Kolumne //
Von Basilikum-Menschen.

13.01.2016 Leben, box2

Jetzt sitze ich hier also in meiner Küche, in der linken Hand brennt eine Parisienne. Ich rauche manchmal, weil die Zeit nur mir gehört, solange es qualmt. Der Basilikum auf der Fensterbank lässt die Blätter hängen, aber im Vergleich zu dem, was draußen geschieht, wirkt er überaus lebendig. Vielleicht sind wir uns sogar ähnlich. Wir beide schaffen es, im direkten Vergleich mit der Gesamtscheiße noch ziemlich frisch zu wirken. Und immer dann, wenn die endgültige Dürre droht, kommt jemand und kippt uns kaltes Wasser in die trockenen Kehlen. Hallo, wach. Hauptsache noch ein bisschen lebendig fühlen, auch wenn es weh tut. Alles ist doch besser als braune Stellen vom Liegenbleiben. Ich muss es wissen, denn ein paar Monate lang bin ich nur aufgestanden, um einen Fuß vor den nächsten zu setzen, der Routine zuliebe, man funktioniert dann wie ein Duracell-Affe, der gelernt hat, mit lauten Becken gegen die Tristesse anzuschlagen. Nur erträgt man irgendwann den eigenen Lärm nicht mehr, man sehnt sich nach Ruhe. Oder danach, in Ruhe gelassen zu werden, von Gedanken und Sorgen und denen, die es immer besser wissen wollen.

Es muss ein Samstag gewesen sein, als ich am selben Ort saß wie jetzt gerade, auf dem gleichen Stuhl, der schon lange wackelt, bloß hielt ich keine Zigarette fest, sondern die Hand einer Freundin. Du bist schön. Du bist schlau. Du bist wichtig. Weißt du noch? Es ist leicht, jemand anderem dazu zu raten, Träume loszulassen, die längst außer Reichweite geraten sind. Wenn man liebt und nur das Beste will für diesen Freund, der nicht genug eigene Kraft zu haben scheint, sich zu befreien. Oder an sich zu glauben. Daran, dass immer alles gut wird, solange man nur den Willen nicht verliert. Bloß liebt man sich selbst oft nicht genug, um Veränderungen im eigenen Leben ebenso furchtlos durchzusetzen; auch die Gewissheit, dass alles anders werden muss, um besser sein zu können, reicht da nicht aus. Vielleicht muss es erstmal schlimmer werden. Denn auch ich verbrachte noch viele Abende mit weisen Worten, die ich eigentlich hätte an mich selbst richten sollen.

Basilikum-Menschen, solche, die ziemlich lange vor sich hin vegetieren können, ohne wirklich schlapp zu machen, haben ein Problem: Es geht ihnen zu gut. Irgendwo tief in ihnen schlummert wohl ein derart unbändiger Selbsterhaltungstrieb, dass das Ausmaß der Vernachlässigung eigener Ansprüche stets erst dann sichtbar wird, wenn Sorgen-Käfer fransige Löcher ins sonst so saftige Fleisch gefressen haben. Aber selbst dann noch bleibt das Pflänzchen stark, es steht dort einfach in seinem Topf herum und wird immer weniger – bis nichts mehr von ihm übrig ist.

Ich tätschelte gerade schuldbewusst an zwei vertrockneten Blättern herum und fragte mich, ob es ok ist, mehr zu wollen, wenn man doch eigentlich alles hat, als ich schließlich an jemanden denken musste, der offenbar schon viel früher kapiert hatte, dass wir am Ende nur uns haben. Und dass wir deshalb gut zu diesem einen Ich, zu diesem einen Leben und Körper sein sollten. Sehr gut sogar.

Dieser Jemand jedenfalls verbringt die Wochen zwischen den Jahren regelmäßig in einem Schweigekloster. Lange nahm ich an, Traurigkeit sei der Grund dafür – sowas würden schließlich nur Leute praktizieren, die sich hundeelend fühlten oder mindestens nach dem Sinn des Lebens suchten. Auf besorgtes Nachfragen folgte aber stets eine ziemlich nüchterne Erklärung, ein einfacher wie schlauer Gedanke, der kurz nachdem er zum ersten Mal ausgesprochen war durch mein Hirn jagte wie eine Abrissbirne: Die Leute meinen immer, man müsse nur etwas ändern, wenn alles beschissen ist. Die Allermeisten sind aber „in Ordnung“, sie sehen keinen Grund für Veränderung. Ich will nicht in Ordnung sein. Sondern scheißeverdammtglücklich. 

