Bevor ich mir Kollektionen zum allerersten Mal anschaue, lese ich niemals den dazugehörigen Pressetext, das verklärt die Gedanken und stört außerdem die Objektivität. Objektiv betrachtet wirft mich die Herbst/Winter Kollektion von Ganni, die gerade in Copenhagen gezeigt wurde, jedenfalls nicht vom Hocker. Auf die Gefahr hin, jetzt Schelte zu kassieren: Kurzzeitig dachte ich sogar, ich hätte mich im Ordner vertan und sei versehentlich bei Cheap Monday gelandet. Das ist nicht per se schlecht, bloß ging ich eigentlich davon aus, die 90er Jahren hätten womöglich überall sonst ausgedient, aber nein, so ist es ganz offensichtlich nicht. Trotz aller Liebe zur selbstbewussten Tomboy-Attitüde fehlt mir dennoch ein wenig modische Tagträumerei, das Styling ist mir ein Mü zu schroff und auch das Schuhwerk überrascht mich nicht die Bohne. Aber genau hier liegt die Krux verborgen, ich weiß nämlich genau, dass ich Ganni trotzdem auf den Leim gehen werde und zwar genau dann, wenn die einzelnen Kollektionsstücke unschuldig am Kleiderbügel hängen und ihre ganz eigene Anziehungskraft entfalten, Raum lassen für eigene Interpretationen.
Ich denke da zum Beispiel an diesen traumhaft romantischen Ski-Fahrer-Pullover oder jenen mit stehendem Muschelsaum. Mit Samt kriegt man mich derzeit sowieso und ja, die Karo-Hose. Und so weiter und so fort:
Der Camel-Pullover samt Stehkragen und Muschelsaum:
Der Security-Gürtel:
Den romantischen Skifahrer-Pullover:
Das taubenblaue Samtkleid;
Das moosgrüne Slip-Dress:
Die verkürzte High-Waist Karohose:
Das Black Dot Ensemble:
Und wie erklärt Gannis Creative Director Ditte Reffstrup ihre „Damon and the Queen“ Entwürfe?
„In dieser Saison habe ich eine Menge über Londons Coolness in den Neunzigern nachgedacht. Es ist schon witzig, wie modern und selbstverständlich sich viele dieser Looks heute anfühlen – der kecke Tomboy-Style der Girls aus Bands wie Elastica und Pulp. Ich wollte, dass dieser Herbst/Winter genau diese Attitüde und Energie atmet.“
Ich würde mal sagen: Die Mission wurde erfolgreich abgeschlossen.
Die Kollektion, die gestern Abend vor rund 200 geladenen Gästen in einem Nachtclub präsentiert wurde, hat sich gleich zwei Musen als Quelle der Inspiration geschnappt und beide auf dem Laufsteg miteinander vermählt: Damon Albern und Queen Elizabeth. Deshalb treffen also Brokat-Rücke auf Trainingshosen. Gar nicht mal so schlecht. Ich sage ja sowieso immer: Erstmal in Ruhe wirken lassen, dann kann das Beurteilen losgehen:
Alle Bilder: Courtesy of Ganni
P.S.: Das Game Over Shirt aus der gerade gezeigten Kollektion ist schon jetzt im Online Shop erhältlich. Off-the-runway Marketing par excellence: