Vorgestern schlürfte ich gerade gerade noch schlaftrunken und selig einen Eiskaffee, als neben mir plötzlich ein paar Hennen gefundenes Fressen für einen ausgedehnten Lästerklatsch fanden. Das Thema: Instagram, oder besser, dessen verschallterte Benutzer. Im Kern handelte das Gespräch von Narzissmus, was mich wunderte, denn ohne das N-Wort (fast) kein Social Media. Und offensichtlich auch keine Themen für ein entspanntes Frühstück am Mittwochmorgen. Ich tat, was ich eigentlich nie tue, nämlich lauschen, sonst hätte ich womöglich irgendwann nach dem eigentlichen Problem fragen müssen und mich selbst in Teufels Küche begeben. Es kam also wie folgt:
Christina macht am laufenden Band Selfies, die findet sich schon ein bisschen geil. Ich kann Jennifer Instagram-Persönlichkeit nicht leiden, das macht mich echt aggressiv. Seit ich gesehen hab, was Melanie gepostet hat, hab ich gar keinen Bock mehr auf den Brunch am Sonntag. Laura postet sowieso nur noch ihre Beine, seit sie Sport treibt. Und überhaupt, Anne folgt mir nicht mehr, was soll der Scheiß. Ich fragte mich also wieder: Wer hat hier eigentlich wirklich das gottverdammte Problem?
Und schreiben wir bald traurige Gedichte, die Titel wie „Als Instagram meine Freundschaften zerstörte“ tragen? Denkbar. Bloß vermute ich, dass das Übel nicht bei den veröffentlichten Fotos, sondern bei deren Betrachtern liegt. Alle Welt redet von Privatsphäre, aber wo bleibt die Selbstbestimmung, wenn ich nicht mehr entscheiden darf, was ich auf meinen eigenen Kanälen zeige, wie ich mich abbilde und wie häufig? Jeder ist doch seines Glückes eigener Schmied, sagt man. Leider aber auch „L’enfer, c’est les autres“. Scheiß also drauf, kann man jetzt entgegnen. Ist aber offensichtlich gar nicht so leicht getan wie gesagt.
Erst kürzlich wurde ich in ein Gespräch verwickelt, das sich ausgiebig mit dem Auswerten der eigenen Follower beschäftigte, vor allem aber damit, wer neuerdings auf der „Du folgst mir nicht mehr, go fuck yourself-Black List“ steht. Als ginge es hier um echte Sympathien, um Zwischenmenschlichkeit. Beides sollte man allerdings tunlichst von Instagram trennen. Es gibt tatsächlich sehr viele Menschen, die sich sehr mag. Einigen folge ich trotzdem nicht. Es bringt mir nämlich nichts, quietschbunte Leggins zu sehen, die ich weder inspirierend noch schön anzusehen finde. Das ist ebenso meine Entscheidung wie die Nahrungswahl und Fütterungszeiten meines eigenen Accounts. Dass sich Selbst- und Fremdwahrnehmung hierbei nicht selten uneinig sind, ist gar keine Frage.
Im Prinzip ist es genau deshalb eigentlich so einfach: Folge nur jenen, die keine Aggressionen in dir hervorrufen und alle haben ihre Ruhe. Geht aber nicht, wegen des perfiden Voyeurismus, der in den meisten von uns schlummert, und der Neugier, die heimliche Freude am Schimpfen über Dinge, die sich der eigenen Auffassung von „sinnvoll“, „ästhetisch“ oder „nett“ entziehen. Ganz zu schweigen von der Missgunst-Keule, die, ich weiß, zwar viel zu häufig, aber oftmals zurecht geschwungen wird.
Auch hier wieder vom Nebentisch: Und diese dürre Pute mit ihren hunderttausend Follower, ich meine, was macht die überhaupt, das kann doch gar nicht sein. Doch, kann es. Und sie kann etwas, was du nicht kannst, nämlich Menschen von sich zu begeistern, warum auch immer. Wahrlich gibt es auf dieser Welt überaus erstrebsamere Talente, weshalb das Aufregen über selbige nunmal mindestens genau so überflüssig sein sollte, wie die Erinnerung an das gute alte „Gönnen können“.
Die Quintessenz meines Ausfluges in der drei Hennens mediales Gedankengut: Womöglich nehmen wir Instagram dann und wann ein bisschen zu persönlich. Dabei sind wir quasi natives, wir wissen doch, wie die Dinge laufen und dass das Abgebildete nur selten der Realität entspricht. Warum also schließen wir von bearbeiteten Bildern auf den Charakter und die geistige Konstitution dahinter? Das kann zwar manchmal positiv sein, meist aber ziemlich irre. Statt uns die Wangen rot zu reden über seltsame Posen und weiß der Herrgott was, sollten wir entweder lernen, uns für das Selbstbewusstsein, das Leben oder die Habseligkeiten der in unserer digitalen Blubberblase stattfindenden Personen zu freuen, oder aber den „Entfolgen“ Button drücken. Und sollte letzteres auch uns passieren, hilft nur die Einsicht, dass man es nicht allen recht machen kann. Am Ende zählt sowieso nur, dass du mit dir selbst in trockenen Tüchern steckst, alles andere führt nämlich tragischerweise auf der anderen Seite zu rein gar nichts und auf der eigenen im besten Fall zu einem kotzbrockengroßen Magengeschwür.