nachgeben würden? Waren wir nicht gerade dabei, uns darauf zu einigen, dass ein Jeder doch tun und lassen sollte, was er, sie oder es für richtig hält? Ohne Rücksicht auf Körperbau, Alter und – ja genau – Trends? Darauf, dass Durchatmen meist besser ist als atemlos zu sein, darauf, dass Mini-Trends zwar spannend, aber Tendenzen viel spannender sind?
Ich finde und hoffe und denke nämlich, dass die derzeit herrschende Tendenz „Freiheit“ schreit. Weil es nämlich nichts Schöneres gibt, als eine alte Hose wieder hervor zu kramen, als jahrelang die gleichen Turnschuhe durch das Leben zu tragen und gleichzeitig ganz viel Neues auszuprobieren, in Lieblingsstücke zu investieren, zu sparen auf das besondere Schätzchen im Schrank, aber ohne die „Angst“, dass man in der kommenden Saison schon wieder „out“ sein könnte, wo „out“ doch sowieso das schlimmste Wort des Jahrhunderts ist. Und noch etwas, liebe Modeblogger- und Magazine: Vergesst bitte nicht, dass wir, die sich den halben Tag die Birne mit Fummel zuknallen, schon einen halben Meter weiter sind, als der Rest der Welt. Meine Freundin Lena aus der Heimat zum Beispiel, die hat gerade erst ihre Liebe für Stan Smiths entdeckt – bis die vermeintliche Stil-Polizei um die Ecke bog und ihr einen kleinen Komplex ins Hirn pflanzte: Du bist zu spät dran! Nee, gar nicht witzig. Nicht lustig gemeint, nicht schlau, nicht hilfreich, diese Listen. Bloß überheblich, ein bisschen diskriminierend und entgegen dem, von dem wir alle träumen: Dass auch im echten Mode-Leben endlich jeder genau so sein darf, wie er oder sie sein will – ohne Augenrollen und schnippige Kommentare.