Wenn man sich fragt, weshalb es nur einer Handvoll deutscher Jungdesignern gelingt, in der Branche Fuß zu fassen, warum nur so wenige von ihnen es schaffen, ihre Kleidung an den Mann oder die Frau zu bringen, dann gibt es dafür häufig nur einen einzigen Grund, der aber so gewichtig ist, dass die schönste Optik nichts nutzt: Das Gezeigte funktioniert auf dem Laufsteg, nicht jedoch im echten Leben. Einer, der es geschafft hat, diese Schwachstelle endlich auszumerzen ist Hien Le. Im Grunde hätten man jeden seiner gestern gezeigten Looks für den kommenden Herbst augenblicklich eintüten und durch den Alltag tragen können, selbst Tillmann Prüfer vom ZEIT Magazin verriet mir später, dass er das ein oder andere Stück vom Fleck weg hätte überwerfen können – ob das wohl ein gutes Zeichen sei, fragte er noch, und ich bin mir ziemlich sicher: Ja, das ist es allemal, mir ging es nämlich ganz genau so. Hien Les Plan ist, wenn man das so sagen darf, also erste Sahne aufgegangen.
Früher, sagt der Designer, da habe es viel mehr Arbeitsbekleidung gegeben, Mode, die schön und zugleich praktisch ist, er denke stilistisch außerdem an Jane Birkin (ihr zu Ehren wurde die „Birken Bag“ designt, die nicht nur hübsch anzusehen, sondern auch praktisch sein musste), an die Filme der 50er und 60er Jahre, an Hitchcock oder die etwas aktuellere französische Komödie des Regisseurs Francois Ozon „8 Frauen“ von 2002. Für das Jetzt bedeutet das: Tunnelzüge an Hosensäumen und Sweatshirts, wir sehen außerdem einen Blaumann, diesmal wirklich in strahlendem Blau leuchtend und inspiriert von seinem Freund Vladimir Karaleev, es gibt abgewandelte Schürzen, die manchmal nur durch tiefe Seitenschlitze sichtbar werden, aufgesetzte Taschen und ungewohnt verspielte Details, die sich trotzdem im Rahmen des Hien Le’schen Minimalismus bewegen. Mein Lieber Hien – mir schwant, du bist angekommen. Strick und Wintermäntel wollen schließlich getragen und nicht nur bewundert werden.