Ich bin jetzt glücklich ohne scheißeverdammt davor, Steigerung möglich, aber dazu braucht es vor allem Zeit und sogar Routine. Selbst ausgesuchte Routine wohlgemerkt, mit mehr Freiheit, mehr Lio, mehr Abenteuer und weniger Stillstand. Ich wohne jetzt nur noch mit einem Jungen zusammen und bin wohl das, was man gemeinhin Single Mom nennt, aber trotzdem nicht alleinerziehend. Lios Vater und ich haben es geschafft, uns in Freundschaft zu trennen, weil wir perfekte Eltern sind, aber kein gutes Paar waren. Seit wir das wissen, werden die braunen Stellen langsam wieder grün. Und manchmal legen wir uns sogar gegenseitig frisches Basilikum auf die Pasta, in der Gewissheit, dass unser Sohn ein Kind der Liebe ist. Wir lieben uns jetzt bloß anders.

71 Kommentare

  1. Carolin

    Liebe Nike,
    vielen Dank für diesen schönen und sehr persönlichen Text! Ich wünsche dir von Herzen alles Gute, ganz viel Mut und Selbstliebe für die kommende Zeit! Ich bin auch so eine Basilikumpflanze, die erst was ändert, wenn gar nichts mehr geht.
    Viele Grüße

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  2. Renate

    Ganz viel Liebe von mir und einen dicken Drücker ! Es geht auch irgendwie weiter und es wird wieder gut ! <3 Renate

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  3. Jara

    Das Bild mit dem Basilikum ist so treffend, bei mir ist es glaube ich der Brotberuf, der die braunen Stellen macht. 🙁 Vielleicht schreibst du ja eines Tages einen Roman in dem Stil, der wäre bestimmt toll! 🙂 Alles Gute für dich!

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  4. Susann

    Echt stark, liebe Nike! Chapeau! Danke für so viel Offenheit.

    Falls du dich auch mal der klösterlichen Stille hingeben willst: Neben dem Studium koche ich zweimal im Jahr jeweils für ’ne Woche vegane Suppen für die TeilnehmerInnen der Einzelexerzitien mit Fasten und Schweigen auf Stift Göttweig in der Wachau, Österreich. Bevor ich als Suppenköchin rekrutiert wurde, habe ich selbst zweimal teilgenommen – und kann diese Erfahrung nur empfehlen! Falls du irgendwann mehr erfahren möchtest, schreib‘ mich einfach an.
    Alles Liebe!

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  5. lilli

    Ach Nike, du bist toll und ich bin sicher ihr drei packt das auch im neuen Familienmodell! Schön, dass du dir immer treu bleibst.
    Alles Gute wünsche ich dir <3

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  6. Schnatie

    Adorable! Die Worte sind von der Gänsehaut aufgefressen worden, die mir den Rücken hoch und runter rennt.

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  7. Lena

    Toller Text, toller Vergleich. Ich wünsche Dir weiterhin ganz viel Kraft auf dem Weg zu scheißverdammtglücklich!

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  8. Anna

    ich hab gänsehaut und tränen in den augen. ich kann so viele gedankenpunkte 1 zu 1 nachvollziehen und schelte mich selber oft für das gefühl mehr zu wollen, obwohl das meinige konstrukt doch nach außen hin schon so perfekt scheint.

    ich bewundere dich für so viel mut, das kann nur belohnt werden! ganz ganz viel glück und freude wünsche ich dir von ganzem herzen.

    <3

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  9. Katja

    Danke für die Offenheit! Und alles Gute Dir!
    Ich pack mich derweil an die Nase und betrachte ein bisschen eindringlicher die braunen Stellen, vor allem die, die immer schreien: Bei allen anderen läufts perfekt, wie machen die das?
    Ach so, machen sie gar nicht. Ist nur der eigene Angstfilter.
    Weg damit.

