Verhütung ist und bleibt ein leidiges Thema: hormonell oder nicht? Erstmal die Pille? Ach ja, und wo bleibt eigentlich die Pille für den Mann?
Bei mir und meiner Periode war das früher so: Ich hasste sie, sie hasste mich. Jeden Monat tagelang Schmerzen, teilweise so heftig, dass ich kaum noch stehen konnte. Wie viele Folgen „Dawson’s Creek“ ich mit Wärmflasche auf dem Bauch im Bett geguckt habe! Irgendwann reichte es mir und ich stattete der Frauenärztin einen Besuch ab, meinen allerersten. Ich muss ungefähr 15 gewesen sein. Die Frauenärztin hatte sofort einen super Plan parat und der lautete: die Pille! Nun ja, warum nicht? Ich fand das alles wahnsinnig aufregend und fühlte mich sofort um 100 Prozent erwachsener. Nur so gerade eben konnte ich mich selbst davon abhalten, einen „Pillen-Alarm“ auf meinem Handy einzustellen, wie so viele andere Mädchen aus meiner Stufe. Denn was gab es Besseres als sagen zu können: „Ups, meine Pille ruft an!“? Sofort wussten alle: Die hat Sex! Wow!
Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Die Pille und ich, das war nichts. Dieses kleine weiße Ding löste bei mir eine Depression aus und ehrlich, ich habe mich nie wieder so schlecht gefühlt wie damals. Ich hatte keine Energie, kam kaum aus dem Bett oder die Treppe hoch, zog mich von allen zurück und war ständig am Rande eines Tränenausbruchs. Eines Tages kam meine schlaue Mama dann auf die Idee, einen Blick auf den Beipackzettel der Pille zu werfen. Und siehe da: Depressionen waren eine der Nebenwirkungen. Ich setzte die Pille ab und merkte schon bald einen Unterschied.
Mit den Folgen meiner circa dreimonatigen Pillenzeit hatte ich allerdings noch Jahre später zu kämpfen: Immer wieder hatte ich depressive Verstimmungen, die wie aus dem Nichts kamen und mich jedes Mal wie ein Schlag in die Magengrube trafen. Erst im Studium wurde es besser und heute kann ich sagen: Solche Tage habe ich vielleicht noch ein, zweimal im Jahr – und nicht wie früher, mehrmals im Monat. Mit der Pille habe ich es übrigens noch einmal versucht, so schnell aufgeben wollte ich nicht. Doch wieder zogen schwarze Wolken in meinem Kopf auf und wieder setzte ich das Ding ab.
So weit, so (un)gut. Verhütungsmäßig taten es Kondome schließlich auch und meine schmerzhaften Perioden bekämpfte ich mit Buscopan, Liebstöckeltee & Co. Als dann aber tatsächlich ein junger Herr auftauchte, von dem ich mehr wollte als nur ab und zu mit ihm ins Bett springen, musste eine dauerhafte Verhütungslösung her. Ich entschied mich für den Nuva-Ring. Der ist zwar auch ein hormonelles Präparat, wird aber vaginal eingeführt, wodurch die Hormone einen viel kürzeren Weg zur Gebärmutter haben. Für mich funktioniert das Ganze. Aber mein Horrortrip mit der Pille hat dazu geführt, dass ich ans Thema Verhütung kritischer rangehe. Zwei Dinge ärgern mich dabei besonders.
„Erstmal die Pille“ – und danach kommt lange nichts
Ehrlich gesagt: Ich würde mir natürliche Verhütung nicht zutrauen – mir fällt es schon schwer, zwei verdammte Male im Monat an den Nuva-Ring zu denken. Aber ich kenne einige Frauen, die sich ohne Hormone wohler fühlen und sicher verhüten, zum Beispiel mit der symptothermalen Methode: Dabei wird täglich die Temperatur gemessen sowie der Gebärmutterhalsschleim untersucht. Viele berichten allerdings, dass ihr Umfeld und Frauenärztinnen das eher so semi-optimal finden. Das sei doch unsicher, heißt es, und nur geeignet, wenn eine Frau schwanger werden wolle. Die Pille sei viel besser und ja heute außerdem ganz niedrig dosiert. Nicht zu vergessen die positiven Eigenschaften, bessere Haut zum Beispiel! Vom Symbol der sexuellen Befreiung ist die Pille zu einem Lifestyle-Produkt geworden, welches nach dem Motto „Erstmal die Pille“ als Heilmittel gegen alles Mögliche verschrieben wird. Dass sie außerdem noch ungewollte Schwangerschaften verhindert – ein netter Nebeneffekt.
