Es fühlt sich ein klein wenig wie neu laufen lernen an. Als hätte man es einfach so verlernt, als läge da ein dicker Stein auf Rücken und Kopf, als könnte man sich partout nicht daran erinnern, wie die Sache mit dem Voreinander setzen der eigenen Beine überhaupt funktioniert. Man sagt „das Leben geht weiter“ – aber wann genau, das sagt einem keiner. Zwei Wochen habe ich mich komplett aus dem Staub gemacht und mich dem wirklich Wichtigem gewidmet: meiner Familie. Nicht, weil mir der Sinn danach stand, alle Neune gerade sein zu lassen, sondern weil Mitte Januar der wohl schlimmste Anruf meines bisherigen Lebens alles auf den Kopf gestellt hat. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich euch an dieser Stelle überhaupt involvieren oder ob ich den ehrlichen Grund für die Wochen ohne mich auf Jane Wayne ganz einfach verschweigen sollte. Aber hier einfach weiter zu machen als sei nichts geschehen, kommt für mich nicht in Frage.
Dass 2016 ein beschissenes Jahr werden könnte, ahnte ich schon im Januar, dass es mich und meine Familie allerdings mitten ins Herz treffen würde, zeigte mir erst der Februar. Es reißt mir noch immer die Füße unter dem Boden und auch alles andere weg, wenn ich laut ausspreche, dass meine Schwester und ich vor weniger als zwei Wochen meinen Vater verloren haben, der noch so viel Zeit gehabt hätte. Dass wir bis zuletzt gekämpft haben, Tag und Nacht für ihn da waren, voller Hoffnung an ein medizinisches Wunder glaubten, am Ende aber doch nichts tun konnten. Es ist die Endgültigkeit, das nie wieder miteinander reden, sich nie wieder in den Arm nehmen können, was am allermeisten schmerzt und zu völliger Bewegungslosigkeit und Ohnmacht führt, den Kopf mit Luft und die Augen mit Tränen füllt.
Und so sitze ich hier vor meinem Rechner und suche nach Worten, während ich fassungslos auf ein grelles Licht starre. Nichts auf dieser Welt kann beschreiben, wie sich die Leere und dieser Schmerz genau anfühlen, die sich breit machen, wenn man einen geliebten Menschen verliert, machtlos daneben sitzt und sich ununterbrochen nach dem Warum fragt.
Während ich mich in den vergangenen Tagen um einen Haufen Bürokratie kümmern musste und Abschied nahm, lerne ich also wieder laufen, versuche dank liebster Menschen um mich herum, wieder aufzustehen und – so bescheuert das klingt – mein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Ich bin völlig weggekegelt worden, bin noch immer ganz leer und kann es selbst am allerwenigsten glauben. Gerade wünsche ich mir nichts sehnlicher, als die Zeit zurück drehen zu können.
Die Welt aber dreht sich weiter und während ich wieder in Berlin angekommen bin, versuche ich, meinen Kopf frei zu machen und mich den schönen Dingen zu widmen. Noch klappt genau das eher weniger, aber ich gebe mir größte Mühe. Weiter machen und das Leben in vollen Zügen genießen – das wäre wohl Papas sehnlichster Wunsch gewesen. Und ich geb’ mein Allerbestes, ihn nicht zu enttäuschen. Das Leben ist schön. Das Leben ist schön. Das Leben ist schön. Wiederhole ich immer und immer wieder laut. Aber manchmal braucht es einfach Zeit.
Ich schmeiße mich hier also erst einmal wieder in all die To-Dos, die hinter der Seite stattfinden und fange zaghaft und ganz langsam wieder mit dem Alltag an, es wird noch wenig dauern, bis ich euch wieder selbst aus tiefem Herzen mit den wundervollen Fundstücken versorge, die uns sooft aus dem manchmal tristen Alltag rausholen sollen. Ich berappel mich bald, versprochen. Alles wird gut, irgendwann, irgendwie.