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  10. Ragni

    Auch wenn ich Dich nicht kenne, tut mein Herzchen ein bisschen mit weh. Nach außen wirkt de Blogwelt doch meistens so perfekt. Bewunderung für Deine starken, wahren Worte. Alles Gute trotz dem ganzen Neu und dem sicher nicht immer Einfach.

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  11. Berenike

    im Grunde ist das total verrückt: wir beide kennen uns gar nicht und trotzdem schaffst du es, dass deine Worte so voller Authentizität sind, dass sie unbeschadet durch all die unsichtbaren Bits und Bytes, durch Kabel, den Äther direkt im Herzen landen und dort das Bedürfnis erzeugen, viel Wärme, Mut, Glücksstrahlen und Sonnenflut zurückzuschicken auf den Weg irgendwo durch die Digitalität, wo sie am Ende hoffentlich ein wirklich wahres reales Lächeln in dein Gesicht zaubern!
    Danke für so viel Ungeschminktheit! Und alles Gute und den Zauber des Anfangs für euren etwas anderen Neubeginn als hoffentlich immer gut gegossene, grün strahlende Kräuterfamilie! 🙂

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  12. Sabine

    Dieser Text hat mich berührt. Ich bin tatsächlich so, dass mich bereits ein „in Ordnung“ glücklich macht – wobei es dann ja schon wieder viel mehr als „in Ordnung“ ist. Was ich meine…, ich strebe nicht besonders ausgeprägt nach Optimierungen meines Lebens… und doch erkenne ich mich in deinen Worten wieder.

    Du schreibst sehr sehr toll, so bunt, kreativ, strukturiert und lebendig – das habe ich schon oft gedacht. Selbst Geschriebenes ist eine so große Hilfe, mit nicht ganz leichten Situationen des Lebens umzugehen, vielleicht sollte ich auch mal wieder öfter tippen…

    Alles Liebe für dich und deine Familie!

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  13. Fräulein Julia

    Liebe Nike, am Ende dieses Textes musste ich schlucken – damit hatte ich gar nicht gerechnet. Da ich selbst vor einigen Tagen „in freundschaftlichem Verhältnis“ verlassen wurde, berühren mich deine Zeilen jetzt noch mehr. Halt die Ohren steif, „et hätt noch immer joot jejange“, weißt du doch, und dem Basilikum werden alsbald stramme neue Blättchen wachsen!

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  14. Anna

    Mutig und schön!
    Kennst Du den Spruch hier:?!
    „Here is the world. Beautiful and terrible things will happen. Don’t be afraid.“

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  15. Sarah

    Liebe Nike,

    Deine Texte und Deine Worte sind immer ganz wunderbar. Pass gut auf Dich auf und ganz viel Respekt vor den mutigen Schritten, die hinter Dir und vor Dir liegen.

    Noch ein Gedanke: Vielleicht ist das Ziel gar nicht ohne Angst zu leben. Vielleicht bedeutet mutig sein gerade sich mit und trotz Angst zu verwirklichen. Das macht es ja auch aufregender. 🙂

    Bitte diese Kategorie ganz unbedingt beibehalten und weiter ausbauen? 🙂 Das wäre sehr schön.

    Viele liebe Grüße
    Sarah

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  16. VM

    Danke für deine Worte. Danke für so viel Ehrlichkeit. Du hast es einfach drauf, Nike!!
    Und außerdem fühle ich mich grad etwas ertappt… Bin ich etwa auch ein Basilikummensch???

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  17. Kerstin

    DankeDankeDanke, liebe Nike. Das ist bei mir aber gerade zur richtigen Zeit reingeplumst.
    Euch viel Glück und frohen Mut!