Würde wirklich sexuelle Freiheit nicht vielmehr bedeuten, in Sachen Verhütung einen eigenen Weg zu gehen? Zu gucken, was zu einem passt – ob hormonell oder natürlich? Und sich nicht einreden zu lassen, nur weil gefühlt alle anderen die Pille nehmen, müsste man das auch? Das Thema Freiheit bringt mich dann auch zu meinem zweiten Punkt.
Die ganze Verhütungs-Verantwortung wird auf Frauen abgewälzt
In meiner Prä-Nuva-Ring-Zeit fragte mich ein männlicher Bettgenosse ganz entgeistert, warum ich denn nicht die Pille nehmen würde: „Ich bin jetzt einfach davon ausgegangen, dass du die nimmst!“ Ich fühlte mich angegriffen und irgendwie auch verantwortungslos: Waren Kondome alleine nicht doch viel zu unsicher? Gleichzeitig war ich aber auch wütend: Warum sollte es meine Pflicht sein, Hormone einzunehmen?
Klar, wenn es um Verhütung geht, haben Männer nicht annähernd so viele Auswahlmöglichkeiten wie Frauen. Ihnen bleibt im Prinzip nur das Kondom – oder die Sterilisierung (der Coitus Interruptus, das haben wir hoffentlich alle in der Schule gelernt, ist keine Verhütungsmethode!). Denn bisher sind alle Versuche, eine Pille für den Mann zu entwickeln, gescheitert.
Momentan gibt es wieder vermehrt Bemühungen, Verhütungsmethoden für Männer zu entwickeln. Zum Beispiel Vasalgel, eine Substanz, die in die Samenleiter injiziert wird und dort die Spermien blockiert. Und auch die männliche Pille ist wieder im Gespräch: In Japan haben Forscher in Tierversuchen die Fruchtbarkeit bei Mäusen erfolgreich reduziert, indem sie das Enzym Calcineurin blockierten, welches essenziel für die Produktion von Spermien ist. Ein vielversprechender Versuch stammt sogar aus dem deutschsprachigen Raum: das Bimek Samenleiterventil (SVL). Es ist nach seinem Erfinder Clemens Bimek benannt (Erfindungen nach sich selbst zu benennen ist schon so ein männliches Ding, oder?). Das SLV wird in die Samenleiter im Hodensack implantiert und kann von außen durch die Haut des Hodensacks geöffnet oder geschlossen werden. Ist das SLV geschlossen, leitet es die Spermien aus dem Samenleiter ab und diese können nicht mehr ins Ejakulat gelangen. Vorteil: Das SLV hält lebenslang!
Bis all diese schönen Präparate und Maschinchen – hoffentlich – auf den Markt kommen, muss Frau sich leider weiterhin um die Verhütung kümmern. Und da sollte jede einfach herausfinden, was am besten zu ihr passt. Was nicht heißt, dass Männer aus der Verantwortung entlassen werden sollten: Kondome kann jede(r) kaufen. Und es spricht auch nichts dagegen, sich die Kosten für die Verhütung zu teilen.
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Von Julia Korbik
Julia Korbik ist freie Journalistin und Autorin. Das Kompliment vom Sportlehrer, sie mache Liegestütze so gut wie ein Junge, fand Julia Korbik schon in ihrer Schulzeit daneben. In Frankreich und Deutschland studierte sie European Studies, Kommunikationswissenschaften und Journalismus – und ärgerte sich über Leselisten, die nur männliche Autoren enthielten. Bevor es sie 2012 nach Berlin und zum Debattenmagazin The European verschlug, arbeitet sie u.a. für die WAZ und Cafébabel. 2014 erschien Julias Buch Stand Up. Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene (Rogner & Bernhard).