Fast spurlos zog sie in diesem Jahr an mir vorbei, die Berlinale 2016, die Sieger der Bären, die Filmparties und all die Premieren. Und wenn mein liebster Freund Flo mir am Wochenende nicht noch einen knackigen Rundumschlag seiner Highlights und Empfehlungen bei einem Glas Rotwein mit auf den Weg gegeben hätte, ich könnte beim Thema Berlinale wohlmöglich bloß stumpf mit den Achseln zucken. Über 20 Filme hat er sich im Rennen um den goldenen Bären angeschaut, kümmerte sich um die Presse für Jonathan und legte mir einen Beitrag besonders ans Herz: Mustang, die türkisch-französisch-deutsche Co-Produktion von Regiedebütantin Deniz Gamze Ergüven, die mit so viel Lebensfreude und Freiheit gefüllt ist, mit so viel Mut aufwartet und vor allem eines in den Vordergrund stellt: Girlpower.
Es ist dieses eingebrannte Bild, das uns hierzulande immer wieder erschaudern lässt: Es geht um Unterdrückung, Fremdbestimmung und traditionelle Frauenbilder und gleichzeitig eben auch um Hoffnung, Rebellion, Zusammenhalt und Lebensfreude in einer Welt, die von Traditionen, Vorschriften und Männern geprägt ist. Es geht um den Wunsch nach Freiheit, der hierzulande oft so selbstverständlich ist, in Mustang allerdings schmerzlich erkämpft werden muss.
Ab dem 25. Februar könnt ihr die Geschichte der fünf Schwestern im Kino sehen, mit ihnen leiden, mit hoffen und euch von ihrer Lebensfreude anstecken lassen. Eines hat mir Flo schon verraten: Alle fünf werden ihren selbstbestimmten Weg gehen. Wie der allerdings aussehen wird, müssen wir uns in dem Oscar-nomminierten Werk allerdings selbst anschauen.
Aber was passiert überhaupt?
Lale (Güneş Nezihe Şensoy), Nur (Doğa Zeynep Doğuşlu), Ece (Elit İşcan), Selma (Tuğba Sunguroğlu) und Sonay (İlayda Akdoğan) sind unzertrennlich: Die fünf Schwestern haben schon früh ihre Eltern verloren und wachsen bei ihrem Onkel und der Großmutter auf. Die Schlüsselszene verändert jedoch alles: Sie nehmen den Weg entlang des Meeres nach Hause und feiern den letzten Schultag vor den Ferien – mit dabei: Ihre männlichen Klassenkameraden. Ausgelassen und unbedarft springen sie in voller Montur ins Wasser und tollen herum. Eine ausgelassene Szene mit Folgen, denn die Nachbarin beobachtet die Kinder und legt das Verhalten als sexuelle Annäherung aus, berichtet der Oma davon. Der Ruf der Familie ist dahin. Und das hat Konsequenzen. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf: Die älteste wird nach ihrer Jungfräulichkeit untersucht, das Haus verwandelt sich in ein Gefängnis samt hoher Mauer, verriegelten Türen, Gitter vor den Fenstern und Isolation ohne Schule, PC und Telefon. Stattdessen wird fremdbestimmt: Kochen lernen und Haushaltsführung stehen auf der Tagesordnung.
Doch anders als gedacht finden die Mädchen ihren Weg raus aus dem Gefängnis, manchmal unbemerkt, ein anderes Mal mit schweren Folgen. Es ist ein Film, der Hoffnung verströmt, uns mitleiden lässt und uns zu Tatendrang auffordert. Und es ist ein Thema, das niemals zu oft diskutiert werden kann. Ins. Kino. Mit. Euch.
Unsere Oscar-Daumen sind jedenfalls gedrückt.