Ich bin kein Fan von Food Trends, aber von gutem Essen. Ich verstehe die hohe Kunst der Selbstgeißelung durch freiwilligen Verzicht (auf kesse Kohlenhydrate, geile Gluten oder zauberhaften Zucker) nicht, den Appetit auf Experimente aber umso mehr. Ich habe keine Ahnung von Fisch und Fleisch, dafür koche ich bombenmäßige Chili Sin Carne. Kurzum: Ich kenne mich nicht aus, in keinster Weise, bloß mit Tischmanieren, aber auf meine Zunge ist ausnahmslos Verlass. Vor ein paar Monaten hätte ich mir beim Anblick einer Miniatur-Möhre samt millimeterdünner Möhrenhaube plus Möhrenschaum vor lauter Unwissenheit vermutlich also noch hämisch ins Fäustchen gelacht, ähnlich wie es Clairette an dieser Stelle tat. Was soll beim Herrichten dieses köstlichen Naturgewächses schon großartig schief gehen, richtig?
Heute weiß ich: Jede Menge. Auch, dass Polemik, wann immer Köche und Köchinnen involviert sind, die ihre Seele für jedes noch so zarte Möhrchen hergeben, fehl am Platze ist. Wollte man nun pöbeln, könnte man auch fordern: Wenn man keine Ahnung hat, ihr wisst schon. An diese Regel halte ich mich spätestens seit über sechs Stunden kulinarischem Genuss der Extraklasse, der mir kürzlich dank Chef’s Table beschert wurden – einer Netflix Original Serie, die zwar in Weltklasse-Küchen schaut, aber vor allem die vor Leidenschaft und Hingabe glühenden Persönlichkeiten, die Künstler und Kreuzundquerdenker dahinter portraitiert.
„You have your job, you have your little car, you have a place to sleep – and dreams are dead. You don’t grow on a secure path. All of us should conquer something in life. And it means a lot of work and a lot of risk.“
David Gelb, Regisseur der legendären Dokumentation „Jiro Dreams of Sushi“, begleitet in sechs knapp einstündigen Folgen jeweils einen Meisterkoch, angefangen bei der italienischen Koryphäe Massimo Bottura, über den Schweden Magnus Nillson, der mit gerade einmal 30 Jahren ein nur über einsame Wege zu erreichendes Top 50 Restaurant in der Einöde Fävikens leitet, bishin zum freigeistlichen Hippiekoch Francis Mallmann aus Patagonien. Jede Episode ist vollgepackt mit Inspiration, manchmal auch mit Tränen und ganz großen Gefühlen, mit Lebensgeschichten und Liebe, zum Kochtopf, zu unserer Erde, zu feinsten Gewürzen und dem Anderssein.
Um in pathetischen Worten fortzufahren: Chef’s Table hat mir ein Stück weit die Augen geöffnet, mich sensibilisiert für die kleinen Dinge auf dem Teller – und das, obwohl Kochsendungen für mich durchaus auch als Folterinstrument eingesetzt werden können. Anschauen, wirklich!