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  18. Lena

    Stufen

    Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
    Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
    Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
    Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
    Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
    Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
    Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
    In andre, neue Bindungen zu geben.
    Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
    Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

    Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
    An keinem wie an einer Heimat hängen,
    Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
    Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
    Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
    Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
    Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
    Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

    Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
    Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
    Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
    Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

    – Hermann Hesse

    Ich wünsche dir ganz viel Liebe. Mit oder ohne Basilikum.
    In Gedanken bei dir im Schweigekloster <3

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  19. Paula Karitzky

    Liebe Nike, ich bin normalerweise eine stille Mitleserin und freue mich über jeden eurer Texte! Eigentlich hatte ich schon bevor du diesem Text veröffentlicht hast dir eine Email zu schreiben um dir zu sagen, dass du wirkich ein Vorbild bist in Sachen Leben meistern. Und irgendwie habe ich es dann gelassen, weil ich gedacht habe wir können uns eigentlich gar nicht und du fändest es vielleicht komisch von wildfremden Menschen Bewunderungs-Vorbilds-emails zu bekommen. Aber ehrlich: ich bin 22 und eigentlich sollte man ja in diesem Alter jeden Tag genießen und nicht an morgen denken und trotzdem denke ich manchmal nicht nur an morgen sondern auch an Montag in 5 Jahren. Und ich habe das Gefühl ein großer Gedankenberg mit Fragen über Fragen was die Zukunft bringt und wie man es schafft alles zu meistern türmt sich auf und droht jegliche „in den Tag hinein leben“ Attitüde zu ersticken. ABER dann lese ich eure und besonders deine Texte, sehe wie ihr alles meistert mit Kind und Beruf und Ehrlichkeit was Zweifeln und Scheitern angeht aber gleichzeitig Glücksmomente und Zufriedenheit und habe Hoffnung das man das doch eben alles schafft! Vielen Dank von Herzen für diese persönlichen Einblicke, du kannst dir sicher sein ich fand noch keinen einzigen Text absurd sondern alle äußerst lesenswert! 2016 wird trotzdem gut und du wirst am Ende so stolz drauf sein das Jahr so genommen zu haben wie es kommt und das Beste draus gemacht zu haben! Nur das Beste !

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  20. Anne-M

    Liebe Nike,
    auch ich – stille Mitleserin seit etlichen Jahren – muss/will dir ein mal ein paar Worte hierlassen. Deine Texte sind immer so treffsicher, diesmal auch ein bisschen in mein Herz, denn wie und was du tust (oder zumindest wie wir es hier „gezeigt“ bekommen), das ist wirklich an der Grenze zu einem ziemlich perfekt-glücklichen Leben. Das wirklich ja immer die Anderen zu haben scheinen, man selbst aber nie. Oder ist man nur zu unzufrieden? Undankbar? Realitätsfern? Ich kenne diese Zweifel und Fragen nur zu gut und auch wenn ich jetzt „schon“ Anfang 30 bin, mich selbst viel besser kenne als noch vor ein paar Jahren, bleibt immer ein Quentchen Unsicherheit: Was, wenn das gar nicht ist, was ich will oder was wirklich zu mir passt – vor allem in der Liebe. Sich das eingestehen zu können und vor allem *gemeinsam* zu einer Entscheidung zu finden, das ist ein wirklich großes „Glück im Unglück“ und ich wünsche dir und deiner Familie (denn das werdet ihr immer bleiben) viel Kraft, Geduld und Zuversicht für die nächste Zeit!! <3

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  21. Sophia

    liebe nike,
    dieser text berührt sehr und tatsächlich war ich am ende kurz geschockt. tatsächlich zeigt das aber nur: ich fühle mit dir und das ganz allein durch deine worte. viel kraft und mut für deine familie. es gibt nicht nur den einen richtigen weg!
    <3

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  22. Miriam

    Auf die Gefahr hin, dass ich jetzt als über-weird gelte, das mag jetzt total merkwürdig klingen, aber ich habe so etwas beinahe schon irgendwie vermutet. Deine Kolumne zu der Kiste mit den Erinnerungen an vergangene Beziehungen, dass du es deinem Partner manchmal schwer machst…. da konnte die aufmerksame Leserin schon irgendwie vielleicht sogar einen tieferen Blick in deine Gefühlswelt werfen, als du wahrscheinlich preisgeben wolltest.
    Auf jeden Fall hat mich der Text sehr berührt und auch Gefühle des Unbehagens bei mir selbst hervorgerufen, vielleicht sogar der Angst, die ja eigentlich auch bei mir kein Teil von 2016ff sein soll. Was, wenn ich das irgendwann auch mal mit meinem Freund feststelle? Es mag unromantisch klingen, aber ich bin der festen Überzeugung, dass man das nie ausschließen kann. Egal wie glücklich man im Jetzt ist.

