Klar, Menschen, die aus ethischen Überlegungen entscheiden, keine Produkte tierischer Herkunft mehr zu konsumieren, haben bei mir einen Stein im Brett – immerhin habe ich ja nicht grundlos dieselbe Entscheidung getroffen.
Doch dann gibt es diese Momente, in denen Veganer einfach nur nerven – und ich frage mich, woran das liegt:
Es gibt sie nicht gerade selten, diese Momente, in denen ich so genervt bin, dass ich sinnbildlich gesehen am liebsten in ein dickes Stück Gouda beißen möchte, nur, um nicht mehr „dazuzugehören“. Denn es ist ja so: Bei Veganern handelt es sich um eine Gruppe völlig unterschiedlicher Menschen, die vor allem ihre Ernährungsform gemeinsam haben und sonst nicht zwangsläufig wahnsinnig viel. Es scheint aber trotzdem eine weitverbreitete Idee davon zu geben, wie diese Gemeinschaft zu sein und sich zu benehmen hat und mit ihr auch jeder einzelne, der sich ihr zugehörig fühlen möchte. Eine Krankheit, an der wahrscheinlich jede Subkultur auf diesem Planeten leidet.
Was dann dabei herauskommt ist das, was Fleischesser und Vegetarier oft völlig zu Recht als abschreckend und negativ empfinden: eine gefühlte Masse von krawalligen und aggressiven Facebook-Kommentarspalten-Helden, die es sich zur Aufgabe gemacht zu haben scheinen, jeden kleinen Funken Motivation hin zu einem pflanzlichen Lebenswandel zunichte zu machen. Warum nerven wir Veganer manchmal so? Warum scheint es so vielen von uns enorm schwer zu fallen, Neuzugänge in den inneren Kreis aufzunehmen? Und was spricht eigentlich gegen Veganer, die trotz ihrer ethischen Lebensneuausrichtung einen modischen Anspruch haben? Oder gegen die, die nicht sofortig auf Honig verzichten? Oder die nicht einsehen, ihre Ledersachen wegzuwerfen und sie stattdessen ehren und auftragen möchten? Warum zählen 80 oder 90 Prozent so wenig? Warum hauen wir auf die ein, die sich in unsere Richtung bewegen? Ich verstehe es leider nicht.
Wenn ich vor ein paar Wochen meinen Facebook-Feed betrachtet habe, wollte ich mich oft gleich wieder ins Bett legen. Die Negativität nimmt kaum ein Ende, wenn man einem Dutzend veganer Gruppen angehört, ein großer Teil des Freundschaftsnetzwerkes berufsbedingt aus Veganern besteht und man zu allem Überfluss auch noch veganen Infoseiten folgt. Mir erschließt sich das ständige Bashing von veganen Celebrities, Neuveganern oder – ganz offensichtlich am Allerschlimmsten! – erfolgreichen Neuveganern überhaupt nicht. Posts mit der Kernfrage „warum es Veganer eigentlich immer am Schwersten haben“ oder ellenlange Diskussionen darüber, wann Miley Cyrus das letzte Mal mit einem Pelzmantel gesichtet wurde und ob sie das nun als Veganerin disqualifiziert oder nicht, führen bei mir eigentlich nur zu einem: leichter Migräne.
Denn in diesem ganzen Zirkus geht völlig verloren, um was es eigentlich geht. Nämlich nicht um sich selbst, die eigene Stellung in der Subkultur of choice oder das eigene Selbstwertgefühl. Es geht darum, anderen Lebewesen Leid und Schmerz zu ersparen. Es geht darum, etwas von dem Glück und der Dankbarkeit zurückzugeben, die man verspüren sollte, wenn man auf diesem Fleckchen der Erde leben darf. Es geht darum, sich gegen die schleichende Negativität zu entscheiden, die wir uns durch gewisse Konsumentscheidungen ins eigenen Leben holen. Es geht darum, sich zu fragen, was für ein Mensch man sein möchte und welche Konsequenzen man bereit ist, dafür zu tragen. Es geht um Nachsicht, Rücksicht und (Achtung!) Toleranz.
Ich kuratiere meinen Facebook-Feed jetzt viel stärker. Ich konzentriere mich noch mehr auf die positiven Dinge, die mir meine Entscheidung, vegan zu leben, gibt. Ich entscheide mich gegen ein Verhalten, das Menschen demotiviert, die sich für einen bewundernswerten Weg entschieden haben. Jeder, der sich mit den drängenden Fragen von Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Tierrechten beschäftigt, hat Respekt verdient, egal wo er grade steht. Sich selbst zu hinterfragen und den Willen zu zeigen, die Konsequenzen für das eigene Handeln zu tragen – in Babysteps, im eigenen Tempo und mit Freude – das ist eine große Leistung. Lasst euch nicht entmutigen, ihr seid toll! Darauf einen Soja-Latte.