New York Diary – Scalamari Janes erstes Mal – Teil 1
Fortsetzung: Ich ziehe mich an, anders als ich das in der Heimat tun würde. Hohe Schuhe trage ich und knallroten Lippenstift – am frühen Morgen. Berlin ist weit weg und mein schlechtes Gewissen inzwischen irgendwie auch. Weshalb hatte ich das nochmal?
Der Tag beginnt, die Stimmung ist hell, in meinem Kopf führen wir jetzt keine dreckige Affäre, sondern eine zarte Romanze – zumindest wünsche ich mir das so. Zeig‘ dich New York, jetzt lernen wir uns kennen – 24 Stunden bleiben uns.
Zum Frühstück setze ich mich zu einer Redakteurin, die ich am Abend davor beim Dinner flüchtig kennenlernte. Sie schimpft über die liederlich gekleidete, unfreundliche Bedienung. Mit strengen Blick, der sogar durch die übergroße Miu Miu Sonnenbrille gut erkennbar ist, stellt sie klar, dass es sie unter normalen Umständen in Teufels Küche bringen könnte mit mir, Bloggermädchen, an einem Tisch gesehen zu werden – egal wie nett ich sei. Ich nicke verständnisvoll und kippe mir meinen Green Smoothie hinter, noch bevor ich ausholen kann. „Aha“ denke ich und schiebe mein French Toast hinterher.
Auf unerklärliche Weise merken wir schnell, dass nicht nur unsere frisch gepressten Detox Säfte, sondern auch wir uns ziemlich grün sind und unter der jeweiligen Hülle noch ein bisschen mehr stecken könnte und so lässt es sich von nun an nicht mehr vermeiden, dass sich in diesem magischen Frühstücksmoment ein ungleiches New York Team bildet: Sonya, die „Big Apple“-Erfahrene, perfekt frisiert und manikürte Moderedakteurin mit Klamotten im Wert eines Kleinwagens am Leib und Scalamari Jane, die New York Anfängerin im zwei Jahre alten Zara Mantel und abgekauten Fingernägeln. Klasse.
Shit, ich muss hoch – mein Interview mit Illustratorin und It-Girl Langley Fox Hemingway beginnt. Die größte Suit im Ace Hotel ist für uns reserviert. Ich begrüße die zarte Urenkelin Ernests. Sie steckt im grafischen Mantel und ich versuche unbemerkt ihr Alter zu schätzen – ihre schmalen Arme und Beinchen lassen mich von 16 abwärts zählen. Sie ist unfassbar schön, freundlich, höflich – wahnsinnig begabt – gleichzeitig überlege ich, auf wie viel Prozent der New Yorker dies alles auch zutrifft plus saumäßig reich. Zusammen mit dem Desigual Team entwarf sie ausgewählte Kreationen für die Herbst/Winter Kollektion 2015 – damit ihr auch wisst, warum es überhaupt zum Treffen kam. Wir plappern, sie antwortet brav und ist It-Girl mäßig lässig mit ihrem Ring in der Nase. Ich ertappe mich, ihr nicht ganz folgen zu können, weil ihr Gesicht viel zu interessant ist, als ihm nicht die volle Aufmerksamkeit zu schenken. Ich sehe nur noch Wangenknochen, volle Lippen und Rehaugen die aus einem dichten dunklen Pony hervorblinzeln.
Ab zur Desigual Show – vor dem Lincoln Center findet sie also statt, die Amerikanische Version des Schaulaufs vor dem Schaulauf. Und wie Nike damals schon richtig auf ihrem Trip nach New York feststellte – ein Zelt bleibt überall ein Zelt und grauer Teppichboden sieht eben nirgends richtig schön aus. Die Leute – aufgerüscht und antoupiert – die besten Stöffchen aus dem Kleiderschrank gezuppelt und sich den Tee mit Wasser gekocht, bevor sie als Besucher, Fotografen oder Models zur Show pilgern – überall gleich.
Die Show ist vorbei – und nun? Ein bisschen Freizeit – trotzdem nicht genug, um all die Dinge zu sehen, die ein New York Ersti abhaken sollte. Ich verpasse also den Central Park, das Empire State Building, die Brooklyn Bridge, das Rockefeller Center und den Times Square und lasse mich stattdessen einfach ein paar Blocks zwischen Downtown und Midtown den Broadway entlang treiben. Es fühlt sich gut an hier zu sein, nicht gemütlich oder vertraut aber gut – es ist dieser kurze Schluckauf im Zwerchfell, wenn man aus den Gebäudeschluchten hinauf in den Himmel guckt und gleichzeitig Platzangst und Freiheitsgefühl in einem explodieren – das muss es sein, das Gefühl was sie alle meinen, wenn sie über dich reden.
Die Nase friert mir ein. Zerknautschte Gesichter rauschen hektisch über die Kreuzungen. Die Sirenen sind laut und allgegenwärtig. Manchmal blendet man sie aus. Hier gibt es so viel, sooo viel zu konsumieren. Bedürfnisse werden geweckt, befriedigt, geweckt, befriedigt. Hunger, essen, jetzt! Ein Foodtruck mit Hotdog – du bist meine Rettung – extra viel Sauercrowd packt er mir Crowdy drauf – dankeschön!
Am frühen Abend schleift man mich mit in den Boom Boom Room mit zu einer Verabredung. Ein Etablissement im Meatpacking District – ein legendärer poshy Night Club im Flair einer Business Sky Lounge der 60er Jahre. Langbeinige Gazellen mit kurzen Kostümchen und festgetackerten Lächeln schweben von Tisch zu Tisch. Nach ein paar Gläsern Moscow Mule erzählt uns Sophie, die New Yorker Kollegin von meiner neuen Freundin wie das hier so läuft mit der Liebe und der Romantik – die Sache scheint tatsächlich lächerlich einfach denn nach ihren Ausführungen existiert sie schlicht und ergreifend nicht, diese Liebe und diese Romantik, sondern es wird nach festen Regeln gespielt: Sie, erfolgreich, wunderschön und verständnisvoll sucht Ihn, erfolgreichen, (bestenfalls) attraktiven und in jedem Fall steinreichen Junggesellen. Drei Dates später kommt der Sex. Wer mit 33 heiratet ist spät dran. Affären sind auch nach der Hochzeit legitim und von der Frau geduldet, solang der Dogwalker weiterhin bezahlt werden kann. Ein Stück kandierter Ingwer bleibt mir in der Kehle hängen? Ernsthaft? Ich muss ins Bett.
Ein Dinner im hippen ACME NY, eine Nacht ohne Schlaf, der halben Minibar und einem Pastrami Sandwich später sitze ich schon wieder im Flieger nach Berlin. Zeit für ein Fazit:
Ich glaube ihnen, den Menschen, die behaupten, dass du sie irre machst, süchtig und dann einsam zurücklässt. Ich glaube aber auch denen sehr wohl, die sagen, dass du sie jeden Tag glücklich erfüllst und für die du die schönste und aufregendste Stadt auf der ganzen weiten Welt bist. Am Ende meiner Quicky Reise waren es wohl die Menschen, die mich hier so sehr begeistert und geflasht haben. Die kleinen Begegnungen, die im Kopf bleiben und mit denen man am Morgen beim Detox-Saft schlürfen noch gar nicht gerechnet hätte. So konnte ich in also kurzer Zeit zum Beispiel eine Freundschaft knüpfen, die unter anderen Umständen vielleicht nie zustande gekommen wäre.
Hier ist also vielleicht, ja vielleicht doch alles möglich? Danke New York!