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  23. larissa

    Liebe Nike, du bist mein größtes Vorbild – was deine Texte angeht, deinen Mut, deine Kraft und deine Lebenseinstellung. <3

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  24. Patti

    Accept what is, let go what was and have faith in what will be…
    Ich stehe an einem ähnlichen Punkt in meinem Leben, ich sehe noch nicht so klar wie du, aber ich hoffe dass es bald klarer wird und dein mut und dein Wille für dich zu wollen dass du scheißglücklich bist ist das einzig richtige! Angst sollte da nicht unser Ratgeber sein <3
    Dein Stil, deine Art zu schreiben ist im Übrigen ganz wunderbar, bei solch einer wichtigen Entscheidung geht das leicht unter – sollte es aber nicht, denn Girl, you have fucking talent!!!!!!

    Antworten
  25. Patti

    Ach und Nike: alle wirklich inspirierenden Menschen geben viel von sich preis, teilen Erfahrungen, die sie zu dem machen was sie sind… Privatsphäre hin oder her, alles oder nichts, mit plattitüden und smalltalk berührst du niemanden.

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  26. Mila

    Liebe Nike, als du von krassen Veränderungen in deinem Leben sprachst, die dir auch Angst machen, habe ich mir schon gedacht, dass es wohl (auch) um eine Trennung geht. Und weißt du was? Das Modell single, aber nicht allein erziehend kann, wenn es funktioniert, ein ganz großartiges sein, das bei mir, die mit zwei Kindern und Mann das klassische Familienmodell lebt (und das gerne), oft sogar Neid auslöst – ehrlich 😀 Zwei meiner Freundinnen leben dieses Modell und es gibt ihnen die Möglichkeit trotz Kind und Job und (neuer) Beziehung auch noch Zeit für sich allein und ihre eigenen Bedürfnisse zu haben. Und ja, ich bin ein bisschen neidisch, wenn sie drei Tage in der Woche nur ganz für sich haben, abends auch mal lange ausgehen können, weil am nächsten Morgen kein verschlafenes Kleinkind für die Kita fertiggemacht werden muss. Oder wenn sie außerhalb doofer Schulferienzeiten mal eine Woche Urlaub machen können, weil ihr Kind von Papa gut versorgt und geborgen ist! Du wirst sicherlich nicht allein bleiben, genauso wenig dein Ex-Freund. Und dann werden weitere Menschen in Lios Leben kommen, die für ihn da sein werden und sich kümmern. A lot of backup! Und das ist goldwert. Klar ist das der optimale Fall, aber dass das möglich ist, erlebe ich bei Freunden von mir. Es gibt übrigens ein ganz tolles Bilderbuch zu diesem Thema, das ich dir ans Herz legen möchte „Alles Familie“. Eigentlich ist es eher für Erwachsene als für Kinder – oder eher für größere Kinder. Darin werden wirklich alle nur erdenklichen Familienmodelle vorgestellt, super lustig und skurril illustriert. Sehr lesenswert!

    Antworten
    1. Julia

      Liebe Mila,

      ich bin mir super sicher, dass es nicht so gemeint war, aber die „fast schon beneide ich dich“-Kommentare stoßen mir immer irgendwie unangenehm auf. Einerseits hast du sicher recht, es gibt in JEDER Situation einen Silberstreif am Horizont und das Szenario was du beschreibst ist sicher einer in einer Trennungsphase. Aber ich finde aus deinen Zeilen schwingt ein wenig „man kann eben nicht alles haben“ mit und das finde ich persönlich nicht angebracht. Eine gute Arbeitsteilung zwischen 2, 3 oder auch 4 Menschen bedeutet, dass jeder ein bisschen (!) Raum haben kann. Und auch in einem – wie du es nennst – klassischen Familienmodell kannst du als Mama Zeit für dich haben. Wenn ich mit meinen Freundinnen einen Wein zu viel getrunken habe, dann macht eben mein Freund unseren Sohn morgens fertig. Und andersrum genauso. Das klappt nicht immer, aber das ist die Grundidee. Oder ich besuche meine Eltern, ohne Kind. Und dass man das nicht mehr jede Woche mehrmals machen kann liegt nicht an unseren Kindern oder Partnern, sondern an unseren Jobs, unserer Verantwortung und… naja.. dem Erwachsensein.
      Ich muss nochmal wiederholen, dass ich dich nicht angreifen will, ich glaube du hast es wahrscheinlich gar nicht so gemeint, wie ich es gelesen habe. Aber mich nervt die Idee, dass man in einer Partnerschaft oder als Eltern zur völligen Selbstaufgabe *verpflichtet* ist, auch wenn du das hiermit gar nicht ansprechen wolltest. Ein ewiges Thema. Am Ende versuchen wir alle irgendwie glücklich zu werden und zu sein und kein Entwurf gleicht dem anderen völlig.

