Vor ein paar Wochen habe ich mir vorgenommen, mehr Zeit mit Schönem zu verbringen und schön, das sind für mich zum Beispiel Bücher, von innen und außen, ich mag nicht nur, was sie mich lehren, sondern auch wie sie riechen, wenn man zum ersten Mal den Deckel öffnet. Sogar einen kleinen Nervenkitzel verspüre ich dann, denn erste Male sind etwas Wunderbares, ebenso wie erste Seiten. Sie sagen manchmal viel, manchmal wenig, aber immer vermitteln sie ein Gefühl, das schwer zu beschreiben, aber deutlich zu spüren ist. Gerade eben fiel die Sonne wie ein warmes Tuch über den einzigen Stuhl, der auf meinem Balkon steht, der Himmel hing glasklar darüber, Pause. Ich legte mir Erica Jong auf die Knie und nahm einen Schluck warmen Tee, den ich bereits nach zwei Absätzen wieder aus meinen Backen prustete. Ich habe keine Ahnung, was mich mit dem gerade erschienen Roman „Angst vorm Sterben“ erwartet, aber ich bin mir sicher, es wird ein Wahnsinnsritt.
Alles, was ich bisher weiß ist, dass Woody Allen das Buch verschlungen hat wie warme Semmeln, dass dessen Autorin so etwas wie die Großmutter von Lena Dunham sein könnte, eine schreibende Legende der 70er Jahre ist sie ohnehin schon, ihr Werk „Angst vom Fliegen“ gilt bis heute als Bibel der sexuellen Befreiung der Frau. Jongs Schreibstil ist messerscharf wie salopp, eine irrwitzige Mischung. Vom Titel sollte man sich nicht abschrecken lassen, denn obwohl die 60-Jährige Protagonistin Vanessa Wonderman vom Verfall umgeben ist, nimmt ihre eigene Existenz mitten in New York jetzt nochmal richtig an Fahrt auf. Zwischen Leidenschaft und Selbstverwirklichung, spontanfick.com, der großen Liebe, Entwürdigung und Erhabenheit, sucht sie nach der Antwort auf die große Frage: Was ist ein geglücktes Leben?
Manch einer mag Jongs literarischen Erguss als nichtige Küchenpsychologie abtun, wer aber erst gar keinen schwermütigen künstlerischen Meisterstreich erwartet, sondern viel mehr köstliches Amüsement, der wird gewiss keine einzige Minute mit der lebenshungrigen Miss Wonderman als Verschwendung ansehen. Ganz im Gegenteil. Wenn man so will, ist das hier die wunderbare Gelegenheit, von jemandem zu zehren, der all das schon erlebt hat, was uns womöglich noch bevor steht.
Danke, Friederike.
Erica Jong – Angst vorm Fliegen, erschienen bei S.Fischer.