Ich lebe selbstverständlich nicht im Wolkenkuckucksheim, mir ist also durchaus bewusst, dass die Welt der Brigitte-Diäten eine überaus erfolgreiche ist, der Modebranche, die noch immer nicht viel von physischer Diversität versteht, sei Dank. Bloß schwieg selbige besagtes Thema der Körperoptimierung durch Abnehm-Tricks bisweilen eher tot, als das gefährliche Feuer der Esskrankheiten im Deckmantel gut gemeinter Ernährungs-Ratschläge noch selbst zum lodern zu bringen. Ausnahmen gab es schon immer, vornehmlich im Lifestyle-Bereich, der eigentlich sehr geschätzten Grazia zum Beispiel trampelte ich erst im vergangenen Jahr schweren Herzen auf die Füße, weil deren Leserinnen sich plötzlich an fast schon geistesgestört absurden Geißelungen des eigenen Magens orientieren sollten, getreu dem Motto was für Promis gut ist, kann für uns Normalsterbliche nicht verkehrt sein.
Seit einer Weile stößt mir aber vor allem das Online-Treiben hoch geschätzter, alt eingesessener Modemagazine übel auf.
Dort, wo man eigentlich News über Phoebe Philos Wahnsinns-Visionen, fundiertes Wissen über stoffliche Handwerkskunst oder Texte über die Haute Couture Schauen in Paris vermutet, geht es derzeit mitunter ziemlich Effekt-hascherisch zu, es ist, als kannibalisiere man sich langsam aber sicher selbst. Oder eher das eigene Image. Im vollsten Bewusstsein darüber, dass die Zeit nicht stehen bleibt und man sich Veränderungen oftmals anpassen muss, oder sollte, dass die Friss(nicht)-oder-Stirb-Mentalität ohnehin schon in erschreckender Weise am geschriebenen Wort nagt, verfalle ich im Angesicht des herrschenden Schlagzeilen-Irrsinns inzwischen dennoch in großmütterliches Kopfschütteln und frage ich mich, was denn bloß aus meiner geliebten Modebranche geworden ist. Es gab schon immer viel zu meckern, aber Headlines wie „Hungergefühl – Mit diesen Tricks fühlen sie sich schneller satt“, „5 Dinge, die ein Ernährungsberater niemals essen würde“ und „Wer abnehmen will, sollte dieses Getränk trinken“ tunken mein Gesicht regelmäßig in bis dato selten gesichtete purpurfarbene Schamesröte. Dass es sich bei letzterer Aussage um nichts weiter als Pfefferminztee handelt, macht die Sache zwar nicht schlimmer, aber eindeutiger. Noch nicht einmal mehr der Inhalt scheint wichtig zu sein, Hauptsache das Gehirn der angestrebten Zielgruppe wird zum Klicken stimuliert. Ich weiß bald nicht mehr, ob die nach immer mehr Traffic, also Zahlen verlangenden Verlage die schlimmsten aller Zerstörer des Modemärchens sind, oder wir, die Kosumenten, die sich offensichtlich nicht mehr ausreichend um die Substanz dieses kostbaren Kulturguts scheren.
Schuster, bleib bei deinen Leisten, denke ich dann manchmal. Vielleicht sollte man sich im Falle des Scheiterns lieber neue Medien ausdenken, als alte zu verramschen. Ein Hauch Gutes steckt trotzdem in diesem Dilemma: Lesbare Nischen-Produkte waren selten so gefragt wie heute. Ein hochkarätiges Anti-Diät-Modemagazin wäre doch mal was. Klein, fein und vor allem: Lecker anzusehen, dank gesunder Körpervielfalt.