      Alles Liebe,
      Julia

      Antworten
      1. Mila

        Das ist natürlich totaler Quatsch! So war’s nicht gemeint und mich wundert’s, dass du’s so verstanden hast. Es ist eben genau immens wichtig, keine „Selbstaufgabe“ zu leisten, wenn man Eltern ist, darum geht’s ja. Fakt ist aber: Wenn meine Kinder täglich um mich herum sind, sehen sie mich eben auch immer als Ansprechpartner an. Wenn sie tageweise ganz woanders sind, habe ich mehr Zeit für meine ureigensten Dinge. Und natürlich gehe auch ich noch aus, auch mal lange, aber dann steht meine Sechsjähre eben doch um 7.00 am Sonntag an meinem Bett, egal, ob ich schon fit bin oder nicht, um mir von ihrem Traum zu erzählen. Klar kann ich sagen – erzähl’s Papa. Aber wach bin ich dann eben trotzdem. Ausschlafen ist da nicht. Es geht eben genau um Zeiten, die man ganz ganz allein für sich hat. Und die sind einfach sehr rar, wenn man zwei Kinder hat.

        Antworten
  27. MJ

    Liebe Nike, ich kann mich meinen Vorrednerinnen nur anschließen, dein Text trifft meine momentane Lebenssituation 1000% ! Ein Boden-unter-den-Füßen-wegziehender Verlust und das resultierende Auseinandersetzten mit den Fragen „Was will ich? Bin ich glücklich oder ist es ok? Werde ich das alles schaffen? Und wenn ja, wie?“ etc. …. Dein Text kommt für mich in genau dem richtigen Moment. Ich wünsche dir alles Glück der Welt mit ganz viel Familie (in welchem Modell auch immer), Freunde und Liebe!

    Antworten
  28. Teresa

    Liebe Nike,

    ich war richtig geschockt als ich zu den letzten Zeilen kam (auch wenn schon weiter oben im Text ein Verdacht aufkam…). Ich wünsche Dir Kraft und Geduld und Euch allen dreien viel Respekt und Anstand und Liebe im Umgang miteinander.

    Teresa

    Antworten
  29. Sophie

    Wow, selten so etwas Gutes gelesen. Ich finde es mutig, dass du deine intimsten Gedanken mit uns teilst. Mein Herz hatte wahnsinnig viel Freude, als es den Text gelesen hat. I feel with you!
    Kisses von Firstpug

    Antworten
  30. Amelie

    Ach liebe Nike, was für ein schöner Text. Ehrlich und Kraft spendend – hoffentlich gibst du dabei keine deiner Kraft ab, denn die brauchst du jetzt vermutlich. Hat mich sehr berührt, danke dafür.

    Antworten
  31. Schirinsche

    Danke für die Wortkreation Basilikum-Mensch.
    Endlich die richtige Definition parat für alle anderen, die nicht verstehen, warum ich manchmal aus für Außenstehende heiterem Himmel allet umschmeiße, wo doch alles gut aussah …
    Alles Gute für dich. Pass auf dich auf.

