Um schonmal eins vorweg zu nehmen: Ich kann mir derzeit keinen schöneren Job vorstellen als genau den, den ich gerade ausübe, zwischen Bloggerdasein, Consultant und App-Co-Mami, trotzdem kommt es nicht selten vor, dass ich mich erklären muss, dass sogar Freunde den Überblick verlieren und Fremde Mails schreiben, die vollgestopft sind mit Fragen. Meist tritt im Angesicht der daraufhin von mir erklärten Arbeitsalltagsrealität beim Gegenüber ziemlich schnell so etwas wie Schockstarre ein, geprägt von Desillusionierung – aha, man muss sich also nicht bloß morgens die Nägel lackieren und nachmittags shoppen gehen? Keineswegs. Der Artikel „The Invisible Labor of Fashion Blogging“ hingegen kratzt schon ziemlich nah an der Wahrheit, wenngleich er sich vor allem auf weitaus größere Kollegen-Kaliber wie Chiara Ferragni bezieht. Was von Außen betrachtet den Anschein eines lustigen Online-Karussells mit allerlei Zuckerwatte dazwischen macht, ist am Ende nur ein stinknormaler Beruf, dem die Mehrheit im echten Leben womöglich nicht einmal mit einer Pinzette näher kommen mag, das ist jedenfalls meine Erfahrung. Ein typischer Satz von Interview-Partnern, die gerade erst erfahren haben, wie viel Zeit wirklich in so einem Projekt steckt: „Mit euch möchte ich nicht tauschen, da hab ich lieber Feierabend und Wochenende.“ Ich kann es ihnen nicht verübeln, obgleich ich selbst auch mit niemandem anderem tauschen mag und einen Teufel tun werde, mich zu beklagen. Dennoch wichtig für alle, die denken „Bloggen“ sei ein einziger Traum:
„Quite a bit of other “work” takes place behind the scenes, too, such as product launches, PR events, and conferences that require bloggers to sustain a frenetic schedule—sometimes with as many as 20-plus events in a week.“ Viel Freizeit bleibt da wirklich nicht. Was ok ist, wenn man das, was man macht, liebt.
Mehr als 20 Events stehen bei uns nicht an der Wochen-Ordnung, aber durchaus drei bis fünf. Ich verrate euch zudem kein Geheimnis, wenn ich kurz anmerke, dass selbst der kürzeste Beitrag irgendwie dem Hirn entspringen muss, oder eher gleich mehrere davon, über 300 Tage im Jahr, von denen viele in anderen Städten oder Ländern verbracht werden. Das heißt: Kontinuierliche Recherche, ob bewusst oder unbewusst. Die Hälfte der Zeit fließ allerdings in Redaktionspläne, besagte App und Beratungs-Aufträge, die über das, sagen wir mal „Jane Wayne Portfolio“ eintrudeln, man muss schließlich auch an die Zukunft denken und bleibt nicht auf ewig knackig und frisch. Dazwischen: Haufenweise Meetings. Kooperationen flattern nicht einfach so per Mail ein, sie müssen geplant und besprochen werden. Übrigens ein Drahtseilakt:
„(Bloggers)… have to appear authentic but also remain on brand, stay creative while tracking metrics, and satisfy both their readers and the retail brands that bankroll them. Many work up to 100 hours a week, and the flood of new bloggers means companies increasingly expect to not have to pay for partnerships. Meanwhile, the nature of the job requires obscuring the hard work and discipline that goes into crafting the perfect persona online.“
Heißt also: Egal, ob ich Liebeskummer habe, Grippe oder andere Wehwehchen, wegbleiben gilt nicht. Wie in einem ganz normalen Beruf eben, nur ein bisschen anders. Und die Arbeitstsunden? 100 ist oftmals eine realistische Zahl, meist sind es aber eher um die 60, Events ausgeschlossen, die packt man wie vieles andere, das erledigt werden muss (Buchhaltung!), abends und nachts noch oben drauf. “Your world revolves around promoting yourself and your blog while trying to run a business.”
Kommen wir zu den Geschenken, die hier besonders gern diskutiert werden. Fakt ist, dass die wenigsten Brands Budget haben. Nehmen wir als Beispiel Stine Goya. Die dänische Designerin kennen wir persönlich seit fast fünf Jahren, um die 30 Artikel haben wir bisher über sie geschrieben, weil wir das, was sie da kreiert wertschätzen und in die Welt hinaus posaunen wollen. Als Dankeschön fließt hier kein Geld, aber manchmal dürfen wir uns ein Kleid aussuchen. Wir freuen uns darüber genau so sehr wie ihr euch freuen würdet. Es trudeln nämlich entgegen aller Erwartungen nicht täglich zehn neue Päckchen ein.
„Holeva noted that people see bloggers getting free items and living a life that seems impossibly glamorous, when in reality, “it’s a lot of work and there’s a lot of competition.”
Und die Privatsphäre? Die leidet nicht immer, aber manchmal. “One of the biggest cons [of blogging] is that you always have to be on.” Da wird der Freund schonmal schnell als Fotograf zwischen Sonntagsfrühstück und Spaziergang missbraucht, weil man durch die am Wochenende entstehenden Fotos ein bisschen Druck aus dem Montag nehmen kann, obwohl man durchaus auch gewillt gewesen wäre, das Haus in Jogginghose zu verlassen. Dass man auf der Straße immer häufiger erkannt wird, ist Segen und Fluch zugleich, man freut sich nämlich über liebe Worte und High Fives, über echte Menschen hinter virtuellen Klicks, aber es kommt nicht selten vor, dass ich Kommentare unter Instagram-Bildern lösche, weil jemand „Ich habe gerade die ganze Zeit im Restaurant xy neben dir gesessen“ darunter schreibt. Ein komisches Gefühl, da muss man aufpassen, nicht paranoid zu werden. Aber: Selbst Schuld. Die Krux: Ein Blog ohne Gesicht dazu funktioniert nur in Ausnahmefällen. Und es gibt wirklich Schlimmeres. Trotzdem:
„Bloggers look like they have fulfilling careers, financial success, flexible schedules, and fun lives. But these creative mavens are ostensibly also regular women.“
Das ist womöglich der wichtigste aller Punkte. Und ich hoffe sehr, dass wir es mit Jane Wayne schaffen, das deutlich zu machen. Bloggen ist kein rosaroter Traum. Bloß mein ganz persönlicher Traumberuf.
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Bild oben: Instagram theblondesalad