MBFWB // Bobby Kolade – wer bist du?

19.01.2016 Mode

bobby kolade

Im vergangenen Jahr erfand ein tapferer Ritter und Retter der Fashion Week Berlin den Hashtag #InBerlinWeTrust, unsere Hauptstadt hat ein bisschen Vertrauen, Glaube und Selbstbewusstsein nämlich dringend nötig; zu häufig wurde deren Modewoche bereits totgesagt, allzu oft hat man in etlichen Podiumsdiskussionen angekündigt, es werde jetzt wirklich, wirklich bergauf gehen. Es ist wie mit dem Wedding, dessen Aufstieg zum heißen Kiez-Pflaster seit etwa sieben Jahren prophezeit wird, am Ende passiert jedes Mal genau nichts. Meist, weil wirklich nichts zu holen ist, manchmal aber auch, weil niemand mehr richtig hin sieht. Weil es leichter ist, mit den Augen zu rollen, als sich für jene stark zu machen, die vielleicht nicht makellos sind, aber durchaus das Potential besitzen, irgendwann gesehen zu werden und zwar nicht nur von jenen, die lieber Snapchat-Videos mit ihren Smartphones zu drehen, als sich wirklich auf das einzulassen, was dort gerade vor ihren echten Augen passiert.

Der Jungdesigner Bobby Kolade ist so einer, an dem sich die Geister scheiden. Die einen feiern ihn als Hoffnungsträger, andere stören sich an zu viel Attitüde und zu wenig gutem Stil – eigentlich ironisch und ziemlich deutsch. Es ist kein Zufall, dass die Masse an minimalistischen Seidenkleidern auf dem Berliner Laufsteg kaum überboten werden kann und geichzeitig ist es genau dieser Umstand, an dem Kritiker sich immer wieder böse festbeißen. Dabei ist Kolade einer der Wenigen, die sich was trauen. Über Geschmack lässt sich streiten, aber viel problematischer ist wohl das Herausbilden einer eigenen Handschrift. Bei Bobby ist es, als sammle er internationale Trends in einem kleinen Pilzkorb, um sich anschließend ein eigens Gericht daraus zu zaubern – das ist sehr gut, jetzt müssen bloß noch Trüffel daraus werden.

Beim Betrachten der Lookbooks habe ich versucht, so frei zu sein wie möglich und ganz unabhängig davon, dass ich einige Teile sofort und andere niemals im Leben tragen würde, kam ich nicht umher, mir vorzustellen, Acne Studios hätte mir diese Outfits kredenzt. Womöglich lag es an den Mountain-Sports-Details, die wir bei den Schweden ebenfalls jüngst sahen, aber so oder so musste ich zugeben, augenblicklich ein bisschen wohlgesonnener zu sein. Eine Schande eigentlich, aber was will man machen. Ich hätte Vogue Runway jedenfalls einen kleinen Namensdreher abgekauft – was das am Ende bedeutet, sei erst einmal dahin gestellt. Fest steht aber, dass ich außerdem ein bisschen Jacquemus und sogar Céline entdeckte, dass ich im Grunde keinen nennenswerten Unterschied zwischen dem hier Gezeigten und dem in London oder New York Präsentierten ausfindig machen konnte. Das Einzige, was fehlt, ist ein kleines bisschen Sehnsucht. Ein Key-Piece, das mich zur Schnappatmung bringen könnte oder dazu, mein Konto leer zu räumen (obwohl diese Jacke samt ihrer roten Kordel-Details wirklich, wirklich nah dran ist). Aber ich bin voller Hoffnung. Bobby Kolade stellt sich in seiner inzwischen vierten Kollektion nämlich gerade zur rechten Zeit selbst die Frage: Was, wie oder wer ist denn eigentlich BOBBY KOLADE? Ich würde sagen, einer, der zwar noch auf der Suche zu sein scheint, aber immerhin ganz genau weiß, dass er überhaupt jemand sein will. Und damit ist er vielen deutschen Kollegen und Kolleginnen schon einen großen Saum voraus.

6 Kommentare

  1. JIL EDG

    ich finde viele styles aus seiner kollektion total cool und die würde ich auch so tragen. außerdem hoffe ich, dass berlin auf jedenfall modetechnisch dran bleibt. lasst euch bloß nichts einreden, ihr habt so tolle designer. keine andere stadt würde mehr fashion-week-tauglich sein, als diese. ich jedenfalls liebe berlin als modestadt und überhaupt.

    —> http://jiledg.com/

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  2. Julia-Maria

    Tolle Review! Mehr davon. So ein bissl Mut zum Vergleich und Spekulationen zur Intention, wenns den Designer vielleicht auch ein Stück weit schmerzt, finde ich klasse und hebt diesen Report von den meisten Blogbeiträgen zur Fashion Week (Essen, Essen, Essen, kritiklos Ahs und Ohs und #habenwollen’s) ab!

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  3. Therese

    „Es ist wie mit dem Wedding, dessen Aufstieg zum heißen Kiez-Pflaster seit etwa sieben Jahren prophezeit wird, am Ende passiert jedes Mal genau nichts.“ … Oh, da kennst du die Entwicklung im Wedding aber schlecht! Alleine im Sprengelkiez und Umgebung macht gefühlt jeden Monat eine neue Location auf. Und selbst nördlich der Seestraße rumort (nicht rumeurt) es.

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    1. Nike Jane Artikelautorin

      Ich liebe den Wedding, versteh mich nicht falsch! Es brauchte dann aber doch ein bisschen länger als eigentlich angenommen – das war es, was ich eigentlich sagen wollte. Sarah hat die erste Zeit in Berlin übrigens dort gewohnt und seither bin ich auch ein bisschen verliebt.

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