    Antworten
  32. luise

    liebe nike!

    vielleicht ist es gar nicht nötig, die angst aus seinem leben verschwinden zu lassen. wenn man ein gefühl, was gerade wie angst selbstzerstörerisch in einem wüten kann, auch noch verbannen und ignorieren und wegpressen will, kommt es heftiger hervor und will noch mehr platz als vorher haben.
    warum nicht sagen: liebe angst, danke dass du hier bist und dich um mich kümmern willst, aber du setzt dich jetzt bitte auf den rücksitz und bist ruhig, weil ich ans steuer gehe und du mir jetzt einfach verstrauen wirst.
    ich hatte gerade eine riesen krise, und als schauspiel student hat man sich keine krise zu erlauben, so wird es von den dozenten gefordert. ich kam nicht aus der krise raus, habe alles hinterfragt, neu ausprobiert und bin andauernd gescheitert. und wurde aus dem wichtigesten projekt des studiums rausgeschmissen und umbesetzt. als die angst dann pansich in meinem körper herumtorkelte, wie soll ich denn weiter studieren, wer bin ich denn jetzt überhaupt, soll ich aufhören und so weiter, kam in mir was hoch was ich so noch nicht kannte und irgendwie grad nicht besser beschrieben kann: entscheidungslust. eine lust an meiner kreativität. ich hab mir gesagt, dass ich weitermachen will. für mich. und das wird hart. und ich vertraute mir sogar plötzlich, auch wenn ich fehler mache, irgendwie gehören die dazu.
    ich habe mir den ´angst geh auf den rücksitz´ satz aus „Big Magic“ geholt und auf meine hirnrinde geschrieben und musste hier beim lesen daran denken. vielleicht bringt dir das was, irgendwas. liebste grüße!

    Antworten
  33. jen

    Mir tut es leid, auch wenn du wahrscheinlich kein Mitleid brauchst, aber mir tut es dennoch leid, um dich, um euch, um die Träume, die nun tapfer neu geschrieben werden – und darum, dass du so sehr in der Öffentlichkeit stehst, dass du sowas bekannt geben musst – auch wenn es bestimmt frei gewählt war,, irgendwann hätte es sicher eine seltsame Frage gegeben, und es tut mir einfach leid, dass so wenig Privatheit möglich ist.
    Gut zu wissen, dass es Sarah gibt! Alles Liebe euch, ihr toughen Heldinnen.

    Antworten
  34. Elisa Zunder

    Liebe Nike,
    danke dir für so viele tiefe persönliche Einblicke und den Mut diese mit uns zu teilen. Die Bedenken, die du äußerst, kenne ich selbst nur zu gut. Wenn ich Kolumnen für mein Blogazine schreibe, schwanke ich auch immer sehr stark hin und her wie viel ich preisgeben soll. Eigentlich steht der Text in Gedanken schon und ich müsste diese nur aus mir heraussprudeln lassen, aber irgendwas hemmt mich dann doch alles so frei auf den Tisch zu legen.
    Andererseits ist ja genau das die Kunst, oder? Vielleicht sollte ich mir den Rat deinen Lieblings-Kolumnisten auch zu Herzen nehmen und mich aus meinem Käfig befreien.

    Liebst, Elisa

    Antworten
  35. Lena

    Ich hab einige Wochen keine Blogs mehr gelesen. Weil sich immer alles wiederholt und ich eigentlich auch nicht mehr will. Aus alter Gewohnheit hab ich dann euren Blog doch wieder aufgerufen- und dann diese Nachricht. Ich klicke weiter: lesmads gibt es nicht mehr- ich klicke weiter- bei primerandlaquer steht wieder Nachwuchs an.. nur bei Journelles ist alles wie immer: Meer, Marant & Luxus…

    Wie auch immer. Das ist das Leben. Das passiert. Mir tut es nur auch leid für euch dass ihr das mit der Öffentlichkeit teilt / teilen müsst / wollt wie auch immer. Warum müssen das im Grunde soviele fremde Menschen wissen. Ich weiss – nur indem ich die offiziellen Accounts über die sozialen Medien betrachte soviel über euer Privatleben. Vielleicht ist das auch ein Ansatz für Dich mit dem Neuanfang jetzt. Alles Gute.

    Antworten
    1. Renate

      Dann bleib bei Deinem Vorsatz und lies keine Blogs mehr. Der Kommentar ist so richtig doof. Wenn man in so einer Situation noch nachtreten muss sollte man es lassen. LG Renate

      Antworten
  36. Nisi

    Liebe Nike, dein Text hat mich total berührt…
    Danke, dass du uns an deine so wunderbar in Worte gefassten Gedanken teilhaben lässt, wo sie so persönlich sind! Ich wünsche dir von Herzen alles Gute!

    Antworten

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