Ich weiß gar nicht genau, wann ich mir in den vergangenen Wochen überhaupt einmal die Zeit dazu genommen habe, über mein neues Leben nachzudenken: So verrückt schnell ist die Zeit seit Wilmas Geburtstag gerast, so unwirklich ist der gegenwärtige Ist-Zustand und so absurd die Tatsache, dass ich wirklich eine kleine Tochter habe. Eine, die mir und ihrem Papa manchmal den letzten Nerv raubt, die so zuckersüß lächelt, dass ich sie pausenlos abknutschen könnte. Eine, die wie viele andere ganz schön mit ihrem Magen-Darm-Trakt zu kämpfen hat, Liebe unendlich aufsaugt und gerade dummerweise bloß bei Mama wirklich zur Ruhe kommt. Eine, die vom Schlafen tagsüber gar nicht so viel hält und auch abends über ihre 3,5 Stunden nicht hinauskommt. Eine, die mich seit sechs Wochen Tag und Nacht begleitet – und ohne die ich mir mein Leben gar nicht mehr vorstellen kann – und mag. Aus einer kleinen, zarten Maus, ist eine kräftige Nudel geworden. Aus ihrer vorsichtigen Mami, ein routinierterer Duracellhase – und ich weiß wirklich nicht, wann das passiert ist.
Wenn man schwanger ist, sprechen alle von der größten Veränderung im eigenen Leben, von schlaflosen Nächten und „Du kommst zu gar nichts mehr“-Prophezeiungen. Stimmt gar nicht, kann ich euch sagen. Alles ist natürlich manchmal anders, manchmal aber eben auch nicht. Vergessen ist Gold wert, die eigene Schmerzgrenze noch viel weiter weg als gedacht und jedes Minilächeln in diesem Minigesicht wird zur größten Trophäe des Tages.
Und das sage ich nicht bloß, weil man das so sagt, und überhaupt, weil alle Mamis das sagen (müssen) – das meine ich furchtbar ernst. Ich weiß überhaupt gar nicht genau, was für eine Mama ich werden wollte, ich weiß bloß, was ich nicht mochte – und ich glaube, beides funktioniert ganz gut. Zumindest bin ich ziemlich glücklich damit, irgendwie alles zu wuppen: Mal mehr, mal weniger gut.
Mama sein, selbstständig bleiben und sich als Partnerin neu entdecken: Ganz ehrlich, das alles klappt mal großartigst und an anderen Tagen eben kein bisschen. Der Endgegner ist die eigene Messlatte und wenn die mal wieder nicht erklommen werden kann und Wilma mit ihrer Schreierei alle Pläne zunichte macht, dann fällt das Nervenkostüm ganz schnell ineinander, Sarah, die alte Heule ist zurück und der Satz „Ich schaffe das alles nicht“ ist omnipräsent. Da helfen bloß der eigene Partner und Neu-Papa, die Mama in der Telefonleitung oder natürlich die Arme der liebsten Freundin. Kinder sind keine Maschinen, schon klar, bloß verdrängt man genau das ganz gern hin und wieder mal.
Nunja, was soll ich sagen: Es ist eigentlich alles wie vorher, bloß kommt neben dem Job eben noch eine 24/7 Leidenschaft hinzu: Stillen, wickeln, kuscheln, komische Laute von sich geben, ins Büro hasten, Menschen treffen, Pläne schmieden, Freunde treffen, weniger schlafen und überfordert sein – well hello, neues Leben. Bei jedem neuen Projekt fragte ich mich, wie wir das alles eigentlich schaffen wollen, wie das Plus überhaupt funktionieren kann. Ich will meine eigene Tochter ungern mit einem Job vergleichen, aber die Frage bleibt – und es gibt wohl bloß eine richtige und ziemlich dusselige Antwort: Man wächst mit seinen Aufgaben – und die hier neben mir, ist wohl die riesigste von allen.
Dass ich schon wieder voll arbeite, mag für die eine vollkommen normal, für die andere der komplette Wahnsinn sein: Und tatsächlich ist es irgendwas dazwischen. Gerade in diesem Moment zum Beispiel, an einem Tag, an dem mal wieder nichts geklappt hat, geht mir leicht die Puste aus. So sitze ich hier auf meinem Sofa, Wilma endlich schlafend neben mir und tippe diese Zeilen. Vielleicht haben wir manchmal einfach irgendwelche Schrauben locker, unsere tippenden Fingerchen ADHS oder in unserem Hirn fehlt bloß der Aus-Schalter, bloß können wir Zwei einfach nicht anders: Der Anspruch, sich selbst immer und an den verschiedensten Fronten furchtbar glücklich zu machen, hört einfach nicht auf. Und so liegt sie da, diese kleine rotblonde Maus, und lässt ihre Mama endlich arbeiten, E-Mails beantworten, Artikelchen tippen und somit zur Ruhe kommen. Es klingt völlig am Ziel vorbei geschossen, aber erst dann passt der Buchtitel „Völlig fertig, aber irre glücklich“ auch zu mir. Das neue Leben mit dem alten zu kombinieren, auch wenn es manchmal ziemlich anstrengend ist.
Mein Rezept, das vielleicht nur mir hilft: Ich mache mich frei von allen Ratgebern und höre stattdessen auf mich selbst und auf die Liebsten um mich herum. Wer soll auch besser wissen, was meine Tochter und mich glücklich macht, als meine innere Stimme und meine Herzmenschen, hm?
On top kommt Berlin: Würde es in meinem Bekanntenkreis und auf den Straßen Kreuzbergs nicht so großartige, kinderwagenschiebende Vorbilder geben, ich wäre wohl längst nicht so gelassen, so wenig angreifbar und so optimistisch, wie ich es gerade bin.
Ich dank euch also von Herzen, ihr da Draußen.