Was passiert eigentlich wenn der Beziehungsdrops offiziell beidseitig aufgelutscht ist, die Scherben weggekehrt wurden und jeder wieder seine eigene Single-Suppe kocht, dabei immernoch mehr oder weniger stark aus kleinen oder großen hinterlassenen Fleischwunden am offenen Herzen blutet. Immerhin teilt man sich ja leider noch die gleiche Stadt, die gleichen Social Media Plattformen, den gleichen Freundeskreis und häufig sogar den gleichen Planeten. Ist es überhaupt möglich den guten alten „Schlussstrich“ unter das „uns“ zu ziehen – oder handelt es sich da eher um den ewigen Schlusskreis? Und geht das dann nur mit hochgezogener Mauer durchs ehemalige Liebesland? Oder kann man sich da irgendwie „arrangieren“ – und will ich das überhaupt? Mit Ende zwanzig kannst du ja schlecht im Morgengrauen mit dem Schlüssel an seinem Kia Picanto langratschen, nein, da benimmt man sich so erwachsen wie möglich. Richtig? Aber gibt es für die täglichen Post-Beziehungs-Konfrontationen eine offizielle Guideline, einen Knigge oder ein Tafelwerk woran man sich krallen und sich im Zweifel vor Gericht berufen kann? Was würde Drake tun, ist doch hier die Frage?
Ich denke manchmal, ich bräuchte dringend so ein Regelwerk. Denn mich beschlich schon mehrmals die Befürchtung, auf diesem Schlachtfeld jegliche Bildung versäumt zu haben – nichtmal Bauernschläue würde ich mir da zuschreiben. Vorgestern bin ich zum Beispiel meinen frisch gebackenen Exfreund auf Tinder begegnet – diese Situation glaubte ich fachmännisch mit Humor entkrampfen zu können: „Hej naaa, öfter hier? Was steht eigentlich in den AGB für diesen Fall?“ tippte ich in sein Fenster. Entgegen meiner Erwartungen blieb er stumm und verließ meinen Monolog mit dem „Entmatchungs-Button“ durch die Hintertür. Autsch.
Und wie verhält es sich mit Social Media? Folgt man sich da weiterhin, liked, kommentiert oder ignoriert die Alltagsbilder des Anderen mit erloschenem Herzen aber milder Menschlichkeit aka „Freundschaft“? Oder doch lieber gleich radikal alles wegblockieren, entfolgen und Schnittstellen mit wehenden Fahnen kappen (aber trotzdem weiter gucken)?
Oder Stichwort gemeinsame Stammpizzeria: Ist das jetzt Tabu da mit einem freundlichen Lückenbüßer von nebenan Burrata essen zu gehen, so wie ihr das sonst immer irre romantisch gemacht habt, oder gerade richtig angebracht um alte Erinnerungsschleifen mit neuen schönen Erlebnissen in Olivenöl zu ersaufen? Ich bin inzwischen sehr für die Überschreibernummer – denn einen heiligen Schrein für Orte, Musiken und Erinnerungen zu bauen, ruft nur unglückliches, bewegungsunfähiges Eremitenleben hervor.
Ich musste mir meine Stadt auch jedes verdammte Mal erst wieder zurückerobern. Es gab eine Zeit, in der konnte ich den Fernsehturm nicht mehr ertragen – bei seinem Anblick fing ich direkt an zu kotzen, weil er doch immer das erste war, was ich damals aus dem Schlafzimmer meiner damaligen großen Liebe sah – jeden Morgen. Und dann steht er da, der Kotzturm, vor mir am Alex, zeigt mit dem Finger auf mich und lacht wie ein ewiges Mahnmal unserer zerbrochenen Kack-Beziehung. Ich würde diesen Mast immernoch manchmal liebend gern absägen und ihm sonstwo hin rammen. Aber selbstverständlich passt das genau so wenig zu den unausgesprochenen Benimmregeln unter Exfreunden wie ihm nach vier Jahren eine Nachricht zu tippen in der steht „Hey du, stehe grade vorm Fernsehturm und musste an uns denken, weißt du noch?“.
Trotzdem, die Impulse die da ab und zu in uns hochbrodeln, finde ich berechtigt und richtig und manchmal auch ziemlich wichtig, ihnen (mit einigermaßenem Menschenverstand) nachzugehen – denn wer hat gesagt, dass man sich immer erwachsen und kontrolliert verhalten muss? Wer sagt, dass verloren hat wer sich zuerst meldet oder es ein Rückschritt auf dem Heilungsweg ist? Wer sagt, dass nicht auch Aua-Funken und Begegnungen manchmal noch ihren Sinn erfüllen können? Eben, niemand – kein Post-Beziehungs-Knigge, kein Tafelwerk. Ich hab das damals eh nie zu benutzen gewusst. Love is a Battlefield und keine Formelsammlung.